Ärztekammer-Präsidentin regt Ausgangssperre für Ungeimpfte an
Niedersachsens Ärztekammer-Präsidentin Martina Wenker fordert angesichts der aktuellen Corona-Lage die Politik auf, über eine Ausgangssperre für Ungeimpfte nachzudenken.
Im Moment wolle sie noch keine Ausgangsbeschränkungen für Ungeimpfte, sagte Wenker im Interview mit der "Nordwest Zeitung" (NWZ). "Aber wir sollten über das Instrument nachdenken." Nur mit maximaler Konsequenz ließe sich ein Zustand wie in Bayern und Sachsen verhindern, sagte sie. Dort liegt die Inzidenz in etlichen Landkreisen schon seit Tagen über 1.000 und die Intensivstationen sind überfüllt. "Das Virus verzeiht nicht den kleinsten Fehler", sagte Wenker. Sachsen hat für Hotspot-Regionen bereits eine nächtliche Ausgangssperre für Ungeimpfte verhängt.
Wenker plädiert für Inzidenz als wichtigsten Indikator
Die Ärztekammer-Präsidentin fordert, die von Bund und Ländern beschlossenen Maßnahmen so konsequent wie möglich durchzuhalten. Viele Kliniken seien bereits an ihrer Belastungsgrenze und die Pflegekräfte "nach 20 Monaten Kampf gegen Corona am Ende". Dass die Hospitalisierungsquote in der neuen Corona-Verordnung des Landes wichtigster Indikator zur Bewertung der Infektionslage bleibt, sieht Wenker kritisch, wie sie der Zeitung sagte. Besser sei aus ihrer Sicht, sich an der Sieben-Tage-Inzidenz zu orientieren. "Diese Zahl sagt mit ziemlich hoher Treffgenauigkeit, wie gefährlich die Infektionslage ist."
Ver.di ist gegen Impfpflicht in der Pflege
Wenker sieht die Politik in der Pflicht, über eine allgemeine Impfpflicht nachzudenken. Eine Impfpflicht für Gesundheitsfachberufe "sollte in jedem Fall kommen", sagte Wenker der NWZ. Anders sieht das die Gewerkschaft ver.di, die sich gegen eine Impfpflicht für bestimmte Berufsbereiche ausspricht. "Am Prinzip der Freiwilligkeit des Impfens sollte nicht gerüttelt werden", sagte David Matrai, Fachbereichsleiter des Landesbezirks Niedersachsen-Bremen. Die Impfquote im Bereich der Pflege sei schon jetzt überdurchschnittlich hoch. Matrai hält eine Impfpflicht für kontraproduktiv. Er fürchtet, dass Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, zumindest vorübergehend aus diesen Berufen aussteigen werden. "Einen weiteren Exodus des Personals" könne man sich im Kampf gegen die Pandemie aber nicht leisten.
Verfassungsrechtler hält Impfpflicht für durchsetzbar
Eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus ist aus Sicht des Berliner Staats- und Verfassungsrechtlers Ulrich Battis geboten und rechtlich durchsetzbar. "Die Bürger vorbeugend gegen Corona zu impfen, ist durch Artikel 2 des Grundgesetzes gedeckt, der den Schutz des Lebens anderer Menschen festlegt", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Angesichts der rasant steigenden Inzidenzen müsse die Politik zu solch drastischen Maßnahmen greifen. Das ebenfalls in Artikel 2 festgeschriebene Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit habe zurückzutreten. Zwar könne eine Impfpflicht gegen die jetzige vierte Welle nichts mehr ausrichten, sagte er. "Aber sie kann gegen eine künftige fünfte Welle helfen."
