Stand: 18.08.2014 10:25 Uhr

NS-Zwangsarbeit in Rüstungsfirma der Welfen

Historische Aufnahme der Messerschmitt 262 © picture alliance / dpa
Die Rüstungsfirma der Welfen gehörte zu den "kriegswichtigen" Unternehmen der NS-Diktatur. Sie war an der Produktion des Düsenjägers Me 262 beteiligt.

Dunkle Geschäfte in einer dunklen Zeit: Während der Nazi-Herrschaft hat das Adelsgeschlecht der Welfen einige skrupellose Geschäfte gemacht. Es war zum Beispiel an den "Arisierungen" jüdischer Unternehmen beteiligt. Ernst August Herzog von Braunschweig und Lüneburg (1887 - 1953) und sein Sohn Ernst August (1914 - 1987) profitierten als Hauptgesellschafter einer Rüstungsfabrik vom Krieg. Ihr Name: Flugzeug- und Metallbauwerke Wels, kurz FMW. Das Unternehmen war einer der "kriegswichtigen" Rüstungsbetriebe des "Dritten Reiches" und an der Geheimproduktion des ersten Kampfflugzeugs mit Düsenantrieb beteiligt. Erstmals kann belegt werden, dass für die Fabrik der Welfen auch Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge geschuftet haben.

Erst Ernst August machte die Firma zum Rüstungsunternehmen

Historikerin Sabine Loitfellner. © Eco Media TV / NDR
Die Historikerin Sabine Loitfellner hat Dokumente ausfindig gemacht, die die Verbindung der Welfen mit dem Rüstungsbetrieb FMW belegen.

Die Wiener Historikerin Sabine Loitfellner hat im Auftrag des NDR mehr über das Rüstungsunternehmen der Welfen in Erfahrung gebracht. Bis dahin war nichts über die Beteiligung der Welfen bekannt. Im Wiener Landesarchiv ist Loitfellner auf Dokumente der Flugzeug- und Metallbauwerke Wels gestoßen. Sie werden in der Dokumentation "Adel ohne Skrupel" zum ersten Mal veröffentlicht. "Die Firma wurde 1938 von Ernst August [dem Großvater des heutigen Welfenoberhaupts, d. Red.] angekauft", erklärt die Historikerin. "Es handelt sich hier um keine "Arisierung", sondern um einen normalen Erwerb mit redlichen Mitteln." Ursprünglich hatte das Unternehmen Landwirtschaftsmaschinen gefertigt. Loitfellner hat jedoch herausgefunden, dass Ernst August die Firma schon ein Jahr nach dem Kauf, im August 1939, in die Flugzeug- und Metallbauwerke umgewandelt hat. "Das war einen Monat bevor der Zweite Weltkrieg begonnen hat."

Ein Millionengeschäft - ermöglicht durch die Ausbeutung von Zwangsarbeitern

Bereits 1935 hatten Hitler und Göring in Vorbereitung auf den Krieg die deutsche Luftwaffe gegründet. Sie brauchten Hersteller und neue Flugzeugmodelle, aber auch Wartungs- und Reparaturwerkstätten, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Genau diese Aufgabe erfüllte die neue Firma des Herzogs Ernst August. Beschädigte Flugzeuge der deutschen Luftwaffe wurden dort repariert - ein Millionengeschäft. Die Welfen verdienten am Krieg: Der Umsatz betrug  bis zu 16 Millionen Reichsmark - umgerechnet auf heute waren das bis zu 60 Millionen Euro pro Jahr. 1942 machte die Firma einen Gewinn von mindestens 76.000 Reichsmark, circa 340.000 Euro pro Jahr. "Etwa 1943 hatte die Firma ein Stammkapital von zwei Millionen Reichsmark. Das ist natürlich ein beträchtlicher Wert", so Historikerin Loitfellner.

Ausländische Arbeitssklaven bei der FMW

Alfred Steinbichler, ehemaliger Lehrling bei FMW, heute. © Eco Media TV / NDR
Alfred Steinbichler, ehemaliger FMW-Lehrling, erinnert sich noch gut an die ausländischen Arbeiter in der Fabrik.

Die Fabrik der FMW stand im oberösterreichischen Wels. Heute sind fast sämtliche Spuren getilgt. Kaum etwas deutet noch auf das ehemals riesige Betriebsgelände hin. Auch viele Unterlagen gingen nach dem Krieg verloren. Doch im Stadtarchiv Wels hat Sabine Loitfellner Hinweise auf den systematischen Einsatz von Zwangsarbeitern, Männern wie Frauen, gefunden: "In den historischen Dokumenten, die erhalten geblieben sind, haben wir ganz klare Belege dafür, dass ausländische Zwangsarbeiter eingesetzt wurden. So gibt es zum Beispiel im Stadtarchiv Wels Unterlagen, die das sogenannte Franzosenlager auf dem Gelände der FMW betreffen. Mit der Fortdauer des Krieges und der immer prekärer werdenden Arbeitskräftesituation wurden immer mehr Zwangsarbeiterinnen in immer größerem Ausmaß eingesetzt. Bis zu Kriegsende sind etwa 40, 45 Prozent der Belegschaft sogenannte Auslandskräfte, ZwangsarbeiterInnen." Insgesamt waren es bei der FMW der Welfen geschätzt mehrere Hundert.

Zeitzeugen erinnern sich:

Alfred Steinbichler, ehemaliger FMW-Lehrling:
"Da waren viele Ausländer, das hat man gesehen, weil sie ja gruppenweise zur Schicht ins Werk gegangen sind. Und man hat ja auch außerhalb vom Werk, wenn Schichtwechsel war, gesehen, dass da viele Ausländer, also ganze Gruppen von Ausländern gingen."

"Die Franzosen haben am Rücken ein Zeichen gehabt. Die sind nicht so übermäßig bewacht gewesen. Wohingegen KZ-Häftlinge hier sehr stark bewacht wurden. Wenn da fünf oder zehn KZ-Häftlinge eine Arbeit gemacht haben, sind die schon immer auf alle Fälle von einem Kapo oder einem Soldaten, mit einem Gewehr umgehängt, bewacht worden."

 

Schlagwörter zu diesem Artikel

NS-Zeit

Zweiter Weltkrieg

Dossier

Schloss Marienburg © dpa Foto: Peter Steffen

Die dunklen Geschäfte der Welfen

Das Vermögen der Adelsfamilie wird auf 400 Millionen Euro geschätzt. Woher stammt der Reichtum der Welfen? Welche Geschäfte hat die Familie während der Nazi-Diktatur getätigt? mehr

Mehr Geschichte

Das Passagierschiff "Cap Arcona" © Carl Müller & Sohn, Hamburg-Altona / Stadtarchiv Neustadt

#everynamecounts: Infos zu "Cap Arcona"-Überlebenden digitalisieren

Freiwillige sind aufgerufen, Infos einer historischen Kartei zu digitalisieren. Beim Untergang der "Cap Arcona" und der "Thielbek" starben 1945 rund 7.000 Menschen. mehr

Norddeutsche Geschichte