Ein Modell des früheren Vernichtungslagers der Nazis im polnischen Sobibor © picture alliance / PAP Foto: Wojtek Jargilo
Ein Modell des früheren Vernichtungslagers der Nazis im polnischen Sobibor © picture alliance / PAP Foto: Wojtek Jargilo
Ein Modell des früheren Vernichtungslagers der Nazis im polnischen Sobibor © picture alliance / PAP Foto: Wojtek Jargilo
AUDIO: Podcast: Das Vernichtungslager Sobibor (15 Min)

Sobibór: Anatomie eines Todeslagers

Stand: 23.01.2024 08:40 Uhr

Im polnischen Sobibór ermordeten die Nazis rund 250.000 Menschen. Dank Grabungen und spät aufgetauchter Fotos sowie berührender Schilderungen von Überlebenden lässt sich das Leben und Morden dort heute klar rekonstruieren.

Sobibór liegt im Südosten Polens, im heutigen Dreiländereck von Polen, Belarus und der Ukraine. 2007 begannen dort archäologische Grabungen. Während andere ehemalige Lager durch Gedenkarchitektur überbaut wurden, hatten Forschende in Sobibór die Möglichkeit, ein komplettes Vernichtungslager aus der Zeit der Nationalsozialisten und des Zweiten Weltkriegs auszugraben und sichtbar zu machen.

2020 ermöglichte ein weiterer Fund neue Rückschlüsse. Ein Enkel des stellvertretenden Lagerleiters Johann Niemann stieß auf mehrere Fotoalben. Johann Niemann hatte sich, wohl aus Eitelkeit, über das strenge Verbot zu fotografieren hinweggesetzt.

Auch dank der Schilderungen von Zeitzeuginnen konnte schließlich ein 3D-Modell des Vernichtungslagers erstellt werden.

Aufstand der Mutigen - Widerstand gegen das NS-Unrecht

Am 14. Oktober 1943 hatten die damaligen Lagerinsassen einen erfolgreichen Aufstand organisiert. Mehrere Hundert Gefangene konnten zunächst fliehen. Die meisten von ihnen wurden später von der SS, der Wehrmacht oder Kollaborateuren ermordet, doch einige Dutzend erlebten das Ende des Krieges.

Zeitzeugen berichten von unmenschlichen Bedingungen

Die Überlebenden Esther Raab, Selma und Chaim Engel, Regina Zielinski, Kurt Thomas und Thomas "Toivi" Blatt erzählen in der ARTE-Doku "Sobibór: Anatomie eines Todeslagers" auf berührende Weise vom Leben und Überleben unter unmenschlichen Bedingungen.  

Der Befehl zur "Aktion Reinhardt" (auch zu finden in der Schreibweise ohne -t am Ende) war von Heinrich Himmler gekommen, benannt wurde der Plan nach dem ermordeten NS-Funktionär Reinhard Heydrich.

Nazis versuchen, alle Spuren zu verwischen

Ein Mahnmal erinnert an die Opfer des KZ Sobibor. © picture alliance / dpa Foto: Przemek Wierzchowski
Ein Mahnmal erinnert an die Opfer des Konzentrationslagers Sobibór. Es liegt im heutigen Polen.

Die Nationalsozialisten errichteten nicht nur in Sobibór, sondern auch in Belzec und Treblinka Vernichtungslager. Die deportierten Menschen wurden dort unmittelbar nach ihrer Ankunft in Gaskammern ermordet. Verschont blieben nur wenige: Rund 550 jüdische Häftlinge arbeiteten in Reparaturwerkstätten und verrichteten Hilfsdienste.

Nachdem etwa zwei Millionen Menschen getötet worden waren, endete im November 1943 die "Aktion Reinhardt" - nicht ohne den Versuch, sämtliche Spuren zu verwischen. Aus dem Todeslager kamen damals nur weniger Menschen lebend wieder heraus.

Geflüchteter "Shlomo" trifft Peiniger in Brasilien wieder

Unter den Geflüchteten ist damals auch der erst 16-jährige Stanisław "Shlomo" Szmajzner. Ihm gelingt die Flucht nach Brasilien - dort wird er 35 Jahre nach den dramatischen Ereignissen seinen Peiniger Gustav Wagner wiedertreffen.

Immer wieder, so beschrieben es die wenigen Überlebenden, habe Wagner sich wahllos Opfer gesucht, sie gedemütigt, erniedrigt und ermordet; so auch ein Baby vor den Augen seiner Mutter. Sein Ruf brachte Wagner den Beinamen "Die Bestie von Sobibór". Zwei Jahre nach dem Treffen mit "Shlomo", 1980, wurde Wagner tot in seinem Badezimmer gefunden.

Eine dreiteilige Doku-Serie von NDR und WDR und der fünfteilige Podcast "Shlomo - Der Goldschmied und der Nazi" führen in eine Welt von Schuld, Rache und Gerechtigkeit - zu sehen in der ARD Mediathek und zu hören der ARD Audiothek.

In der Mediathek ist auch der Einteiler "Shlomo - Sehnsucht nach Rache" zu finden.

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24.01.2024 | 23:15 Uhr

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