Wie sich der Klimawandel auf die Tierwelt auswirkt
Der Klimawandel zeigt sich nicht nur in fernen Regionen wie der Arktis, sondern auch direkt vor unserer Haustür: Die Jahreszeiten verschieben sich im Jahresverlauf nach vorn, die vegetationsfreie Zeit im Winter wird immer kürzer. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Pflanzenwelt, sondern auch auf die Tierwelt: Während einige Tierarten aus den heimischen Regionen verschwinden werden, breiten sich andere hierzulande aus.
Nahrungsbeziehungen verändern sich
Dem Umweltbundesamt (UBA) zufolge beeinflussen Temperaturänderungen, veränderte Niederschläge und extreme Wetterereignisse die Lebensbedingungen von Pflanzen und Tieren in vielfältiger Hinsicht. So verschieben sich zum Beispiel die Nahrungsbeziehungen und Fortpflanzungszyklen, Tiere und Pflanzen siedeln sich in neuen Verbreitungsgebieten an, neu eingewanderte Arten treten in Konkurrenz zu heimischen Arten. "Biotope und Ökosysteme leben von der Wechselbeziehung verschiedener Tier- und Pflanzenarten", heißt es beim UBA. Änderungen bei der Artenzusammensetzung oder bei den Verhaltensweisen einzelner Arten gefährdeten dieses komplexe Zusammenspiel. So könnten zum Beispiel voneinander abhängige Arten - Räuber und ihre Beutetiere oder auch Blüten und ihre Bestäuber - zeitlich und räumlich entkoppelt werden. "Schon eine Veränderung bei einzelnen Arten und kleine Varianzen von wenigen Tagen können ein Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringen und Nahrungsketten schwerwiegend stören."
Sorge um die Artenvielfalt
Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) rechnet damit, dass sich die Vorkommen einiger Arten nach Norden und Osten sowie in höher gelegene Gebiete wie die Alpen verschieben. Im Artenschutz-Report aus dem Jahr 2015 zitiert das BfN eine Studie von 2004, nach der in den nächsten Jahrzehnten zwischen 5 und 30 Prozent der bislang heimischen Arten aus Deutschland verschwinden könnten. "Langfristig wird dies eine Reihe von Kälte liebenden Arten betreffen", heißt es im Artenschutz-Report. Im Gegenzug würden verstärkt Wärme liebende Vogelarten, Schmetterlinge oder Libellen aus dem Mittelmeerraum einwandern.
Veränderungen in der Vogelwelt
Experten des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) beobachten bereits seit Längerem Veränderungen in der heimischen Vogelwelt: Während einige Arten von den wärmeren Temperaturen profitieren, haben andere Nachteile. "Der Klimawandel führt in zweierlei Hinsicht zu Veränderungen, nämlich zum einen beim Vogelzug und zum anderen bei der Verfügbarkeit der Nahrung, vor allem bei den Insekten", sagt der Referent für Vogelschutz beim NABU, Erik Neuling, im Interview mit NDR.de. Viele sogenannte Kurzstreckenzieher würden den riskanten Vogelzug gar nicht mehr antreten oder kehrten früher aus ihren Winterquartieren zurück. Damit hätten sie einen Vorteil gegenüber den Langstreckenziehern, die weiter in den Süden fliegen. Generell könnten sich Arten, die keine Langstreckenzieher sind, besser und schneller an die veränderten Begebenheiten anpassen, erklärt Neuling. So starteten zum Beispiel Meisen inzwischen zwei Wochen früher mit der Brut und hätten damit einen Startvorteil gegenüber anderen Arten, die spät von ihrem Vogelzug zurückkehren.
Insektenwelt: Anpassungsfähige Arten und "Generalisten" profitieren

Gewinner und Verlierer des Klimawandels gibt es auch in der Insektenwelt. Profiteure des Klimawandels seien sogenannte Generalisten, erklärt Daniela Franzisi, die beim NABU das Citizen-Science-Projekt "Insektensommer" leitet. "Das sind anpassungsfähige Arten wie die Holzbiene, die von den wärmeren Temperaturen aufgrund des Klimawandels profitieren." Die Wärme liebende Holzbiene - die größte heimische Wildbienenart - habe sich in den vergangenen Jahren immer weiter nach Norden ausgebreitet: "Beim Insektensommer 2018 wurde sie von engagierten Bürgern sogar in Flensburg entdeckt." Gewinner gibt es auch bei den Schmetterlingen. Taubenschwänzchen, die eigentlich im Mittelmeerraum heimisch sind, hätten hierzulande bereits eigene Populationen gebildet. Gleiches gelte für den Wärme liebenden Wanderfalter Admiral. "Forscher gehen davon aus, dass sich inzwischen eine von den Mittelmeer-Admiralen unabhängige mitteleuropäische Population gebildet hat." Insgesamt könne man derzeit aber noch nicht sagen, inwiefern sich die Verschiebung der Arten nach Norden auf die Flora und Fauna insgesamt auswirkt.
Kälte liebende Arten und "Spezialisten" sind Verlierer

"Die Klimaveränderungen werden sich - ähnlich wie große Umweltveränderung - vor allem auf Arten konzentrieren, die hinsichtlich ihrer Nahrung oder ihres Lebensraums stark spezialisiert sind", sagt Franzisi. Verlierer des Klimawandels seien zum Beispiel Arten, die als Gebirgs- oder Moorbewohner ein eher kühles Klima bevorzugten. Franzisi geht davon aus, dass bei einer Fortsetzung der Erderwärmung einige ohnehin schon sehr seltene Schmetterlingsarten aus weiten Teilen Deutschlands verschwinden werden: Hochmoorgelblinge, Randring-Perlmutterfalter, Hochmoorbläulinge und Natterwurz-Perlmutterfalter seien auf bestimmte Pflanzen angewiesen, die im Zuge einer weiteren Erwärmung verschwinden könnten.
Der "Klimaatlas der Tagfalter Europas" des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung zeigte diese Gefahr bereits 2008 auf: Der Erhebung zufolge würden bei einem globalen Temperaturanstieg von 2,4 Grad Celsius in den kommenden Jahrzehnten 147 Tagfalter-Arten mehr als die Hälfte des für sie geeigneten Areals verlieren.
WWF befürchtet Rückgang der Artenvielfalt
Welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Artenvielfalt in verschiedenen Schlüsselregionen weltweit haben könnte, untersuchten die Umweltstiftung WWF und Wissenschaftler der Universität East Anglia in Großbritannien im vergangenen Jahr. Dem Bericht "Artenschutz in Zeiten des Klimawandels" zufolge könnten 50 Prozent der Tier- und Pflanzenarten in den weltweit bedeutendsten Naturregionen verloren gehen, wenn die Temperatur auf der Erde um 4,5 Grad ansteigt. Bei einem Anstieg um 2 Grad würde immerhin noch jede vierte Art in den definierten Schlüsselregionen verschwinden.
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