VIDEO: Hamburgs früherer Bürgermeister Hans-Ulrich Klose ist tot (2 Min)

Hans-Ulrich Klose: Der versierte Außenpolitiker

Stand: 08.09.2023 10:30 Uhr

1974 wurde Hans-Ulrich Klose Hamburger Bürgermeister und war mit 37 Jahren jüngster Regierungschef der Republik. 30 Jahre lang saß er im Bundestag und machte sich vor allem in der Außenpolitik einen Namen. Am 6. September 2023 starb der SPD-Politiker.

von Jochen Lambernd

Der Hamburger Bürgermeister Peter Schulz hat 1974 mit einer zunehmenden Vertrauenskrise zwischen Senat und SPD-Parteiführung zu kämpfen. Ende Oktober 1974 tritt er von seinem Amt zurück. Am 12. November 1974 wählt der Senat der Hansestadt Hans-Ulrich Klose zu dessen Nachfolger. Der damals 37-Jährige hat sich für diesen Posten empfohlen - nicht zuletzt als federführender Autor eines "Positionspapiers" der Hamburger SPD. Die Sozialdemokraten peilen darin selbstkritisch einen gemäßigten Standpunkt an.

Hans-Ulrich Klose (ehem. Mitglied des Deutschen Bundestages) 2016 bei Markus Lanz im ZDF © picture alliance / Eventpress MP Foto: Eventpress MP
AUDIO: Trauer um Hans-Ulrich Klose (1 Min)

Jura-Studium in Freiburg und Hamburg

Geboren wird Klose am 14. Juni 1937 in Breslau. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Bielefeld und dem Abitur im Jahr 1957 studiert er ab 1959 Rechtswissenschaften in Freiburg und Hamburg. 1961 schließt er das Erste Staatsexamen ab, 1965 besteht er die Assessorprüfung. Anschließend ist er bis 1968 Jugendstaatsanwalt, anschließend Koordinator in der Justizbehörde.

Bereits 1964 tritt Klose in die SPD ein und folgt damit eigenen Aussagen zufolge dem Ratschlag seines Vaters, einem Lehrer. Der rät ihm mit Blick auf Nazis und Stalinisten: "Wenn Du nicht willst, dass braune oder rote Banausen es machen, dann mach es selbst." Seit seinem Eintritt in die Partei gilt er als Senkrechtstarter, wird erst Juso-, dann SPD-Vize in Hamburg, 1970 erstmals Bürgerschaftsabgeordneter und stellvertretender Fraktionsvorsitzender - bis er 1972 an die Spitze der Rathaus-Fraktion rückte. Schon ein Jahr später ist er Innensenator der Hansestadt.

Von 1974 bis 1981 Hamburger Bürgermeister

Hans-Ulrich Klose (SPD) © picture-alliance Foto: Sven Simon
Hans-Ulrich Klose muss als Hamburger Bürgermeister auch gegen seine eigene Partei kämpfen.

Ins Amt des Hamburger Bürgermeisters startet der Sozialdemokrat nach seiner Wahl 1974 mit einem rigorosen Sparkurs. Als Vertreter des linken Parteiflügels kritisiert er den Extremistenbeschluss und versucht die Abkehr Hamburgs von der Atomenergie zu erreichen. Vor allem wegen der mangelnden Unterstützung der SPD für seinen Kurs gegen das rund 70 Kilometer entfernt im Nachbarland Schleswig-Holstein gelegene Atomkraftwerk Brokdorf tritt Klose als Bürgermeister 1981 etwas überraschend zurück. Aber auch der Giftmüll-Skandal der Firma Stoltzenberg und Verluste der öffentlich-kommunalen Hamburger Stadtentwicklungsgesellschaft STEG tragen zu dieser Entscheidung bei. Kloses Nachfolger im Amt des Bürgermeisters wird Klaus von Dohnanyi.

1983 erstmals in den Bundestag gewählt

1983 zieht Klose als direkt gewählter Abgeordneter erstmals in den Bundestag ein. Sein Wahlkreis - zunächst Hamburg-Harburg, ab 2002 Hamburg-Bergedorf - Harburg - ist groß und ländlich. Klose betreut zwei Wahlkreisbüros gleichzeitig - eines im Stadtteil Harburg und eines in Bergedorf.

Klose profiliert sich im Bundestag als Fraktionschef und versierter Außenpolitiker. Innerparteilich gehört er als Schatzmeister bis 1991 zum engsten Führungskreis der SPD. Nach dem Rücktritt von Hans-Jochen Vogel wird Klose 1991 zum Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion gewählt, muss den Posten aber 1994 an Rudolf Scharping abtreten.

Auf Außen- und Sicherheitspolitik spezialisiert

Von 1998 an widmet er sich auf Bundesebene der Außen- und Sicherheitspolitik, ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses und wird 2010 zudem Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt - ein Posten, den er 2011 aus familiären Gründen vorzeitig wieder aufgibt.

Klose engagiert sich für die Gesellschaft

Der SPD-Politiker engagiert sich auch gesellschaftlich. Von 1986 bis 1989 ist Klose Vorsitzender des Bundesvereins zur Förderung des Genossenschaftsgedankens. Der Verein soll die Genossenschaftsbewegung wieder stärker in den Vordergrund rücken und zu einem wichtigen Faktor der politischen Kultur und der Wirtschaft machen. Von 2013 an ist er Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Außerdem wird der Mitglied des Beirats der Atlantischen Initiative sowie im Kuratorium der Hilfsorganisation CARE Deutschland. Darüber hinaus wirkt er im Verein AFS Interkulturelle Begegnungen, der ältesten deutschen Schüleraustauschorganisation ebenfalls im Kuratorium mit.

Den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland lehnt Klose ab - traditionell. Hintergrund ist, dass ihm als ehemaligem Hamburger Senator aufgrund eines Beschlusses des Senates der Hansestadt nicht gestattet ist, solche Auszeichnungen anzunehmen. Diese Tradition reicht bis ins Mittelalter zurück.

Nach Bundestagsabschied: Arbeit mit eigenem Archiv

2013 scheidet Klose im Alter von 76 Jahren aus dem Bundestag aus. 30 Jahre lang ist er dort ein- und ausgegangen. Nach eigenen Worten hat er eine Bibliothekarin eingestellt, die versuchen soll, sein Archiv aus über 30 Jahren politischer Arbeit zusammenzuschmelzen. Kloses Schätzungen zufolge handelt es sich dabei um rund 200 Aktenordner. "Ich möchte aber, dass sie dies auf etwa 50 herunterdrückt. Damit möchte ich noch arbeiten und zwar unter der Überschrift: Was war eigentlich wichtig? Und was war unwichtig?“, erzählt er. Über sich selbst sagt Klose: "Ein Leben ohne Politik kann ich mir nicht vorstellen - ein Leben ohne politische Ämter sehr wohl."

Ruhestand mit Reisen und Zeichnen

Hans-Ulrich Klose und Ehefrau Anne am 2. Dezember 2004 beim festlichen Konzert aus Anlass des 50-jährigen Bestehens der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in der Deutschen Oper Berlin © picture-alliance / SCHROEWIG/Eva Oertwig Foto: SCHROEWIG/Eva
Haben nach der Bundestagszeit noch viel vor: Klose und seine Frau Anne.

Nach seinem Abschied vom Bundestag hat Klose noch viele Pläne. "Jetzt, bitte, will ich selbst entscheiden, jetzt bin ich alt und endlich frei", schreibt er in einem eigenen Gedicht. Er werde die Arbeit als Parlamentarier zwar vermissen, aber er freue sich auf Fahrten durch ganz Deutschland zusammen mit seiner Frau. "Es gibt ja erstaunlich viele Gegenden, die man überhaupt nicht kennt", zitiert ihn ein Text des Bundestags. Als Beispiele nennt Klose Hessen sowie die Donau-Umgebung.

Er wolle außerdem weiter zeichnen, dichten und malen, kündigt er 2013 an. Für die Kunst hat er durchaus Talent. In Kloses Abgeordnetenbüro hängt damals eine eindrucksvolle Skizze von einer Dame mit besonders ausdrucksvollen Augen - seiner Frau.

Mit 86 Jahren gestorben

Klose, der vier Kinder und eine Stieftocher hat,stirbt am 7. September 2023 im Alter von 86 Jahren in Berlin. Nach Angaben seiner Ehefrau Anne Steinbeck-Klose ist er friedlich zu Hause eingeschlafen. In den vergangenen Jahren habe er an Alzheimer gelitten.

Bundeskanzler Scholz: "Er wird fehlen!"

Eine "klare Haltung und klare Worte" sind nach Ansicht von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das "Markenzeichen" Kloses gewesen. Politisch habe er keine Auseinandersetzung gescheut, so Scholz. "Er liebte die Politik, die Poesie und den Humor. Hans-Ulrich Klose hat Hamburg und die Bundesrepublik geprägt. Er wird fehlen!" Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich würdigt den früheren Hamburger Bürgermeister als "herausragenden Politiker und feinen Menschen". Dieser habe sich "mit Anstand und Würde den politischen Herausforderungen gestellt" und "unserem Land in vielen wichtigen Funktionen gedient".

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | 07.09.2023 | 14:00 Uhr

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