Der Fälscher der Hitler-Tagebücher, Konrad Kujau, zeigt am 29. August 1984 während des Prozesses in Hamburg eines der gefälschten Exemplare.  Im Hintergrund ist Kujaus Anwalt Kurt Groenewold. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS Foto: Norbert Foersterling

Gefälschte "Hitler-Tagebücher" kommen ins Bundesarchiv

Stand: 24.04.2023 13:40 Uhr

40 Jahre nach Veröffentlichung der gefälschten "Hitler-Tagebücher" im Magazin "Stern" werden diese im Laufe des Jahres an das Bundesarchiv übergeben. Am Standort Konstanz sollen sie zugänglich gemacht werden.

Am 25. April 1983 hatte die Zeitschrift des Hamburger Verlagshauses Gruner + Jahr vermeintliche Tagebücher von Adolf Hitler in einer medienwirksamen Pressekonferenz vorgestellt, die sich nur wenige Tage später als Fälschung herausstellten. Es war einer der größten Medienskandale der Bundesrepublik.

60 Kladden werden im Laufe des Jahres übergeben

Der Gütersloher Bertelsmann-Konzern - der "Stern" gehört inzwischen zum Firmenportfolio - und das Bundesarchiv teilten am Montag in Berlin mit, dass die 60 Kladden im Laufe dieses Jahres übergeben werden sollen. Bis Mittwoch veranstaltet das Münchner Institut für Zeitgeschichte in Berlin die Konferenz zur "Geschichte des 'Stern' und seiner prägenden Personen".

Reporter Gerd Heidemann präsentiert auf der Pressekonferenz des Hamburger Magazins ''Stern'' am 25. April 1983 die vermeintlichen ''Hitler-Tagebücher''. © picture-alliance / dpa Foto: Chris Pohlert
AUDIO: TV-Tipp: "ARD History: Der Hitler-Fake" (3 Min)

Kritik: "Menschlicher Anstrich" für NS-Verbrechen

Bundesarchiv-Präsident Michael Hollmann sagte, die gefälschten Tagebücher zeigten einen "dreisten Versuch, den brutalen Verbrechen des Nationalsozialismus einen menschlichen Anstrich zu geben, der in den 1980er-Jahren in der Gesellschaft auf Resonanz traf". Diese Darstellung hatte der NDR im Februar 2023 belegt, indem er die Fake-Schriften für die Öffentlichkeit digitalisierte und nachweisen konnte, dass in den "Hitler-Tagebüchern" der Holocaust geleugnet worden ist. So soll Hitler angeblich nichts von den Entscheidungen zur Ermordung der Juden gewusst haben.

Weitere Informationen
Hajo Funke, emeritierter Professor für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin. © NDR

Die gefälschten "Hitler-Tagebücher" und die reale Geschichte des NS

Wer die gefälschten Schriften von Konrad Kujau liest, sollte sie in Bezug zur Realität setzen können. Politologe Hajo Funke ordnet ein. mehr

Die Dokumente sollen laut Bundesarchiv am Standort Koblenz auf Dauer aufbewahrt und im Rahmen des gesetzlichen Auftrags zugänglich gemacht werden. Das Institut für Zeitgeschichte (IfZ) untersucht zudem die gefälschten Tagebücher.

Bertelsmann lässt auch Nannens Wirken untersuchen

Bertelsmann will mit diesem Vorgehen ein möglichst objektives Bild erhalten, wie und warum es zur Veröffentlichung kommen konnte. Die Forscher untersuchen im Auftrag von Bertelsmann zudem die Zeit von der Gründung des Magazins durch Henri Nannen 1948 bis zu seinem Ausscheiden 1983. Im Mai 2022 war die Debatte um den Ex-"Stern"-Chefredakteurs und Magazininitiator Nannen (1913-1996) und dessen Rolle in der NS-Zeit neu entfacht worden.

Auslöser war ein Beitrag des Rechercheformats "STRG_F" des Norddeutscher Rundfunks gewesen. Darin ging es um antisemitische Flugblätter im Zweiten Weltkrieg. Es wurde in dem Beitrag eine Verbindung zu Nannen hergestellt. Angesichts der Untersuchung wurde die renommierte Journalistenauszeichnung "Nannen Preis" vorläufig in "Stern-Preis" umbenannt. Die Auszeichnung wird in dieser Woche bereits zum zweiten Mal mit dem alternativen Namen verliehen.

Weitere Informationen
"Stern"-Reporter Gerd Heidemann (r) mit den vermeintlichen Dokumenten. Links Chefredakteur Peter Koch, in der Mitte Redakteur Thomas Walde. © Cornelia Gus, dpa

Vor 40 Jahren: Die "Hitler-Tagebücher" und der "Stern"-Skandal

Vor 40 Jahren erscheinen im "Stern" erste Auszüge aus Hitlers angeblichen Aufzeichnungen. Doch das Blatt war einem Fälscher aufgesessen. mehr

Auf einer Bildmontage sind vor einem roten Hintergrund die gefälschten "Hitler-Tagebücher" der Schriftzug "Der Hitler-Fake" und Hitler zu sehen. © SWR / Chris Gruber

"Der Hitler-Fake": Doku über Tagebücher und "Stern"-Skandal

Der Skandal wirft bis heute Fragen auf. Die Reporter der Fernsehredaktion ARD-History sind ihnen nachgegangen. Zu sehen heute Abend im Ersten. mehr

Gefälschte Hitlertagebücher liegen auf einem Stapel © picture-alliance/dpa Foto: Markus Scholz

Datenbank: Die gefälschten "Hitler-Tagebücher" zum Durchsuchen

Der NDR hat die Tagebücher in vollem Umfang digitalisiert und bietet eine Volltextsuche. Ein Politologe ordnet die Einträge ein. mehr

Die Pressekonferenz des Hamburger Magazins "Stern" am 25. April 1983 zur Veröffentlichung der angeblichen "Hitler-Tagebücher". © picture-alliance / dpa Foto: Chris Pohlert

Holocaust-Leugnung: Die Wahrheit hinter den "Hitler-Tagebüchern"

40 Jahre nach dem Skandal um die Fake-Schriften hat der NDR sie für die Öffentlichkeit digitalisiert - und zeigt: Dort steht nicht weniger als die Leugnung des Holocaust. mehr

Mohamedou Ould Slahi © NDR/ARD Foto: Screenshot

"Stern"-Preis für "Slahi und seine Folterer"

Der "Stern"-Preis für die beste Investigation ging an den Panorama-Film "Slahi und seine Folterer". Den Preis in der Kategorie "Lokal" ging an RB für "Bremer Baugesellschaft: Wohnungen nur für Weiße?". mehr

Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 23.04.2023 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Zeitgeschichte

NS-Zeit

Die 80er-Jahre

Mehr Geschichte

Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) mit Günter Guillaume (links mit Brille) bei einer Veranstaltung am 08.04.1974 in Helmstedt. © picture alliance / Fritz Rust Foto: Fritz Rust

DDR-Spion Günter Guillaume bringt Willy Brandt zu Fall

Heute vor 50 Jahren wird Günter Guillaume als DDR-Spion verhaftet. Der folgenden Medienkampagne ist der Kanzler nicht gewachsen und tritt zurück. mehr

Norddeutsche Geschichte