60 Jahre Kampfschwimmer: Die Bundeswehr-Elite in Eckernförde

Stand: 02.04.2024 00:04 Uhr

Seit 2014 sind die Kampfschwimmer Kern des Kommando Spezialkräfte der Marine (KSM). Ins Leben gerufen wurde die Einheit am 1. April 1964 - mit dem Aufbau einer eigenständigen Kompanie im schleswig-holsteinischen Eckernförde.

von Johannes Freytag

Laut Fregattenkapitän Sebastian Schuldt, der seit September 2022 das Kommando Spezialkräfte der Marine führt, war dies eine logische Standortwahl: "Zu der Zeit des Kalten Krieges lag die Bedrohung in der Ostsee quasi vor den Molenköpfen des Marinestützpunkts", der damals zudem einziger deutscher Tiefseehafen in der Ostsee war (inzwischen zählt auch Rostock dazu). In Eckernförde sind außerdem auch die deutschen U-Boote stationiert, wie Schuldt dem NDR gegenüber hervorhebt.

Das runde Jubiläum begeht die Marine am 11. Juli mit einer öffentlichen Feier in Eckernförde. Besucherinnen und Besuchern geben die Kampfschwimmer mit Vorführungen auch einen Einblick in ihre Tätigkeit.

Ausbilder sind die französischen Kampfschwimmer

Kampfschwimmer der Bundeswehr (Marine), undatierte Aufnahme. © Bundeswehr (Marine)
Frankreich unterstützt die Bundesmarine anfangs beim Aufbau einer Kampfschwimmer-Einheit.

In den 1960er-Jahren vollzieht sich nicht nur in Europa ein militärischer Wandel. US-Präsident John F. Kennedy befiehlt die Neuausrichtung des Militärs. Unter anderem werden die "US Navy SEALs" ("Sea, Air, Land"/ See, Luft, Land) gegründet, die im Vietnamkrieg ihre Feuertaufe haben.

Bereits bei der Gründung der Bundesmarine 1956 liegen Pläne für Kampfschwimmer-Einheiten vor. Die ersten Schulungen beginnen jedoch erst im Januar 1959 mit der Hilfe Frankreichs, das im Indochinakrieg die Rolle des Kampfschwimmers ("Nageur de Combat") zum Einzelkämpfer ausgebaut hat. Zudem haben die Franzosen in ihrer Unterwasser-Forschungsarbeit unter Leitung des Meeresforschers Jacques Cousteau neue Tauchausrüstungen für militärische Zwecke entwickelt.

April 1964: Kompanie in Eckernförde wird aufgebaut

Kampfschwimmer der Bundeswehr (Marine), undatierte Aufnahme. © Bundeswehr (Marine)
Kampfschwimmer trainieren auch in der Halle.

Der erste deutsche Kampfschwimmer-Zug (zehn Soldaten, drei Unteroffiziere) wird im August 1959 dem Seebataillon in Wilhelmshaven-Sengwarden mit Standorten in Eckernförde und Borkum unterstellt. Am 1. April 1964 erfolgt der Aufbau einer selbstständigen Kompanie in Eckernförde.

Die Hallenausbildung der Kampfschwimmer wird in List auf Sylt, die Freiwasserausbildung in Eckernförde und Kappeln-Olpenitz durchgeführt. Dazu kommen noch weitere Spezialschulungen, zum Beispiel der Fallschirmspringerlehrgang an der Luftlande- und Lufttransportschule in Altenstadt (Bayern).

Kampfschwimmer sind "Triphibien"

Das Konzept der deutschen Kampfschwimmer ist längst nicht mehr rein an einen Wasserauftrag gebunden. Vielmehr werden wie bei den Navy SEALs Wasser und auch die Luft dazu genutzt, sich unbemerkt anzunähern, um anschließend Kampfaufträge an Land durchzuführen. Der Kampfschwimmer wird zu einer "Triphibie" und ist bis heute der Soldat mit dem breitesten Ausbildungsspektrum innerhalb der Kampfeinheiten der Bundeswehr. Das taktische Tauchen - vor allem in Zusammenarbeit mit einem U-Boot - ist sein Alleinstellungsmerkmal, zudem ist der Kampfschwimmer aber auch Fallschirmspringer, Speedbootpilot, Sprengstoffexperte, Einzelkämpfer und vieles mehr. Im Ernstfall geht er als erstes in einen Einsatz, und das in gefährlichsten Situationen.

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Terrorismus-Bekämpfung, Geiselbefreiung, Rettungseinsätze

Das Abzeichen der Kampfschwimmer auf einer Bundeswehr-Uniform. © picture alliance / dpa Foto: Carsten Rehder
Das begehrte Abzeichen der Bundeswehr-Kampfschwimmer, den Sägefisch, haben seit 1959 weniger als 500 Soldaten bekommen.

Bereits Anfang der 1970er-Jahre haben die Kampfschwimmer die Grundbefähigung für die spätere Zuordnung zu den Spezialkräften - sie sind die älteste und erfahrenste Eliteeinheit der Bundeswehr. Der Auftrag für die Soldaten ist breit gefächert. So gehören die militärische Aufklärung gegnerischer Häfen und Küstenanlagen, der Schutz von Schiffen oder Evakuierungs-, Rettungs- und Bergungseinsätze ebenso dazu wie im Zivilbereich Terrorismusbekämpfung oder Geiselbefreiungen zum Beispiel bei von Piraten gekaperten Handelsschiffen. In Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt entscheidet das Verteidigungsministerium über den Einsatz von Kampfschwimmern, grundsätzlich können die Spezialkräfte der Marine innerhalb von 72 Stunden aktiviert werden und vor Ort sein.

Einsätze deutscher Kampfschwimmer sind wegen der Geheimhaltung kaum öffentlich geworden. In den 1970er-Jahren nehmen die "Froschmänner" vermehrt an NATO-Übungen teil. Kampfschwimmer sind auch beim ersten "Out-of-area-"Einsatz der Bundeswehr dabei, als Teil der "Operation Wüstensturm" während des Golfkrieges im Irak (1990-1991). Auch am NATO-Einsatz im ehemaligen Jugoslawien 1994 sowie bei der Evakuierung der letzten deutschen Soldaten aus Somalia im selben Jahr oder beim G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 sind Kampfschwimmer der Bundeswehr beteiligt.

Psychisch und physisch geht es an die Grenzen

Kampfschwimmer beim Tauchtraining in der Halle in Eckernförde. © picture alliance / imageBROKER Foto: Norbert Probs
Kampfschwimmer beim Tauchtraining in der Schwimmhalle.

Die dreijährige Ausbildung zum Kampfschwimmer ist neben der zum Piloten eine der längsten, teuersten und körperlich forderndsten Ausbildungen der Bundeswehr. Die Soldaten lernen, mit ständiger Kälte, Nässe und auch Dunkelheit umzugehen. Entsprechend hart - und für Außenstehende möglicherweise unmenschlich wirkend - ist die Ausbildung. Sie ist aber auch alternativlos: "Je höher die psychische und physische Belastbarkeit ist, desto besser kann der Auftrag erfüllt werden, auch unter schwierigsten Bedingungen und einer hohen Gefährdungslage", erklärt Fregattenkapitän Schuldt.

So dient die Zeit der Hallenausbildung dazu, die angehenden Kampfschwimmer an ihre Grenzen zu führen und ist daher nicht als Ausbildung zu verstehen, sondern eher als ein weiteres Auswahlverfahren. Das Programm umfasst Ausdauerläufe, Mutproben, Langstreckenschwimmen, Zeit- und Streckentauchen in Apnoetauchtechnik - die Apnoetaucherin Anna von Boetticher zählt zu den Ausbilderinnen - sowie 50er-Serien von Liegestützen, Sit-ups und Kniebeugen.

Nach der Hallenausbildung geht es ins Freiwasser zur Einsatzausbildung: Das Tauchen und das Langstreckenschwimmen werden geübt. Den Abschluss bildet ein 30-Kilometer-Schwimmen durch die Ostsee - von Olpenitz nach Eckernförde.

Noch gibt es keine Kampfschwimmerin

Früher konnte nur Kampfschwimmer werden, wer bereits bei der Bundeswehr war. Mittlerweile können sich auch Zivilisten bewerben, die dann direkt nach der Grundausbildung in die Kampfschwimmer-Ausbildung beginnen. 50 Prozent der Kandidaten sind einem Marine-Video von 2021 zufolge Zivilisten. Aber nicht jeder ist geeignet, Kampfschwimmer zu werden. So scheiterten jahrelang viele Bewerber bereits am sogenannten Sauerstofftoleranztest - bei dem festgestellt wird, ob ein Mensch unter Druck (in der Druckkammer) 100 Prozent Sauerstoff verträgt. Da dies aber genetisch bedingt und Tagesform-abhängig ist, wird der Test nicht mehr durchgeführt.

Die Durchfall-Quote bei der Ausbildung ist dennoch hoch. Laut Fregattenkapitän Schuldt schließen von etwa 100 Bewerbern durchschnittlich sechs die Ausbildung erfolgreich ab. Insgesamt wurden seit 1959 weniger als 500 Soldaten zum Kampfschwimmer ausgebildet, eine Frau ist bislang nicht darunter.

Zwei Kampfschwimmer der Bundeswehr klettern in der Ostsee aus dem Wasser. © picture alliance / dpa Foto: Carsten Rehder
Kampfschwimmer müssen ihre Tauglichkeit jedes Jahr nachweisen.

Wer sich für die Ausbildung bewirbt, muss nach Marine-Angaben mindestens 17 Jahre alt sein, die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen und darf nicht vorbestraft sein. Weitere körperliche Grundvoraussetzungen werden in einem eintägigen Check in Kiel/Kronshagen überprüft. Dazu kommen diverse sportliche Fähigkeiten, deren Mindestanforderungen deutlich überboten werden sollten - ein späteres Scheitern ist ansonsten programmiert. Einen Einblick gibt ein Schnupperpraktikum.

Eine Altersgrenze nach oben gibt es für fertig ausgebildete Kampfschwimmer nicht. Zwar müsse die Tauglichkeit jedes Jahr nachgewiesen werden, aber viele Soldaten scheiden nach mehr als 30 Jahren Dienst in der Bundeswehr immer noch mit einer Kampfschwimmertauglichkeit aus, sagt Fregattenkapitän Schuldt: "Kampfschwimmer ist man sein Leben lang."

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