Sie kamen und gingen: Sumte ohne Flüchtlinge
Sumte ist ein kleines Dorf im Landkreis Lüneburg, direkt an der Elbe gelegen. Rund 100 Menschen wohnen in dem Ort, der vor der Wende zu Ostdeutschland gehörte. Die Aufregung war groß, als es 2015 hieß: 1.000 Asylbewerber aus 14 Nationen sollten in einem leer stehenden Büro-Gebäude in Sumte untergebracht werden. Medienvertreter aus der ganzen Welt kamen, um zu berichten. Doch statt der 1.000 zogen nur etwa 750 Menschen ein. Statt des befürchteten Ärgers gab es Freundschaften - unter Asylbewerbern und Einwohnern. Und: Wegen des großen Camps gab es in der strukturschwachen Region zahlreiche Jobs. Vor über einem Jahr zogen die letzten Asylbewerber aus der Notunterkunft aus.
Die Wege in Sumte sind kurz. Es ist nicht weit vom Zentrum des Dorfes zur früheren Notunterkunft. Vorbei an stattlichen Bauernhäusern, Pferdewiesen und großen Gärten führt der Weg zu dem großen, leeren Bürogebäude.
Zwölf intensive Monate
Jens Meier ist an den Ort zurückgekehrt, an dem er zwölf intensive Monate verbracht hat. Als Leiter der Unterkunft in Sumte: "Hier vorne war mein Büro. Da hab ich ganz oft gesessen bis tief in die Nacht." Binnen zwei Wochen musste Jens Meier vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) im Oktober 2015 die Menschen in Sumte auf die Flüchtlinge vorbereiten und die Notunterkunft für Asylbewerber einrichten: "Ich habe einen Anruf bekommen am 13. Oktober 2015 und wurde gefragt: Willste Sumte machen? Und dann musste ich erstmal gucken, wo Sumte ist."
Jens Meier arbeitet noch immer für die Flüchtlingshilfe. Mittlerweile ist er in Barsinghausen beschäftigt. Doch das Jahr in Sumte hat sich bei ihm eingeprägt: "Das war ein außergewöhnliches Jahr. Es muss sich immer erst setzen, um das zu begreifen."
Erst Angst, dann Familiengefühl
Auch Heidrun Albrecht aus dem Nachbarort Neuhaus ist zum Camp zurückkehrt. Nachdenklich geht sie durch die leeren, kalten Flure der ehemaligen Unterkunft. Sie erinnert sich noch daran, als die Nachricht kam, dass so viele Menschen nach Sumte kommen sollten: "Wir hatten alle Angst. Wir hatten Angst. So viele Menschen hier. Wir wussten ja nicht, was erwartet uns, was kommt auf uns zu."
Fast 20 Jahre hatte sie bei Schlecker gearbeitet, dann wurde sie arbeitslos. In dem Camp fand Heidrun Albrecht wieder Arbeit - als Reinigungskraft: "Es war ein tolles Jahr. Es war spannend, es war jeden Tag anders. Der Umgang mit den Menschen war schön. Wir hatten viele Kinder und die kamen dann angelaufen und mich umarmt. Das war wie eine große Familie kommen."
"Wir konnten die Menschen besser verstehen."
Etwa 80 Menschen waren in der Notunterkunft beschäftigt; viele aus der Region. Heidrun Albrecht arbeitet noch immer im Camp, auf 450-Euro-Basis. Zweimal in der Woche schaut sie nach dem Rechten und gießt die Pflanzen im leer stehenden Gebäude. Sie vermisse den Trubel, die vielen Menschen, die sie als dankbar und herzlich kennengelernt hat. Durch den Kontakt habe sich ihre Sicht verändert: "Durch den Kontakt mit diesen Menschen konnte man das besser verstehen. Was haben sie durchgemacht haben, dass ihr Zuhause zerstört ist, dass Angehörige zu Tode gekommen sind, viele ertrunken sind. Dadurch konnte man die Menschen besser verstehen."
Nicht ganz einfach
Diese Sicht teilt auch Christian Fabel. Er war zurzeit der Unterkunft der Ortsvorsteher von Sumte. Und hat sich um die Sorgen seiner Mitbürger gekümmert: "Die Massen, die Massen an Menschen, da fragte man sich: Kann man das handhaben hier im Dorf? Es gab keinen Bus, keine Einkaufsmöglichkeiten. Es galt viel zu organisieren, um es möglich zu machen."
Fabel und viele andere haben organisiert. Und haben mitgearbeitet. Ein Jahr lang waren der ehemalige Ortsvorsteher und andere Ehrenamtliche regelmäßig im Camp. Jetzt sei Sumte wieder in den alten Schlaf zurückgefallen, sagt Fabel. Und er sagt: "Welche, die es eher negativ gesehen haben, dieses Aufnahmecamp, die sind natürlich jetzt beruhigt."
Es ist also wieder Ruhe eingekehrt in Sumte. Doch ein Problem gibt es dennoch, sagt Fabel: "Wir haben ein großes Problem, was ich dachte, dass kriegen wir gelöst mit den Flüchtlingen. Das ist das Internet. Das ist noch nicht gelöst. Aber das bekommen wir bestimmt in einem Jahr abgeharkt." Die Bewohner von Sumte denken zurück an eine Zeit, die für viele vielleicht nicht ganz einfach war. Zurück bleiben Erinnerungen und Erfahrungen.
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