Stand: 29.04.2019 06:53 Uhr

Mojib Latif: "Klimaschutz ist Innovationsmotor"

Ein Kommentar von Prof. Dr. Mojib Latif

Prof. Dr. Mojib Latif, Leiter der Forschungseinheit Maritime Meteorologie am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel © GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel Foto: Jan Steffen
Deutschland müsse ein Vorbild für die Nutzung erneuerbarer Energien sein, fordert der Klimaforscher Mojib Latif.

Die Erde erwärmt sich zusehends. Während des nicht enden wollenden Sommers 2018 konnten sich viele Menschen in Deutschland auf einmal vorstellen, was es bedeutet, wenn sich die Temperaturen auf dem Planeten immer weiter nach oben schrauben. Seit Beginn der Messungen 1881 ist es im Land noch nie so warm gewesen. In vielen Gegenden Norddeutschlands hat es noch nie so viele Hitzetage mit Temperaturen von 30 Grad Celsius und darüber gegeben. Dazu kam die extreme Trockenheit. Wer hätte sich schon vor 2018 vorstellen können, dass man sich im Norden einmal nach Regen sehnen würde? Oder dass Waldbrände außer Kontrolle geraten wie in Teilen Ostdeutschlands? Solche Bilder kennt man eigentlich nur aus anderen Weltregionen wie Kalifornien.

Zur Person

Prof. Dr. Mojib Latif ist Leiter der Forschungseinheit Maritime Meteorologie am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Latif ist seit mehr als 30 Jahren Klimaforscher, Autor zahlreicher Bücher und fachwissenschaftlicher Beiträge, zudem wurde Latif für seine wissenschaftliche Arbeit und Forschung mehrfach ausgezeichnet.

Technologische Umbrüche können segensreich sein

Die internationale Politik schafft die Trendumkehr nicht: Die weltweiten Treibhausgasemissionen steigen trotz des Pariser Klimaabkommens weiter. Aus naturwissenschaftlicher Sicht gibt es deswegen keinen Klimaschutz! Um doch noch den Planeten vor einer gefährlichen Überhitzung zu bewahren, bedarf es in den kommenden Jahrzehnten eines kompletten Umbaus der weltweiten Energiesysteme - weg von den fossilen und hin zu den erneuerbaren Energien.

Deutschland sollte dabei couragiert vorangehen. Das schreckt viele Menschen ab, weil die Herausforderung in der Tat riesengroß ist. Sie fürchten sich vor tiefgreifenden Veränderungen. Die Politik ist paralysiert: Das Trauerspiel um die deutsche Automobilindustrie und der viel zu späte Kohleausstieg haben uns das vor Augen geführt. Technologische Umbrüche können aber durchaus segensreich sein, selbst wenn sie innerhalb weniger Jahre oder Jahrzehnte erfolgen. Ein Beispiel ist der Übergang vom Festnetztelefon zum Mobiltelefon und schließlich zum Smartphone. Unternehmen wie Nokia, die die Zeichen der Zeit nicht erkannt hatten, spielen heute keine Rolle mehr. Der Markt ist unerbittlich.

Deutschland hat erneuerbare Energien bezahlbar gemacht

Deutschland hat vor vielen Jahren den Weg in die erneuerbaren Energien beschritten und enorme Erfolge gefeiert. Deutschland war ein Vorbild und viele Länder blicken immer noch erwartungsvoll auf uns. Es ist das historische Verdienst Deutschlands, dass die erneuerbaren Energien fast überall auf der Welt boomen. Denn Deutschland hat die erneuerbaren Energien bezahlbar gemacht. Sie wären heute konkurrenzlos billig, gäbe es nicht die milliardenschweren Subventionen für die konventionellen Energien.

Klimaschutz ist unumgänglich

Leider ist das Thema Klimaschutz ideologisiert. Die neuen Medien erleichtern die Verbreitung von hanebüchenen Verschwörungstheorien. Die Forschung dagegen ist sich weltweit einig: Klimaschutz ist unumgänglich, wenn wir die günstigen Bedingungen auf der Erde erhalten wollen. Klimaschutz ist andererseits der Innovationsmotor schlechthin. Die Zukunft gehört den erneuerbaren Energien. Sie dezentral zu nutzen und ihre Anwendung mit der Digitalisierung zu optimieren, ist das Gebot der Stunde. Hier muss Deutschland vorne auf der Lokomotive sitzen, wenn wir unseren Wohlstand langfristig sichern möchten. Und nur so werden wir andere Länder beim Klimaschutz mitreißen.

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Dieses Thema im Programm:

DIE REPORTAGE | 30.08.2019 | 21:15 Uhr

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