Historische Aufnahme von den Dreharbeiten zu dem Film "Arche Nora" im Jahr 1947 © Staatsarchiv Hamburg

Trümmerfilm bis "Großstadtrevier": Von Real-Film zu Studio Hamburg

Stand: 06.02.2023 05:00 Uhr

Kaum Requisiten, überall Trümmer: So entsteht nach dem Krieg der erste Film des Studio-Hamburg-Vorgängers Real-Film. Am 6. Februar 1948 feiert "Arche Nora" Premiere. Mittlerweile produziert das Unternehmen Serien wie "Großstadtrevier".

von Kathrin Weber

Ein winziger Raum in einem ehemaligen Tanzlokal als Atelier, unbekannte Schauspieler, ein Zirkuswagen als Garderobe: Hollywood-Glamour sieht anders aus. Die Bedingungen, unter denen ab 1. März 1947 in Hamburg einer der ersten Nachkriegsfilme gedreht wird, sind schwierig. Aber Gyula Trebitsch und Walter Koppel sind optimistisch. Am 10. Januar haben sie die Firma Real-Film gegründet, nun kann es losgehen. "Arche Nora" heißt die erste Produktion.

"Arche Nora": Requisiten vom Schwarzmarkt

Den widrigen Umständen begegnen die Macher mit Improvisationstalent. Ein alter Wohnkahn an der Bille bildet die Kulisse für die Außenaufnahmen, die technischen Geräte sind Leihgaben der DEFA aus Ostberlin, die benötigten Requisiten stammen vom Schwarzmarkt. Und das Huhn, das für den Film benötigt wird, müssen sie bei einem Schrebergärtner mieten.

Dass man bei der Produktion auf technische Raffinessen und aufwendige Einstellungen verzichten muss, findet Koppel nur folgerichtig: "Wir wollen uns vor Verlogenheit schützen und verlogen wäre es, in einem notleidenden Deutschland Filme mit großem Aufwand zu drehen, einem Aufwand, der zu der Realität unserer Zeit im Widerspruch steht." So gestalten sich die Dreharbeiten ähnlich wie das Alltagsleben in der zerbombten Stadt: Es herrscht überall Mangel. Aber der lässt sich überwinden - das ist auch die Botschaft des Films. In "Arche Nora" will eine junge Frau, die alles verloren hat, ihrem Leben ein Ende setzen, ihr Mann ist vom Krieg traumatisiert. Zwei junge Männer auf einem Schiffswrack retten die beiden.

Ein Trümmerfilm als Mutmacher

Dreharbeiten für den Film "Arche Nora" 1947 © Studio Hamburg/NDR
"Optimismus ohne Verniedlichung": Das Publikum der Nachkriegszeit schätzt die Ehrlichkeit des Films "Arche Nora".

Das kommt bei Publikum und Kritikern gut an. Nach der Uraufführung am 6. Februar 1948 im Waterloo-Theater schreibt "Der Spiegel": "Der Film sagt ohne billigen Optimismus und ohne Verniedlichung der Zeit aus der Trümmerperspektive zum Leben Ja. Ein Film ohne Phrasen und Seelenakrobatik, mit jungen Menschen, die wirklich jung sind, nicht nur so maskiert." Auch die Zuschauer mögen diesen Trümmerfilm. Filmhistoriker und Trebitsch-Biograf Michael Töteberg führt das darauf zurück, "dass Trümmerfilme auch gleichzeitig Aufbaufilme waren. Die Zuschauer wurden nicht deprimiert nach Hause geschickt."

Grundstein für erfolgreiche Filmproduktion

Was aber fast noch wichtiger ist: Der Film ist eine Initialzündung für Hamburg als Filmstadt. "'Arche Nora' wird unser erster Schritt in Hamburg sein und die Grundlage für eine ständige Produktion in dieser Stadt schaffen, die auch internationale Bedeutung erlangen soll." Mit diesen Worten hatte Gyula Trebitsch dem Team zu Drehbeginn von "Arche Nora" Mut gemacht. Und er hat Recht. Schon der übernächste Film wird im Herbst 1948 im eigenen Atelier in Tonndorf gedreht, das in den folgenden Jahren immer weiter ausgebaut wird. Bis 1950 entstehen zwölf weitere Filme, unter anderem mit Stars wie Willy Fritsch, O.W. Fischer, Marianne Hoppe und Zarah Leander.

"Hauptmann von Köpenick" bringt Oscar-Nominierung

Der internationale Durchbruch gelingt 1956 mit dem "Hauptmann von Köpenick". Das Drama unter der Regie von Helmut Käutner mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle lockt zehn Millionen Zuschauer in die deutschen Kinos und ist auch im Ausland erfolgreich. Er wird als bester ausländischer Film für den Oscar nominiert und gewinnt sechs Auszeichnungen beim Deutschen Filmpreis. Weitere Produktionen, die heute Klassiker sind, folgen - darunter "Das Herz von St. Pauli" mit Hans Albers oder "Die Zürcher Verlobung" mit Liselotte Pulver.

VIDEO: Dreharbeiten "Die schöne Lügnerin" (ohne Sprecherton) (2 Min)

Konkurs von Real-Film und Einstieg in die Fernseh-Produktion

Eine Zäsur bringt 1960 die immer größere Bedeutung des Fernsehens. Während Gyula Trebitsch auf das neue Medium setzt, ist Walter Koppel skeptisch, er glaubt weiterhin ans Kino. So trennen sich die Wege der Gründer. Real-Film wird in Real-Film Walter Koppel KG umfirmiert und produziert weiterhin Spielfilme, geht aber 1965 in Konkurs. Trebitsch gründet zusammen mit der NDR Werbetochter NWF die Real-Film Atelierbetriebsgesellschaft mbH, die kurze Zeit später in Studio Hamburg umbenannt wird und fortan schwerpunktmäßig fürs Fernsehen produziert sowie seine Ateliers vermietet.

Studio Hamburg wird mit Serien erfolgreich

Als Kiez-Polizist Dirk Matthies begeisterte Jan Fedder (hier mit Mareike Carrière als Ellen Wegener) von 1992 bis 2019 im "Großstadtrevier" das Publikum. © ARD/NDR
Dirk Matthies (Jan Fedder) und Ellen Wegener (Mareike Carrière, l.) in einer Folge der Serie "Großstadtrevier" aus dem Jahr 1993.

In den folgenden Jahren setzt Studio Hamburg verstärkt auf Serien mit beliebten Schauspielern, die nicht nur beim deutschen Vorabend-Publikum gut ankommen, sondern zum Teil auch ins Ausland verkauft werden können. In den 60er-Jahren sind unter anderem "Gestatten, mein Name ist Cox!" mit Günther Pfitzmann, "Gertrud Stanitzki" mit Inge Meysel und die Krimi-Serien "Hafenpolizei" und "Polizeifunk ruft" erfolgreich.1970 folgt der erste "Tatort", später die "Sesamstraße", "Das Traumschiff" und "Die Schwarzwaldklinik". Auch aktuell entstehen viele beliebte Serien bei Studio Hamburg, so etwa "Rote Rosen" und "Großstadtrevier" - dem Publikums-Dauerliebling, dem unter anderem der 2019 verstorbene Schauspieler Jan Fedder als Polizist Dirk Matthies sein Gesicht gab.

In stürmischen Zeiten für die Zukunft gerüstet

Heute ist Studio Hamburg eine der größten deutschen Film- und Fernsehproduktionen und ein wichtiger Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb in der Hansestadt. Das Unternehmen beschäftigt rund 800 feste sowie mehr als 800 freie Mitarbeiter und kooperiert zur Förderung des Nachwuchses mit deutschsprachigen Filmhochschulen. Um im Zuge des Medienwandels auch in der Zukunft gut gerüstet zu sein und den Nerv des Publikums zu treffen, hat Studio Hamburg sein Portfolio in den vergangenen Jahren ständig erweitert und setzt etwa auf Eventserien wie "Die Toten von Marnow" und aufwendige Dokumentationen wie "Die Affäre Borgward".

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Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 18.12.2022 | 19:30 Uhr

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