"Ich möchte nicht in der Haut von Politikern stecken"
Seit Beginn der Corona-Pandemie musste sich das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) mit 410 Anträgen gegen Corona-Anordnungen befassen. Nur ein Bruchteil war erfolgreich.
Normalerweise befasst sich der 13. Senat des OVG nur etwa zweimal im Jahr mit Fällen, die das Infektionsschutzgesetz betreffen. Ob Beherbergungsverbot, Schließung von Gaststätten oder Präsenzunterricht in Schulen - seit März letzten Jahres hat sich die Zahl der Anträge in diesem Bereich jedoch vervielfacht. Erfolgreich waren die wenigsten. Von den 410 Anträge wurden 191 in Eilbeschlüssen entschieden. "Nur 16 waren ganz oder teilweise erfolgreich, das ist eine Erfolgsquote von unter zehn Prozent", sagt OVG-Präsident Thomas Smollich. Vorwürfe in Richtung Politik gibt es aber trotz der Arbeitsbelastung keine.
Eine Woche Zeit, um über Grundrechte zu entscheiden
"Wir haben alle die gleiche Pandemiemüdigkeit", sagt Smollich. "Aber die Infektionszahlen sind einfach erschreckend, sie zerschlagen grad jede Hoffnung. Ich möchte nicht in der Haut von Politikern stecken." Meist bleibe nur eine Woche Zeit, um über schwere Grundrechtseingriffe zu entscheiden. Um die Vielzahl an Anträgen gegen Corona-Erlasse zu stemmen, unterstützt seitdem ein vierter Richter den 13. Senat. Ein Medizinstudent ist zudem dafür zuständig, alles zusammenzustellen, was es an neuen medizinischen Erkenntnissen gibt - etwa zu Virus-Mutanten, Tests und Infektionswege.
Corona-Beginn besonders herausfordernd
Jede Bestimmung in den Corona-Verordnungen sei ein ganz schwieriger Abwägungsprozess, der sich bei uns fortsetzt, sagt Smollich. Das sei besonders zu Beginn der Krise, als die Verordnungen im Zwei-Wochen-Takt überholt wurden, herausfordernd gewesen. "Aber die Richter machen das mit Herzblut und dem Ethos, umfassend zu prüfen und alle maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen."
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