Lob und Kritik für Niedersachsens Stufenplan

Nachdem die niedersächsische Landesregierung in der Corona-Krise am Montag einen Fünf-Stufen-Plan vorgestellt hat, sind Wirtschaftsvertreter erleichtert über die weiteren geplanten Lockerungen. So soll unter anderem die Gastronomie ab 11. Mai teilweise wieder öffnen können. "Wir freuen uns maßlos", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in Niedersachsen, Rainer Balke. Ein Wermutstropfen sei aber, dass Restaurants und Gaststätten nur mit 50-prozentiger Auslastung öffnen dürften. Das mache es vielen Betrieben schwer, "betriebswirtschaftlich auf einen grünen Zweig zu kommen". Auch der niedersächsische Tourismusverband freut sich nach eigenen Angaben über die Initiative des Landes. Der Vorsitzende, Frieslands Landrat Sven Ambrosy (SPD), betonte aber, dass eine Lockerung vorsichtig und in kleinen Schritten erfolge müsse. Ein zweiter Lockdown müsse unbedingt vermieden werden. Der Hauptgeschäftsführer von Niedersachsenmetall, Volker Schmidt, nannte den Stufenplan ein erfreuliches Signal für den Wirtschaftsstandort.
Kritik aus Schleswig-Holstein
Niedersachsens Ministerpräsident Stefan Weil (SPD) hatte am Montag den Stufenplan präsentiert. In mehreren Phasen sollen demnach die Corona-Maßnahmen im Rahmen der "Vernunft und Verhältnismäßigkeit" zurückgenommen werden, wie Weil sagte. Schwerpunkte liegen auf dem Tourismus, der Gastronomie sowie bei der Notbetreuung von Kindern im Kita-Alter. Das Konzept "Der Niedersächsische Weg in einen neuen Alltag mit Corona", von dem Weil sagt, es sei der erste Plan eines Bundeslandes dieser Art, soll "den Menschen in unserem Land einigermaßen verlässliche Perspektiven für die nächsten Wochen geben". Und: "Die Zeit ist reif." Dieser Stufenplan sei dynamisch und orientiere sich am Infektionsgeschehen, so der Ministerpräsident. Weil stellt das niedersächsische Modell am Mittwoch in der Bund-Länder-Schalte mit den Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin Angela Merkel vor. Schleswig-Holsteins SPD-Landtagsfraktionschef Ralf Stegner kritisierte Niedersachsens Vorstoß. Der Wettbewerb einzelner Länderchefs um die früheste Ankündigung, den härtesten Kurs oder die weitreichendste Lockerung erschwere die Akzeptanz der Regelungen enorm, sagte er der Tageszeitung "Welt".
Opposition im Landtag kritisiert Weils Vorpreschen
Auch aus dem Niedersächsischen Landtag bekommt Weil Gegenwind. Die Opposition kritisiert das Vorpreschen der rot-schwarzen Landesregierung: Das Lockern der Regeln sei intransparent und fragwürdig, urteilte die AfD. Auch die FDP erklärte, es müsse kritisch hinterfragt werden, nach welchen Maßstäben die Landesregierung handelt. Die Grünen bemängelten, Niedersachsen verlasse den Kurs, die Corona-Krise abgestimmt mit anderen Ländern zu bewältigen.
Restaurants und Cafés öffnen beschränkt am 11. Mai
Weils Stellvertreter, Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU), kündigte die teilweise Öffnung von Gastronomieeinrichtungen in einer ersten Stufe ab dem 11. Mai an. Diese gelte allerdings nur für Restaurants, Gaststätten, Cafés und Biergärten. Die Einrichtungen dürften bis zu 50 Prozent ihrer Kapazitäten zur Verfügung stellen. Zudem wird es eine Reservierungs- und Kontaktdatenpflicht geben. Bars, Kneipen und Diskotheken seien davon weiterhin ausgenommen. Zudem solle der Tourismus langsam wieder hochgefahren werden. Seit Montag dürfen Dauercamper und Besitzer von Zweitwohnungen diese wieder nutzen. Die Sonderreglungen für die ostfriesischen Inseln sind aufgehoben. Ab kommenden Montag folgt Phase zwei. Von da an dürfe der Einzelhandel ohne Verkaufsflächenbeschränkung seinen Geschäften nachgehen. "Es ist ein kluger Weg, den Niedersachsen geht. Es ist ein besonnener Weg", sagte Althusmann. Er halte diesen Plan für nachahmenswert.
Kliniken dürfen zurück zu geplanten OPs
Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) sieht die Kliniken in Niedersachsen gut auf eine mögliche Verschärfung der Lage vorbereitet. Es seien Beatmungsplätze massiv ausgebaut worden. Durch Umstrukturierungen von Reha-Einrichtungen seien 3.000 zusätzliche Behandlungsplätze für Krankenhauspatienten entstanden. Das Land verfüge über "umfangreiche freie Kapazitäten", so Reimann. "Vor diesem Hintergrund haben wir uns dazu entschlossen, den niedersächsischen Krankenhäusern ab Mittwoch wieder zu erlauben, planbare Operationen vorzunehmen." Allerdings müssten die Kliniken 25 Prozent der Beatmungsplätze reservieren, um kurzfristig in den Krisenmodus zurückkehren zu können, sollten die Infektionszahlen rapide zunehmen.
Notbetreuung wird ausgebaut
Gute Nachrichten gibt es auch für Eltern noch nicht schulpflichtiger Kinder. Die Notbetreuung wird ausgebaut. Seit Montag dürfen private Betreuer bis zu fünf Kinder aufnehmen. Es gibt eine Dokumentationspflicht. Und: Verlässt ein Kind die Gruppe, darf der Platz nicht nachbesetzt werden. In einer Woche dürfen Tagesmütter und -väter in den Regelbetrieb mit fünf Kindern zurückkehren. Das betrifft bis zu 20.000 niedersächsische Kleinkinder. "Ich möchte, dass alle Kinder die Chance erhalten, ihre Erzieherinnen und Erzieher wieder zu sehen und mit ihren Freundinnen und Freunden zu spielen - wenigstens ein paar Stunden zu Beginn", sagte Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD).
Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen bleiben
Auch wenn die Politik die Wirtschaft wieder ans Geldverdienen bringen möchte - private Beschränkungen bleiben vorerst. So ist "das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen weiterhin verpflichtend", sagte Wirtschaftsminister Althusmann. Die Zwei-Personen-Kontaktregel werde ebenfalls aufrecht erhalten - auch wenn Sachsen-Anhalt vergangene Woche vorgeprescht ist und sich dort bis zu fünf Menschen, die nicht aus einem Haushalt stammen, treffen dürfen. Die Kontaktregel wird laut Stufenplan zum 25. Mai neu bewertet. Ministerpräsident Weil sagte: "Lockerungen werden dann möglich werden, wenn die Bürgerinnen und Bürger einsichtig bleiben.
70.000 Viertklässler heiß auf Schule
Niedersachsens Grundschüler dürfen seit Montag wieder in ihren Klassen lernen. Betroffen sind landesweit rund 70.000 Kinder. Die Klassenverbände werden zahlenmäßig halbiert, regelmäßiges Händewaschen und Abstandhalten sind Pflicht. Zudem dauern Schulstunden 30 statt 45 Minuten.
Lange Wartezeiten beim Friseur
Niedersachsens Friseurinnen und Friseure gehen seit Montag wieder an die Arbeit. Die Auftragsbücher sind voll - auch deshalb, weil die Anzahl der Kunden in den Läden stark eingeschränkt ist. Es wird mit langen Wartezeiten gerechnet. Die Öffnung der Geschäfte ist mit strengen Auflagen verbunden. So müssen beispielsweise sowohl Kunden als auch Friseure Mund-Nase-Schutz tragen.
