Arbeiter in Schutzanzügen lagern im Zwischenlager Nord in Lubmin bei Greifswald die Überreste der Atomkraftwerke Lubmin und Rheinsberg ein. © dpa-Zentralbild Foto: Stefan Sauer/dpa

Atomares Zwischenlager Lubmin: Widerstand Fehlanzeige?

Stand: 14.03.2021 06:00 Uhr

von Katharina Tamme

Eine Grafik zeigt die geplante Lagerhalle
Eine Grafik zeigt die geplante Lagerhalle "Estral", in der die hochradioaktiven Abfälle aus Halle 8 künftig terrorsicher gelagert werden sollen.

Seit einer Überprüfung 2011 steht fest, dass die Lagerung der 74 Castoren mit hochradioaktiven Abfällen in Halle 8 des ZLN nicht mehr den veränderten Sicherheitsstandards für Zwischenlager in Deutschland entspricht. Gemeint ist die Gefahr von terroristischen oder kriminellen Angriffen. Seitdem sind fast zehn Jahre vergangen. Seit 2019 ist klar, dass in Lubmin neu gebaut wird: das Eratztransportbehälterlager - kurz "Estral".

EWN: "Transparenz ist kein Ziel, das Ziel ist Vertrauen"

Bei einem Bürgersprechtag zum geplanten Neubau im Mai 2019 will man aufklären, damit "die Anwohner gut schlafen können", so Henry Cordes, Vorsitzender Geschäftsführer des EWN. "Nicht Transparenz als Selbstzweck" sei das Ziel, sondern "Vertrauen", erklärt er 2019. Nur wenige folgen der Einladung, bei Grillwurst und Glühwein treffen sich interessierte Anwohner und ehemalige Kraftwerker. An den Reaktionen der zeigt sich deutlich, wie groß das Vertrauen in die Arbeit der einstigen Kraftwerker und auch das Entsorgungswerk Nord noch immer ist. Kritik und Bedenken gibt es hier anscheinend keine, Verbundenheit und Vertrauen beherrscht den Tag der offenen Tür.

Dauerbrenner: Diskussion um "Heiße Zelle"

Doch vor allem Umweltverbände haben dieses Vertrauen nicht. Wie bereits beim Bau des ZLN vor knapp 25 Jahren verzichtet das EWN auch beim Neubau auf eine seit Jahrzehnten geforderte "Heiße Zelle", einen abgeschirmten, gasdichten Raum zur ferngesteuerten Öffnung oder Umverpackung eines defekten Castors. Lediglich als Option fließt diese Sicherheitsvorrichtung in die Pläne mit ein. Vor 25 Jahren entscheidet sich das EWN aus "Kostengründen" dagegen. Heute sei sie nicht notwendig, denn undichte Deckel der Castoren können einfach aufgeschweißt werden, heißt es. Auch könne die Technik schnell veraltet sein, lautet die Begründung des erneuten Verzichts des EWN.

"Langzeitlagerung" statt Zwischenlagerung

Klar ist: Für die Zwischenlagerung der hochradioaktiven Abfälle in Halle 8 muss eine Verlängerung beantragt werden. Denn die Genehmigungen dafür wurden durch das damals zuständige Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) bewusst auf 40 Jahre begrenzt. Ein Endlager soll dem Gesetz nach aber erst 2031 festgelegt werden, ab 2050 wolle man mit der Einlagerung im fertigen Endlager beginnen und bis 2080 mit der Einfuhr des bundeseigenen Atommülls aller Standorte fertig sein.

Die Genehmigungen für die Zwischenlagerung der Castoren in den Zentralen Zwischenlagern laufen in Lubmin bereits 2039 aus. Experten der Entsorgungskommision (ESK) der Bundesregierung halten jedoch erforderliche Zwischenlagerzeiten von 65 bis 100 Jahren für deutlich realistischer. Demnach könnte die Suche für ein geeignetes unterirdisches Endlager bis Mitte der 2050er-Jahre dauern, die Errichtung des Endlagers sich bis in die 2080er-Jahre hinziehen und somit eine Einlagerung ab 2080 bis ins Jahr 2130 andauern.

Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) spricht ab einer Zwischenlagerzeit von 50 Jahren von "Langzeitlagerung". Auf dem Papier bliebt Lubmin zwar ein Zwischenlager und ist de facto auch weit von einem Endlager entfernt - doch die Region wird deutlich länger mit dem strahlenden Müll leben müssen als noch vor 25 Jahren gedacht.

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Historische Aufnahme vom oberen Teil eines Reaktordruckgefäßes im KKW "Bruno Leuschner" in Lubmin. Insgesamt waren dort acht Blöcke geplant. © NDR/Populärfilm/BStU Außenstelle Rostock/DEWAG

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | 20.06.2019 | 21:05 Uhr

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