Immer mehr Verfahren: Polizei kämpft gegen Kinderpornografie

Stand: 12.08.2022 20:18 Uhr

Vor allem aus den USA und Kanada werden Fälle von Kinderpornografie nach Niedersachsen gemeldet, die hier aufgeklärt werden. Die Zahl der Verfahren steigt stark an.

von Mandy Sarti und Angelika Henkel

Das erfuhr der NDR in Niedersachsen vom Landeskriminalamt (LKA). Schon im vergangenen Jahr trafen im Durchschnitt 52 solcher Verfahren pro Woche aus Übersee im LKA ein. Insgesamt waren es 3.643 Fälle im Jahr 2021. Für dieses Jahr rechnet das LKA mit einer erheblichen Steigerung.

Provider in USA und Kanada müssen Verdächtige melden

Die konkreten Ermittlungen finden in den Dienststellen im Land statt. Was das für eine Polizeiinspektion bedeutet, wird am Beispiel Hildesheim klar: Dort liegen allein bis August 107 Ermittlungsverfahren, 50 davon aufgrund von Tipps der Behörden aus Übersee. Dort gelten andere Gesetze und Provider sind verpflichtet, Tatverdächtige zu melden. Zum Vergleich: 2021 waren es 143 Verfahren im ganzen Jahr.

960.000 Dateien auf nur einer Festplatte

Hinter diesen Zahlen stecken nicht nur die Schicksale missbrauchter Kinder. Polizistinnen und Polizisten werten diese Bilder einzeln aus. Nicole Weber, Kriminaloberkommissarin in Hildesheim, klickt sich täglich durch. 960.000 Dateien umfasst die Festplatte, die sie seit Mai auswertet - und es ist nur einer von 18 Datenträgern, die bei einem einzigen Beschuldigten gefunden wurden. Was sie dort zu sehen bekommt, lässt sich kaum beschreiben: Zwischen Urlaubsfotos finden sich aufreizend posierende Mädchen und Kleinkinder, denen Männer Gewalt antun. Seit drei Jahren sichtet Nicole Weber solches Material, oft fünf Stunden am Tag. "Das Datenvolumen ist eigentlich das Belastendste", sagt die Ermittlungsführerin. Wenn es zu viel werde, müsse sie schon mal den Raum verlassen. Ihr Kollege Volker Werner fühlt sich eigentlich routiniert - es sei denn, es geht um rohe Gewalt an Tieren oder Menschen: "Ich weiß nicht, was in einem Menschen vorgeht, der sich so etwas in der ganzen Palette ansieht." Die Belastung wächst.

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Die Sorge vor der "tickenden Zeitbombe"

Dabei versucht die Polizei, mehr Ressourcen bereitzustellen. In Hildesheim wurde eine "ständige Ermittlungsgruppe Kinderpornografie" etabliert; erst gab es drei, jetzt fünf Beamte, die das Material sichten. Server für die gigantischen Datenmengen mussten besorgt werden. Zusätzlich wird im Landeskriminalamt eine Computer-Software entwickelt, die die Fotos eigenständig erkennen und aussortieren soll. Das klappt auch schon in Teilen. Doch bis die Künstliche Intelligenz gut genug ist, könnten noch Jahre vergehen.

Ziel: Mögliche Opfer schützen

In Niedersachsen wird also weiterhin jedes Bild gesichtet. Der Grund: Es geht darum, mögliche neue Opfer zu identifizieren und einzugreifen, wenn möglich - bevor weitere Taten geschehen. Doch was ist, wenn die Beweismittel dafür bereits auf dem Polizeiserver liegen, aber wegen des Auswertestaus noch nicht entdeckt wurden? Landesweit wächst die Sorge, auf einer tickenden Zeitbombe zu sitzen, berichten Polizeiverantwortliche dem NDR. Und aus den USA drohen weitere Verfahren, die alle von der Polizei ausgewertet werden müssen.


12.08.2022 11:22 Uhr

Hinweis der Redaktion: In einer ersten Version dieses Beitrags hatte die genannte Anzahl der Verfahren einen falschen Bezug. Wir haben dies korrigiert und bitten, den Fehler zu entschuldigen.

 

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