Vampir-Mythos: "Es gab ein historisches Ereignis"
Markus Heitz gilt vielen als Meister des Fantastischen. Mehr als fünf Millionen Bücher hat der Autor verkauft. Er hat auch über Vampire geschrieben. Dazu hat er sich intensiv mit dem Mythos beschäftigt.
Vor 125 Jahren erschien der Roman "Dracula" von Bram Stoker. Das Buch fasziniert noch heute - und Vampire finden sich auch in vielen moderneren Romanen: Bei Stephenie Meyer genauso wie bei Stephen King. Was macht den Reiz des Vampirs aus - und gab es vielleicht ein historisches Ereignis, das den Mythos begründete? Darüber hat NDR Kultur mit Markus Heitz gesprochen.
Herr Heitz, was fasziniert Sie denn persönlich an Vampiren?
Markus Heitz: Das Spannende an Vampiren ist, dass es eine unglaubliche Auswahl und Vielfalt von verschiedenen Vampirsorten gibt. Die kommen meistens in der klassischen Literatur oder in den üblichen Genrefilmen etwas zu kurz. Mich hat gereizt herauszufinden, woher dieser Glaube eigentlich kommt. Was steckt dahinter und warum fasziniert es die Leute so? Und das wiederum war das Faszinosum für mich, dass sich eine Schreckgestalt, die echt grausam ist, so lange in der Literatur und in verschiedensten Medien hält.
"Vampire, Vampire" heißt Ihr Buch. Ordnen Sie für uns einmal ein: Wo beginnt da der Mythos und was hat es wirklich gegeben?
Heitz: Vorweg muss ich sagen: Ich glaube nicht an Vampire. Ich bin zwar ein bekennender Grufti, aber ich fand es total spannend. Und für mich war der ausschlaggebende Punkt, dass ich Vampirromane super fand, ich wollte aber wissen, wann man angefangen hat, über Vampire zu schreiben. Gab es ein historisches Ereignis? Und siehe da, das gab es: Westeuropa kannte Vampirismus eigentlich nicht. Wir hatten eher Hexen oder Wiedergänger, also lebende Leichen, die zurückkehren und ihre Liebsten drangsalieren, aber Vampirismus war in Westeuropa eigentlich fremd. Und es gab ein historisches Ereignis im Jahre 1731, im heutigen Serbien in einem kleinen Dörfchen namens Medvegia, das tatsächlich von Experten untersucht werden musste, weil die Bevölkerung total in Aufruhr war, weil es Vampire in ihrem Ort gab.
Und was war da dran?
Heitz: Das Spannende an der Untersuchung ist, dass es tatsächlich zwei Untersuchungskommissionen gab, die losgeschickt wurden, um Medvegia zu untersuchen, beziehungsweise die Toten, die da ausgegraben wurden. Und es waren nicht irgendwelche Leute, die hingeschickt wurden, sondern wirklich Ärzte. Feldärzte, die sich auskennen mit Toten, Wundbildern und Verletzungen. Und beide Kommissionen haben gesagt: Solche Toten haben wir noch nie gesehen. Sie haben bestimmte Leichenmerkmale aufgewiesen, die ihnen unbekannt waren. Und daraufhin hieß es: Jawohl, es gibt Vampire.
Diese Untersuchungsberichte von diesen beiden Arztkommissionen gingen nach Westeuropa, weil es eben eine Ungeheuerlichkeit war, etwas komplett Neues, was man bis dahin eben nicht in diesem Ausmaß kannte. Sie gingen an den Vatikan, allerdings auch an Universitäten und verschiedene Gelehrte und dann wurde trefflich in der Fachwelt gestritten, viele Jahre danach, was denn dieser Vampirismus sein könnte. Also ein hoch spannendes Ding, basierend auf historischen Ereignissen. Aber Vorsicht: Nur weil es das gibt, heißt es nicht, dass Vampire real existieren.
Trotzdem aber faszinieren uns alle die Geschichten über Vampire. Was ist es? Warum haben wir alle so einen Hang dazu, uns mit so unheimlichen Dingen auseinanderzusetzen?
Heitz: Der Mensch war schon immer fasziniert vom Unheimlichen. Und die Grundbasis für Vampirismus ist die Urfeststellung des Menschen: Wenn das Blut aus einem Menschen rausgelaufen ist, ist er tot. Infolgedessen hat der Mensch viel Energie darauf verwendet, Monster zu erfinden, die dem Menschen ans Blut wollen. Solche Monster finden sich auf allen Kontinenten, in vielen Erzählungen, auch in der Antike. Aber was uns an Vampiren so fasziniert ist die Romantisierung.
Der Ur-Vampir war im Grunde nichts anderes als eine jagende Bestie, die nur danach getrachtet hat, in dem Dorf, in das sie praktisch wieder zurückkehrt, größtmöglichen Schaden anzurichten und Menschen zu drangsalieren. Erst die Romantik hat dieses Bild von diesem Untoten verweichzeichnet, möchte ich sagen. Da kam eben der Aspekt des Saugens und der Erotik zusammen, dass es keine sinnlosen gräßlichen Monster waren, sondern dass da plötzlich mehr Liebe und Romantik ins Spiel kamen. Das ist der Grund, warum Vampire heute als Faszinosum betrachtet werden. Davor, in der frühen Neuzeit, war keine Romantik im Spiel. Der Vampir war eine Schreckgestalt, wie sie schrecklicher nicht hätte sein können.
Das Interview führte Jan Wiedemann.
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