Eine Fotomontage zeigt den Vergleich des Kaiser-Saals in Bad Bramstedt Ende des 19. Jahrhunderts und heute. © Archiv Schadenhof / NDR Foto: Archiv Schadenhof / Anne Passow

Wo Bad Bramstedt feiert: Der Kaisersaal im Wandel der Zeit

Stand: 24.05.2021 07:00 Uhr

Der Kaisersaal in Bad Bramstedt ist seit 200 Jahren in Familienhand. Der neue Betreiber des Lokals erhält die Brücken zur Vergangenheit. Fotos unserer Serie "Schleswig-Holstein früher und heute" belegen den Wandel.

von Anne Passow

Der Geruch von Frittiertem liegt in der Luft. In der Küche des Kaisersaals Bad Bramstedt (Kreis Segeberg) wendet Lars Fuhlendorf Kartoffeln in einer großen Pfanne. "Die sind für eine Vorbestellung und werden gleich abgeholt", erklärt der Küchenchef. Fuhlendorf steht jeden Tag in der Küche des Kaisersaals, auch während der diversen Corona-Lockdowns war hier immer was los. "Wir haben durchgehend außer Haus geliefert und auch mal 100 Bestellungen pro Tag gehabt", erzählt er und dreht den Herd noch etwas auf.

Eine historische Aufnahme des Restaurants Kaisersaal in Bad Bramstedt.  © Archiv Schadenhof Eine Außenaufnahme des Restaurants Kaisersaal in Bad Bramstedt.  © NDR Foto: Anne Passow

Als August Fuhlendorf (gestorben 1908) den Kaisersaal Ende des 19. Jahrhunderts betreibt, gibt es den Wintergarten noch nicht. Dafür lässt er 1894 den Festsaal hinten am Gebäude anbauen. August Fuhlendorf betreibt ab 1856 die auf dem Bild gezeigte Kutschlinie Wrist-Bramstedt als Zubringer zu Bahnlinie. Der heutige Betreiber Thorsten Ehlers saniert das Lokal derzeit gründlich durch.

"Wenn nichts los war, konnte ich nicht einschlafen"

Zwei Männer stehen mit verschränkten Armen vor einem Restaurant. © NDR Foto: Anne Passow
Thorsten Ehlers (l.) und Lars Fuhlendorf haben den Kaisersaal durch die Corona-Krise gebracht.

Lars Fuhlendorf gehört quasi zum Inventar des Kaisersaals. "Ich hab meine Kindheit hier verbracht. Wir haben direkt hier drüber gewohnt", sagt er und weist mit dem Pfannenheber gen Decke. "Wenn hier unten nichts los war, konnte ich nicht einschlafen. Und als Kinder mussten wir immer viel mithelfen, Kartoffeln pellen oder kleine Fleischklößchen drehen", erinnert er sich. Der Kaisersaal und seine Familie haben eine Geschichte, die Jahrhunderte zurückreicht. Seine Eltern, seine Großeltern, seine Urgroßeltern und auch deren Vorfahren betrieben den Kaisersaal - über etwa zehn Generationen.

"Da steckt sehr viel Liebe hinter"

"Dieser Gasthof gehörte fast 200 Jahre lang der Familie Fuhlendorf. Die waren ganz früher Bauern und haben den Gasthof nebenher betrieben. Im 17., 18. Jahrhundert wurde er das erste Mal urkundlich erwähnt", berichtet Jan-Uwe Schadendorf. Er ist Heimatforscher in Bad Bramstedt. "Wenn man dort ist, merkt man, dass da sehr viel Liebe hintersteckt", sagt er über das Lokal. Schadendorf speist viel im Kaisersaal und ist gern bei Feiern dabei, zum Beispiel beim jährlichen Gildefest.

Eine historische Aufnahme des Langweg in der Innenstadt Bad Bramstedts.  © Archiv Schadenhof Eine Aufnahme des Langweg in der Innenstadt Bad Bramstedts.  © NDR Foto: Anne Passow

1972 wird der Landweg für Kanalbauarbeiten komplett aufgerissen. Heute rollt hier der Verkehr.

Fleckensgilde und Kaisersaal verbunden

Da feiert auch immer Thorsten Ehlers mit. "Das hier ist schon immer quasi das Gildehaus der Fleckensgilde gewesen", sagt er. Der Finanzberater übernahm die Traditionsgaststätte 2019. "Es war mir wichtig, dass das hier weitergeht. Der Kaisersaal gehört zu Bad Bramstedt", betont er. Einige Zeit war es ungewiss, ob das Lokal überleben würde. Lars Fuhlendorfs Großmutter betrieb den Gasthof nach dem frühen Tod ihres Mannes lange in Eigenregie. Später übernahmen Fuhlendorfs Eltern. "Aber ein paar Jahre nachdem mein Vater verstarb, hat meine Mutter den Gasthof verkauft. Alleine konnte sie ihn nicht betreiben", erinnert sich Fuhlendorf.

Eine historische Aufnahme des Rathauses von Bad Bramstedt. © Archiv Schadenhof Eine Aufnahme des Rathauses von Bad Bramstedt. © NDR Foto: Anne Passow

Am 8. Mai 1933 hissen Nationalsozialisten vor dem Rathaus in Bad Bramstedt ihre Flaggen. Heute wehen hier andere Fahnen im Wind.

Ein Bauunternehmer kaufte den Kaisersaal 2014, setzte einen neuen Geschäftsführer ein und der versuchte, ein gehobenes Restaurant zu etablieren. Zum Leidwesen der Vereine der Stadt, die nun keinen Ort mehr für ihre Veranstaltungen hatten. Als der Bauunternehmer in die Insolvenz ging, kaufte Thorsten Ehlers die Gaststätte - und steuert sie nun, gemeinsam mit Küchenchef Lars Fuhlendorf, durch die Corona-Krise.

Eine historische Aufnahme der Beeckerbrücke in Bad Bramstedt.  © Archiv Schadenhof Eine Aufnahme der Beeckerbrücke in Bad Bramstedt.  © NDR Foto: Anne Passow

Die Villa des Privatiers Adolf Mehrens direkt an der Osterau ist jahrzehntelang ein Schmuckstück Bad Bramstedts. Zeitweise ist hier die Sparkasse untergebracht. In den 1970er Jahren wird das Haus abgerissen.

Lockdowns zum Sanieren nutzen

"Über unser Online-Bestellsystem ordern die Leute hier weiterhin Essen, und wir nutzen die Zeit, um hier zu sanieren", sagt Ehlers und führt in den großen Hauptraum: weiße Wände, weinrote Polstermöbel, Holzstühle mit roter Samtlehne, eine langgestreckte Theke mit Holzverkleidung, in der - indirekt beleuchtet - Weine und Spirituosen gezeigt werden. "Unseren Tresen haben wir komplett neu gemacht, der war vorher viel kleiner", sagt Ehlers.

Eine historische Aufnahme der Innenstadt von Bad Bramstedt.  © Archiv Schadenhof Eine Aufnahme der Innenstadt von Bad Bramstedt.  © NDR Foto: Anne Passow

Im Vergleich von 1960 zu heute hat sich rund um die Bleeck in Bad Bramstedt viel verändert.

Mittagessen mit Geschäftsleuten

Und Lars Fuhlendorf erinnert sich an die Gaststätte seiner Kindheit. "Wenn ich aus der Schule zurückgekommen bin, saßen die Geschäftsleute hier und haben zu Mittag gegessen. Ich und meine Schwester haben uns einfach dazugesetzt und unsere Königsberger Klopse oder Rouladen bekommen", erzählt er. Der gelernte Koch kam vor etwa 18 Jahren als Küchenchef in den Kaisersaal. "Eigentlich sollte ich damals nur meiner Mutter aushelfen." Doch er blieb, lebt heute nebenan mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter. Damit, dass das Fuhlendorfer Traditionslokal nun Thorsten Ehlers gehört, hat er kein Problem. "Sie ist in guten Händen, und ich mische ja weiterhin mit", sagt er dazu.

Eine historische Aufnahme der Innenstadt von Bad Bramstedt.  © Archiv Schadenhof Eine Aufnahme der Innenstadt von Bad Bramstedt.  © NDR Foto: Anne Passow

1909 beherschen noch Pflastersteine und spielende Kinder die Kirchenbleeck. Heute führt eine Straße hierher.

Vom Kinodurchgang zum Speiseraum

Und Thorsten Ehlers führt weiter durch das sanierte Lokal. Stolz ist er auf die Rolandstube. "Ganz früher war hier der Eingang zum Kino", erzählt er. Später versammelten sich in dem kleinen Nebenraum Vereine, dann wurde er lange als Büro genutzt. "Jetzt können hier wieder Gäste sitzen", sagt Ehlers und deutet auf den Raum mit sandfarbenden Stühlen, Tischen, Sesseln und einer mit Weinkisten verkleideten Wand.

Eine historische Aufnahme eines Hotels in Bad Bramstedt. © Archiv Schadenhof Eine Aufnahme eines Hotels in Bad Bramstedt. © NDR Foto: Anne Passow

Das einstige Café Albert wird von der Familie Bruse aus Kiel übernommen und zum Rasthaus Kiel Hamburg gemacht, wie diese Aufnahme aus den 1960er-Jahren zeigt. Auch heute gibt es hier noch ein Hotel und ein Lokal.

Alt und neu kombiniert

Bei der Sanierung hat Ehlers versucht, moderne Elemente mit der Geschichte zu kombinieren. Von alten Zeiten erzählen die historischen Fotos an den Wänden und die Säulen, die bei der Sanierung der Toiletten freigelegt wurden. "Ich dachte erst: Was läuft denn da für ein Rohr lang", erinnert sich Ehlers. Tatsächlich waren hinter Mauerwerk und Putz tragende Säulen des Hauses verborgen. Drei der vier Säulen wurden jetzt freigelegt - angestrichen und teilweise durch Beleuchtung extra in Szene gesetzt.

Eine historische Aufnahme der Innenstadt in Bad Bramstedt.  © Archiv Schadenhof Eine Aufnahme der Innenstadt in Bad Bramstedt.  © NDR Foto: Anne Passow

Da wo einst Pflastersteine und ein Treckeranhänger herumstanden, führt heute eine vielbefahrene Straße durch Bad Bramstedt.

Wilhelm der Erste ist Namensgeber

Dann geht es in das Herzstück des Lokals: in den Festsaal, den Kaisersaal. "Bennant ist der nach dem da", sagt Lars Fuhlendorf und weist auf das Bild von Wilhelm dem Ersten, das am Eingang des Saales hängt. "Hier ist noch nicht saniert, das kommt später", erklärt Ehlers und schiebt die Türe auf. Auf den etwa 300 Quadratmetern dahinter hat in den vergangenen Jahrzehnten so ziemlich jeder Bad Bramstedter gefeiert. Neben der Feier der Fleckensgilde wurden und werden hier Feuerwehrfeste, und Sportlerbälle ausgerichtet. Auch die Landfrauen und die Jägerschaft kommen im Kaisersaal zusammen. Und natürlich finden hier jede Menge Privatpartys statt. "Ich hab hier eine Firmenfeier veranstaltet", berichtet Ehlers. Und Lars Fuhlendorf erinnert sich gerne an die Silberhochzeit seiner Eltern , auch an seine eigene Hochzeit 2018. "Als Kind haben wir hier drinnen auch oft Fußball gespielt, wenn es draußen geregnet hat", schmunzelt Fuhlendorf. "Dabei ist auch schon mal die ein oder andere Scheibe zu Bruch gegangen."

Eine historische Aufnahme an der Beeckerbrücke in Bad Bramstedt. © Archiv Schadenhof Eine Aufnahme an der Beeckerbrücke in Bad Bramstedt. © NDR Foto: Anne Passow

Anfang der 1950er Jahre stehen zwei Schuljungen an der Beeckerbrücke vor Hoffmanns Fotoladen. Heute fahren hier Autos.

Historische Schnitzerei im Hinterzimmer

Ein Speisesaal eines Restaurants. © NDR Foto: Anne Passow
Diese Nachbildung der Rolandfigur schnitzte 1943 ein unbekannter französischer Soldat.

Und dann will Lars Fuhlendorf noch etwas ganz Besonderes zeigen. Er führt an das Ende des Saals und öffnet die Tür zu einem kleinen Verschlag. Teppiche, Kerzenständer, Leitern stehen darin. "Das sind unsere Katakomben", erklärt Fuhlendorf. Und Thorsten Ehlers kramt aus der hintersten Ecke eine Holzfigur hervor. "Das ist eine Nachbildung der Rolandfigur auf unserem Marktplatz. Die hat 1943 ein unbekannter französischer Soldat geschnitzt, der hier in Kriegsgefangenschaft war und sich damit bedanken wollte, dass er gut behandelt wurde", erzählt Fuhlendorf. Zur Feier der Fleckensgilde wird der hölzerne Roland jedes Jahr aufgestellt - und schließt den Kreis zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart.

Eine historische Aufnahme einer Kirche in Bad Bramstedt.  © Archiv Schadenhof Eine Außenaufnahme einer Kirche in Bad Bramstedt.  © NDR Foto: Anne Passow

Von 1955 bis heute hat sich die Maria-Magdalenen-Kirche in Bad Bramstedt äußerlich nicht groß verändert.

Ein Faible für besondere Weine

"Einiges hat sich über die Jahre verändert", berichtet Lars Fuhlendorf. "Neben deftiger Hausmannskost wollen unsere Gäste auch immer mehr vegetarische Speisen essen." Was sich auch geändert hat: Die Weinkarte des Kaisersaals ist sehr viel umfangreicher geworden. "Ich kenne mich da ganz gut aus und lebe hier meine Leidenschaft aus", verrät Thorsten Ehlers. Bei allen Veränderungen bleibt aber eines gleich, betont Lars Fuhlendorf: "Die Menschen, die hier essen, das sind alles Stammgäste. Und die kommen immer wieder, bringen ihre Kinder mit und die wieder ihre Kinder."

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Moin! Schleswig-Holstein – Von Binnenland und Waterkant | 02.06.2021 | 19:15 Uhr

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