Ostsee: Das Brackwassermeer heizt sich auf
Die Ostsee ist das größte zusammenhängende Brackwassermeer der Welt und ein weitgehend vom offenen Ozean abgeschnittenes Ökosystem. Obwohl der Salzgehalt der Ostsee viel niedriger ist als der von "echten" Meeren wie der Nordsee, haben sich die Fischbestände über Jahrtausende an die hydrografischen Bedingungen angepasst. Neben dem Hering werden Dorsch, Sprotte, Scholle, Flunder, Kliesche und Steinbutt dort kommerziell gefangen. Doch der Nutzungsdruck durch den Menschen und klimatische Veränderungen setzen der Ostsee aber immer weiter zu.
Klimawandel: Erwärmung und Versauerung bedroht Ökosystem
Das Bundesamt für Naturschutz beklagte im Artenschutz-Report 2015, dass die Ostsee beim Erhaltungszustand vieler im Meer lebender Arten nochmal schlechter abschneide als die Nordsee. Neben Faktoren wie einer nicht nachhaltigen Fischerei, der Nutzung der Küstenmeere durch Tourismus und Nährstoffeinträgen durch Landwirtschaft und Industrie spiele dabei auch der Klimawandel eine Rolle. Durch diesen komme es zu einer Erwärmung und Versauerung des Meeres, was die Meeresorganismen zusätzlich zu den unmittelbaren Einflüssen des Menschen stresse.
Forscher sehen Ostsee als Modellregion globaler Entwicklungen
Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel beschrieben gemeinsam mit internationalen Forscher-Kollegen die Ostsee 2018 als "Zeitmaschine", in der sich global auftretende Veränderungen wie Erwärmung, Versauerung, Überdüngung und der Verlust von Sauerstoff schneller und ausgeprägter auswirken als in anderen Meeren. Die in der Ostsee verzeichneten Extremwerte seien einerseits in der besonderen Topographie der Ostsee begründet. Andererseits komme die intensive Nutzung durch den Menschen hinzu. Deswegen plädierten die Forscher dafür, die Ostsee als Modellregion für den Weltozean zu nutzen. "Dieses einzigartige Brackwassermeer kann als eine Art Zeitmaschine dienen, die uns zukünftige globale Entwicklungen besser abschätzen lässt", sagte Thorsten Reusch vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.
Ostseewasser 1,5 Grad wärmer als vor 30 Jahren
Die Ostsee sei vielen Gebieten zeitlich voraus, argumentieren die Forscher. Das zeige sich zum Beispiel an der Wassertemperatur. Die Änderungen seien schon heute in der Ostsee gravierend: Während sich die Ozeane in den vergangenen 30 Jahren um durchschnittlich 0,5 Grad Celsius erwärmt hätten, verzeichneten Messreihen in der Ostsee im selben Zeitraum eine Erwärmung um 1,5 Grad.
Sauerstoffgehalt der Ostsee sinkt
Auch beim Sauerstoffgehalt stellten die Forscher extremere Änderungen als in anderen Meeren fest. "Es gibt ausgeprägte, sauerstofffreie Zonen in den tiefen Bereichen der Ostsee, die sich im vergangenen Jahrhundert in ihrer Ausdehnung verzehnfacht haben", heißt es in dem Bericht. Durch die starke Überdüngung, also Nährstoffeinträge von Land, hat die Produktion von Biomasse in der Ostsee zugenommen, wie Jan Dierking vom Kieler GEOMAR erklärt. Mehr Biomasse sinkt bis auf den Boden und wird dort von Bakterien zersetzt, die in diesen tiefen Schichten den Sauerstoff quasi "veratmen" und damit aufbrauchen.
Zugleich sei die Ostsee natürlicherweise stark geschichtet, sagt Dierking. Das heißt, dass zwischen dem durch Süßwassereinträge relativ wenig salzigen Wasser in flachen Tiefen und den aufgrund von einströmendem Nordseewasser salzhaltigen Wasserschichten kein Austausch stattfindet und somit Sauerstoff von der Oberfläche selbst bei starken Stürmen nicht die tiefen Bereiche erreicht. Der Temperaturanstieg der Ostsee führe zu einer zusätzlichen Verstärkung dieser Schichtung und zugleich zu einer tendenziell höheren Produktivität und schnelleren Veratmung durch Bakterien, sagt Dierking. Damit begünstige die Erwärmung die Sauerstoffprobleme also an mehreren Stellschrauben.
Versauerung schreitet schneller voran als in anderen Meeren
Ein weiteres Problem ist die zunehmende Versauerung der Ostsee, also ein Absinken des pH-Wertes. Der pH-Wert des Wassers in der Ostsee sei heute bereits so niedrig, wie es in tieferen Ozeanen erst im nächsten Jahrhundert erwartet würde, heißt es im Bericht des GEOMAR.
Als Ursache für die Versauerung der Weltmeere sehen Klimaforscher, dass das Meer einen großen Teil des in der Atmosphäre vorhandenen Kohlendioxids aufnimmt. Das saurere Wasser greift dann die kalkhaltigen Schalen von Meerestieren wie Muscheln, Krebsen an und bedroht die Korallenbestände.
