Stand: 22.06.2019 15:13 Uhr

22. Juni 1969: Zwölf Tote bei Explosion in Linden

Auf einer historischen Schwarz-Weiß-Aufnahme stehen Menschen vor entgleisten Güterwaggons im Güterbahnhof Hannover-Linden. © picture alliance/dpa Foto: Wolfgang Weihs
Den Rettungskräften bot sich ein Bild der Verwüstung.

Es ist Sonntagmorgen, als die Katastrophe ihren Lauf nimmt. Der 22. Juni 1969, leicht bewölkt. Um kurz nach 8 Uhr geht ein Notruf bei der Feuerwehr in Hannover ein: Im Bahnhof Linden brennt ein Güterwagen. Dass es sich bei dem Zug um einen Munitionstransport der Bundeswehr handelt, wissen die Einsatzkräfte da noch nicht. 216 Granaten für Panzerhaubitzen liegen im Wagen Nummer 35. Wenig später, als die Rettungskräfte gerade eintreffen sind, beginnt das Inferno: Die Ladung mit einem Gesamtgewicht von 15 Tonnen explodiert. Zwölf Menschen, acht Feuerwehrleute und vier Bundesbahner, sterben. 40 Menschen werden verletzt, Feuerwehrwagen von Splittern durchlöchert. Der Schaden liegt bei 40 Millionen D-Mark.

 

Techniker überrascht von hohen Temperaturen

Das Gelände sehe aus wie eine "Kraterlandschaft", schreibt die "Frankfurter Rundschau". Die Suche nach der Ursache fördert kein eindeutiges Ergebnis zutage. Die Waggons sind zerstört, die Ermittlungen kompliziert. Wahrscheinlich hatte eine nicht gelöste Bremse das Feuer verursacht. Bei der Bundesbahn hatten die Techniker nicht damit gerechnet, dass durch eine gezogene Bremse solch hohen Temperaturen entstehen könnten. Bei einem nachgestellten Versuch in Minden (Nordrhein-Westfalen), berichtet "Die Zeit" im Jahr 1970, seien Temperaturen von bis zu 1.000 Grad Celsius gemessen worden. "Das haben wir bis heute selbst nicht gewusst", zitiert die Zeitung einen Sprecher des Materialprüfungsamtes. Die Granaten explodierten bereits bei einer Temperatur von knapp über 200 Grad.

"Öffentlichkeit in die Irre geführt"

Drei Einsatzkräfte der Feuerwehr löschen einen brennenden Güterwaggon auf einer historischen Schwarz-Weiß-Aufnahme © NDR
Die Ursache für den Unfall war vermutlich eine nicht gelöste Bremse. (Screenshot)

Das Krisenmanagement von Bahn und Bundeswehr sorgt für massive Kritik. "Mit derlei Bildern wurde die westdeutsche Öffentlichkeit nach der Katastrophe tagelang in die Irre geführt. Allenthalben meldeten Sprengstoffexperten und Zeitungen, wie harmlos doch jener Sprengstoff sei, der am Sonntagmorgen Menschen und Material zerfetzt hatte", schreibt "Der Spiegel" am 30. Juni 1969. Vor der Explosion hatten bereits mehrere Streckenposten gemeldet, dass ein Wagen des Zuges Funken sprühe. Beim Halt in Linden brannte der Wagen schon. Für den Transport von Munition per Bahn gelten nach der Tragödie neue Regeln: Schutzbleche am Waggonboden und Warnzeichen werden eingeführt.

Am Sonnabend fand eine Trauerfeier der Feuerwehr für Angehörige und geladene Gäste statt. Die Veranstaltung ist nicht öffentlich. Um 8.09 Uhr, den Zeitpunkt, als der Löschzug der Feuerwehr am Bahnhof Linden eintraf, wurde eine Schweigeminute abgehalten.

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 22.06.2019 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Bundesrepublik Deutschland

Mehr Geschichte

Rudolf Hell feiert am 19. Dezember 1991 in Kiel mit seiner Frau Jutta seinen 90. Geburtstag und hebt ein Glas Sekt in die Luft. © picture-alliance / dpa Foto: Wulf Pfeiffer

Rudolf Hell: Revolutionär der Nachrichtentechnik

Der Urvater des Faxgerätes Rudolf Hell hat die Nachrichtenübertragung revolutioniert - zunächst mit dem Blatt-Schreiber. Der wurde heute vor 75 Jahren vorgestellt. mehr

Norddeutsche Geschichte