Bewegungs-Doc Christian Sturm legt die ineinander verschränkten Hände auf den Hinterkopf und lässt das Kinn sinken. © NDR Foto: Moritz Schwarz/Oliver Zydek

Nackenschmerzen: Ursachen mit Training beseitigen

Stand: 28.03.2022 11:22 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Der Kopf lässt sich kaum noch drehen, die Beschwerden breiten sich bis in Brust und Rücken aus: Jeder zweite Erwachsene hat mindestens einmal im Leben mit Nackenschmerzen zu tun.

Kopf, Arme und Schultern haben selten die richtige Position, wenn wir vor dem Monitor arbeiten, aufs Handy schauen oder telefonieren. Leider rächt sich das meistens irgendwann - mit hartnäckigen Nackenschmerzen: Der Kopf lässt sich kaum mehr drehen, ein unangenehmes Spannungsgefühl entsteht. Zudem breiten sich die Beschwerden bis in Rücken und Schultern aus.

Jeder zweite Erwachsene hat mindestens einmal im Leben damit zu tun. Um die Beschwerden zu lindern, werden oft Schmerzmittel genommen, Massagen sowie Dehn- und Lockerungsübungen gemacht. Helfen können diese Maßnahmen, um Schmerzen kurz- und mittelfristig zu reduzieren - und um dann mit der richtigen Therapie zu beginnen.

Medikamente und Akupunktur bringen wenig

Eine Metaanalyse, die die wenigen vorhandenen Studien zur Wirksamkeit verschiedener ärztlich verordneter Maßnahmen bei Nackenschmerzen untersucht hat, kam unter anderem zu folgenden Ergebnissen:

  • Spritzen und Medikamente seien nur gering wirksam
  • Akupunktur verschaffe lediglich kurz- bis mittelfristige Linderung
  • der Nutzen einer Elektrotherapie sei fragwürdig.

Ursache für Nackenbeschwerden ist falsche Haltung

Das Problem bei den meisten Menschen, die lange am Schreibtisch vor dem PC oder Laptop sitzen, ist eine falsche, starre Haltung: Der Kopf wird zu weit nach vorne gestreckt. Beim Tippen fallen dann oft auch automatisch die Schultern nach vorne. Die Folge: Muskelverspannungen im Nackenbereich. Dazu kommt: Bei Stress und innerer Anspannung ziehen viele Menschen unbewusst die Schultern hoch. Dauerhaft angespannte Muskeln verursachen Beschwerden. Eine Schlüsselrolle scheinen dabei die Faszien zu haben: das Hüllgewebe, das alle Muskeln umgibt, braucht Bewegung, um gesund zu bleiben. Bereits nach 40 Minuten in einer starren Haltung beginnt das feine Geflecht zu verkleben.

Starke Belastung der Halswirbelsäule

Therapeut hält liegenden Patienten am Nackenbereich fest © Fotolia Foto: Adam Gregor
Nicht selten breiten sich Nackenschmerzen bis in Rücken und Schultern aus.

Der Nackenbereich besteht aus unzähligen Nerven, vielen Muskeln und insgesamt sieben Wirbelkörpern. Wird der Kopf bei der Handynutzung, Bildschirmarbeit oder am Steuer ungünstig nach vorne geneigt, belastet das die Halswirbelsäule bis zu fünfmal mehr als normale Körperpositionen mit erhobenem Haupt. Bis zu 30 Kilogramm Extralast können das sein. Die Folge: Die Muskulatur im Nacken wird extrem angespannt. Und die in ihrer Funktion gestörten Muskeln verkürzen sich immer weiter und verstärken so das Problem.

Für eine erfolgreiche Behandlung von Nackenschmerzen müssen die individuellen Haltungsprobleme als Ursache erkannt werden. Viele Schmerzpatienten haben oft kein sicheres Körpergefühl mehr, sie spüren gar nicht mehr, in welcher Haltung sie verharren, welche ihrer Muskeln angespannt sind. Ungünstige Bewegungsmuster und Fehlhaltungen haben sich eingeprägt und werden unbewusst immer wieder automatisch eingenommen. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, müssen Selbstwahrnehmung und Körpergefühl geschult werden, zum Beispiel in der Physiotherapie, vor dem Spiegel, durch sogenannte Haltungstrainer oder Biofeedback.

Haltungstrainer fürs Körpergefühl

Sanfte Gurtsysteme und Bandagen für Schulter oder Rücken werden stundenweise getragen und können helfen, langfristig eine gesündere Haltung zu erlernen. Sie sorgen dafür, dass man sich immer wieder an eine aufrechte Haltung erinnert und die Schultern dann aktiv zurückzieht. So können mit dem Haltungstrainer individuelle Haltungsschwächen aufgespürt werden, um langfristig gegenzusteuern.

Biofeedback: Bewegungsmuster umlernen

Langfristig helfen kann auch ein Programm mit einer Art Biofeedback, also Selbstwahrnehmung: Beim Biofeedback durch Elektromyographie (EMG) erhalten die Patienten eine Rückmeldung über normalerweise unbewusst ablaufende Prozesse wie die Anspannung und Entspannung der Muskeln im Körper. Damit sollen sie lernen, diese Prozesse zu erspüren und selber zu beeinflussen.

Über Oberflächenelektroden, die auf die Haut geklebt werden, lässt sich die Stärke der Muskelaktivität (Tonus) auf einem Computerbildschirm sichtbar machen. Der Proband kann mit bewussten Bewegungen - zum Beispiel des Kopfes - die Veränderungen der Muskulatur beeinflussen. Auswirkungen des eigenen Verhaltens auf bestimmte Körperfunktionen wie die Anspannung der Nackenmuskeln lassen sich unmittelbar auf dem Bildschirm erkennen, sie werden mit Erfolg oder Misserfolg verbunden - das  führt zu einem psychologischen Lerneffekt. Das Körpergefühl verbessert sich.

Vordere und hintere Muskulatur in Balance bringen

Für einen schmerzfreien Nacken müssen die vorderen und hinteren Muskeln an Schultern, Rücken, Brust im Gleichgewicht sein. Wenn am Schreibtisch Kopf, Schultern und Arme ständig nach vorne fallen, verharrt der starke Brustmuskel in einer zusammengezogenen Position, wird allmählich kürzer und gibt die Schultern dann kaum noch nach hinten frei. Die hinteren Gegenspieler sind jetzt in einer ungünstigen Lage und zu schwach, um dagegenzuhalten.

Die Muskeln in Nacken und Rücken werden überfordert, verkrampfen, beginnen zu schmerzen. Deshalb gilt es, vorne den Brustmuskel zu dehnen und die Rückenmuskeln zwischen den Schulterblättern zu stärken. Für Dehnübungen eignen sich Wände und Türrahmen, mit Teraband und Tuch können die Rückenmuskeln zwischen den Schulterblättern trainiert werden, damit der Kopf ausbalanciert und ohne Nackenschmerzen getragen werden kann.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Fernsehen | Die Bewegungs-Docs | 29.03.2022 21:00

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