Ahrensburg: Altbau-Charme zwischen Neubauten
Bilder von früher im Vergleich mit Fotos von heute - möglichst aufgenommen von derselben Position: Das ist das zentrale Element der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute". So wollen wir den Wandel der Städte im nördlichsten Bundesland dokumentieren. Ein interaktiver Foto-Vergleich macht das besonders deutlich.
von Doreen Pelz
Das Haus von Familie Lüning in der Hamburger Straße in Ahrensburg wird im Moment von einem Gerüst verdeckt. Arbeiter streichen die Fassade von dem 1903 errichteten Gebäude neu. Vor 13 Jahren hatten Annemarie und Stefan Lüning den Altbau gekauft. "Es war ein Haus, wo lange nichts dran gemacht worden war. Deshalb konnten wir es auch kaufen." Seitdem wurde viel renoviert, doch abgeschlossen seien die Arbeiten nie, sagt Annemarie Lüning. Das Haus hat eine Geschichte. Zu sehen ist das nicht nur am alten Holzboden und dem Stuckrahmen an der Decke. In jedem Raum hängt ein Bild mit den alten Tapeten, die beim Renovieren als unterste Schicht gefunden wurden. An der Außenfassade gibt es neben der Eingangstür ein altes Relief mit der Inschrift: "Das Glück des Hauses ist das Glück der Welt".
Wandverzierung an der alten Stadtvilla
Am Anfang konnte sich Familie Lüning nicht dafür begeistern. Jetzt sagt sie, gehöre es zum Haus und seiner Geschichte. "Das typische Neubaugebiet hätte nicht zu uns gepasst. Ich wollte schon immer im Altbau wohnen", erzählt Annemarie Lüning. "Viele Leute bleiben auch vor dem Haus stehen, schauen auf das Relief und fragen sich, was das denn ist."
Ein ehemaliger Besitzer des Hauses hatte die abgebildete Frau mit dem Äskulapstab als Wandverzierung angefertigt. Seine Frau war Ärztin und hatte in dem Haus in der Hamburger Straße eine kleine Praxis.


Der sogenannte Fasanenhof - erbaut um 1900 als Hotel und Gaststätte. In den 1980er-Jahren wird das Haus dann zu einer Klinik umgebaut und bis 2011 betrieben. Vor vier Jahren reißt man den Fasanenhof bis auf eine Fassade ab. Im Stil der alten Villa entsteht ein neues Gebäude mit 29 Eigentumswohnungen.
Um 1900: Bahnhof bringt Touristen aus Hamburg
Ein weiterer entscheidender Grund dieses Haus zu kaufen, war das Grundstück - "vor allem mit dem alten Baumbestand", schwärmt Annemarie Lüning. Die Häuser in der Hamburger Straße entstanden alle um die Jahrhundertwende. 40 Jahre zuvor hatte Ahrensburg einen Bahnhof bekommen, die Hamburger Straße war dann eine der ersten in Bahnhofsnähe. Durch die günstige Verkehrslage zog es viele Hamburger in den Kreis Stormarn.


Im August 1865 wird der Bahnhof in Ahrensburg eröffnet. Er liegt damals außerhalb der Stadt und gehört zum Gut der Familie Schimmelmann. Die Einwohner des damaligen Ortes Woldenhorn beschließen zwei Jahre nach der Eröffnung, dass ihr Ort nun wie die Bahnstation Ahrensburg heißen soll. Mit dem Zug kommen um 1900 - vor allem am Wochenende - viele Touristen aus Hamburg.
Häuser und Bäume stehen unter Denkmalschutz
Wohlhabende Hamburger hatten ihren Wohnsitz nach Ahrensburg verlegt und östlich des Bahnhofs entstand ein Villenviertel. Für die parkähnlichen Gärten bestand ein großer Bedarf an Pflanzen, sodass sich viele Landschaftsgärtner und Gärtnereien ansiedelten.


Das Villenviertel zwischen Hagener Straße und Parkallee entsteht um die Jahrhundertwende. In der Hagener Allee stehen heute nicht nur die Häuser wie Nummer 80, sondern auch die Bäume unter Denkmalschutz.
Schrille Tapeten und alte Zeitungen
Im Laufe der Sanierungsarbeiten gibt es für die Familie Lüning immer wieder Interessantes zu entdecken. "Wir hatten ungefähr zehn schrille Tapetenarten im Haus. Im Flur war Dschungel", erzählt Annemarie Lüning lachend - und ihr Mann Stefan ergänzt: "Und wir haben auch bei der Renovierung zu jeden baulichen Maßnahmen eine Zeitung gefunden. Da hat man immer gesehen, wann die Arbeiten passiert sind. Oben im Flur hatte ich eine von 1976. Und ein Zwei-Mark-Stück habe ich auch gefunden."


Auf den großzügigen Gartengrundstücken der großen Villen in der Parkallee in Ahrensburg wird inzwischen weiter gebaut. Eine direkte Sicht auf die denkmalgeschützten Häuser - wie von der Villa Rickmer 1915 - gibt es kaum noch. Sie wird durch hohe Zäune und Hecken oder sogar neue Einfamilienhäuser verdeckt.
Alte Häuser verschwinden aus Ahrensburg
Das Haus der Lünings wurde, wie viele Häuser der Hamburger Straße, als schützenswert eingestuft. Der Altbaubestand sollte so bleiben wie er ist. Auch für die Hagener Allee auf der gegenüberliegenden Seite der Bahngleise gilt das. In anderen Straßen des Villenviertels verschwinden hingegen immer mehr alte Häuser. Die neuen Besitzer reißen sie ab und bauen größere Mehrfamilienhäuser auf die Grundstücke. Denn wie vor 100 Jahren boomt Ahrensburg - und der moderne, hochwertige Wohnraum ist knapp
Das ist eine Entwicklung, die auch Stefan Lüning bemerkt hat. "50er- und 60er-Jahre-Häuser verschwinden immer wieder. Oder hinter oder vor einer alten Villa wird noch ein neues Haus gebaut." Er selbst ist dafür, dass der alte Bestand erhalten bleibt.


Wie sehr sich die Stadt in 100 Jahren verändert hat, lässt sich auch an der Großen Straße erkennen. Keines der Häuser um 1900 steht heute noch. Auch die Häuser, die dort in den 1960er-Jahren standen, wurden durch moderne Bauten ersetzt.
Ahrensburg: Vom Land zum Stadtkern gewachsen
Die Stadt Ahrensburg ist nicht von einem Stadtkern nach außen gewachsen, sondern von außen zum Stadtkern hin. Der Hintergrund: Viele Flächen, die zur heutigen Stadt gehören, waren um 1900 noch im Besitz der Schlossherren - der Familie Schimmelmann. Erst nach und nach wurden zum Teil sehr große Grundstücke im Süden verkauft. Das heutige Villenviertel wurde gebaut. Im Westen entstanden kleinere Parzellen mit eigenem Nutzgarten. Nachdem die Familie in den 1920er-Jahren Ahrensburg verlassen hatte, waren alle Ländereien bis zum Schlossgarten an Privateigentümer verkauft. Die bauten Häuser auf Flächen, die von der Stadt eigentlich gar nicht als Baugrund vorgesehen waren. Im Herzen von Ahrensburg, direkt hinter dem Rathaus, blieb ein großes Stück Land frei: der Stormarnplatz. Auch heute ist das noch eine Freifläche mit Sportplätzen und einem kleinen Parkplatz. Erst im Juni engagierten Ahrensburger ein Protestgrillen auf dem Platz. Der Umbau zu einem großen Parkplatz soll verhindert werden.


Auch wenn im Villenviertel viele neue Häuser entstehen - auch am Altbestand wird festgehalten. Die Villa in der Parkallee 50 sieht trotz eines Umbaus von außen heute fast noch so aus wie 1931.
Junge Familien halten alten Charme am Leben
"Es soll ja auch kein Freilichtmuseum werden. Aber die Grundstücke noch einmal voll zu stopfen, um möglichst viele neue teure Eigentumswohnungen zu schaffen, das finde ich nicht gut", meint Annemarie Lüning. Auch in der Hamburger Straße sind neue Gebäude entstanden, die Familie Lüning nicht besonders schön findet. Sie freuen sich dagegen über eine junge Familie, die einige Häuser weiter in ein ähnliches Haus wie ihres gezogen sind. Sie könnten sich sehr gut in die Situation hineinfühlen, wie es ist, mit Kind ein solches Haus zu renovieren.
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