"Neues Deutschland", "Junge Welt", "Berliner Zeitung", "Neue Zeit", "Der Morgen", "National Zeitung": Zeitungen in der DDR. am 11. Mai 1973. © dpa-Bildarchiv

Die Presse in der DDR

Sendedatum: 07.10.2009 20:30 Uhr

Von den Republik-weiten Zeitungen bis zum betriebsinternen Blatt waren fast alle Zeitungen in der DDR an zentrale staatliche oder staatsnahe Organe gebunden - an Parteien, Massenorganisationen oder eine der Kirchen.

So war die Tagespresse, kontrolliert von Parteien und dem "Presseamt beim Vorsitzenden des Ministerrats", faktisch eine staatliche Meinungsbehörde.

Das "Presseamt beim Vorsitzenden des Ministerrats" hatte neben der Aufgabe als Vermittler der Regierungspolitik (Pressekonferenzen, Veranstaltungen für in- und ausländische Journalisten, Publikation von Gesetzen, Verordnungen und Beschlüssen) auch noch andere Aufgaben: Es vergab die Akkreditierungen zu journalistischer Arbeit auf dem Gebiet der DDR und entzog sie auch wieder. Ab 1973 wurde die Betreuung der westdeutschen Pressevertreter durch das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten übernommen.

Presse-Informationen gaben Sprachregelung vor

Über die mehrmals wöchentlich erscheinenden "Presse-Informationen" des Amtes wurden Vorgaben zur Behandlung aktueller Themen für die Presse gemacht: Sprachregelung für Presse, Rundfunk und Fernsehen. Gegenüber der "Allgemeinen Deutschen Nachrichtenagentur" war das Presseamt direkt weisungsbefugt. Durch die Vergabe von Lizenzen für periodisch erscheinende Presseerzeugnisse übte das Presseamt darüber hinaus seit 1962 auch direkten Einfluss auf die Presselandschaft aus, denn auch diese Lizenzen konnten wieder eingezogen werden.

Indirekte Zensur war die Folge. Kontrolle und Lenkung der Presse erfolgte aber nicht nur über das Presseamt. Die direkt dem ZK der SED unterstellte "Zentrale Druckerei-, Einkaufs- und Revisionsgesellschaft" (ZENTRAG) besaß 90 Prozent der Druckkapazitäten in der DDR und somit (mit mehr als 90 Druckereien, Verlagen und Vertriebsorganen) ein faktisches Monopol über die Printmedien. Die ebenfalls von der ZENTRAG verwalteten knappen Papierkontingente ließen für kritische Publikationen keinen Raum. Mit 1981 insgesamt 39 Tageszeitungen in einer Gesamtauflage von etwa neun Millionen war die Pro-Kopf-Dichte an Presseerzeugnissen in der DDR eine der höchsten der Welt.

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Hohe Pro-Kopf-Dichte an Presseerzeugnissen

Davon entfielen jedoch auf das Zentralorgan der SED, "Neues Deutschland", allein 1,1 Millionen Exemplare, auf die anderen 14 SED-Bezirkszeitungen (die "Freie Erde", Brandenburg; die "Freie Presse", Karl-Marx-Stadt; die "Leipziger Volkszeitung" ...) insgesamt etwa fünf Millionen. Hinzu kamen die ebenfalls vom SED-eigenen "Berliner Verlag" herausgegebenen Tageszeitungen "Berliner Zeitung" (mit einer Auflage von ca. 400.000) und die Boulevard-Zeitung "BZ am Abend" (mit ca. 200.000 Exemplaren).

Keine Vielfalt an Meinungen

Auch die "Tribüne", das Organ des FDGB-Bundesvorstandes, die "Junge Welt" des Zentralrates der FDJ und das vom Sportverlag herausgegebene "Deutsche Sportecho" kamen zusammen auf nahezu zwei Millionen Exemplare Tagesauflage. Somit blieb für die insgesamt 18 Tageszeitungen der Blockparteien von der gewaltigen Druck-Kapazität nicht viel übrig. Die sechs Tageszeitungen der CDU mit dem Zentralorgan "Neue Zeit" kamen auf zusammen 280.000, die Tagespresse der LDPD (Zentralorgan "Der Morgen") auf 244.000, die der NDPD (Zentralorgan "Nationalzeitung") auf 186.000, das "Bauern-Echo" der DBD mit fünf Ausgaben für je mehrere Bezirke zusammen auf nur 91.000 Exemplare Tagesauflage. "Nova Doba", die sorbische Zeitung des Bundesvorstandes der Domowina, der sorbischen Minderheit in der Lausitz, erschien 1985 in einer Auflage von 1900 Exemplaren.

Zieht man außerdem in Betracht, dass auch die Presse der Blockparteien den Weisungen des Presseamtes, der Verwaltung der ZENTRAG und der Nachrichtenübermittlung durch die ADN unterlag, relativiert sich die mengenmäßig beeindruckende Bilanz der Presse in der DDR. Die Quantität des Angebots an verschiedenen Zeitungen bedeutete keineswegs Vielfalt an Meinung. Alle Verlautbarungen des Staates und sämtliche politischen Meldungen waren durch ADN auch für die Bezirkszeitungen, die Zeitungen der Blockparteien und andere auf Punkt und Komma vorgegeben. Lediglich im Sport- und Kulturteil gab es geringfügige Differenzierungen.

Zentrale Ausbildung der Journalisten in Leipzig

Pressepolitik war auch Kaderpolitik. Um von vornherein die Linientreue der Journalisten zu gewähren, erfolgte die Ausbildung zum Rundfunk-, Fernseh- oder Pressejournalisten zentral an einer einzigen Hochschule in der DDR, in Leipzig. Das Studium an der "Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität" bot somit die einzige Möglichkeit, den Beruf eines staatlich geprüften "sozialistischen Journalisten" zu ergreifen.

Die republikweite Vorauswahl und die während des Studiums permanent erfolgte "Rotlichtbestrahlung" der Studenten (wie auch in anderen Bereichen war das Fach "Marxismus-Leninismus" Pflicht von Beginn bis zum Ende) gewährleisteten ein hohes Maß an Konformität der Berufsgruppe.

Der Journalist als Funktionär der Partei der Arbeiterklasse

Auch die Arbeiterklasse selber sollte sich an der Pressearbeit beteiligen: die "Volkskorrespondenten" ("VKs") sollten das "Ohr an der Masse" sein und als ehrenamtliche Mitarbeiter von Presse und Rundfunk oder in den betrieblichen Zeitungen ihrer Arbeitsstellen die Stimmung an der Basis einfangen und zu alltäglichen Problemen möglichst ungeschminkt berichten. Auch die Reaktionen der Bevölkerung auf Entscheidungen der Staats- und Parteibehörden waren von Interesse.

Für die Journalistenausbildung waren besonders solche Anwärter gefragt, die sich zuvor bereits als freie Mitarbeiter in ihren meist lokalen Redaktionen als Presse-, Funk- oder Bildreporter bewährt hatten. Die Nachfrage nach Mitarbeit als Volkskorrespondent oder "Arbeiterkorrespondent" ließ jedoch immer mehr nach, in den 80er-Jahren arbeiteten nur noch etwa 20.000 VKs für die Redaktionen der DDR - und viele von ihnen waren "Karteileichen".

Ideologieorientierter Journalismus sollte Marxismus-Leninismus verbreiten

Gut 90 Prozent aller in Presse, Fernsehen, dem Rundfunk und im ADN tätigen Journalisten waren im "Verband der Journalisten der DDR" (VDJ) organisiert. Der VDJ verstand sich als ideologischer und fachlicher Erzieher der Journalisten, betreute die Ausbildung der Studenten an der "Sektion Journalistik" sowie die Volontäre. Außerdem unterhielt der VDJ eine eigene Fachschule für Journalistik, ebenfalls in Leipzig. Seine Weiterbildungskurse waren beliebt, boten sie Journalisten doch die Möglichkeit, sich auszutauschen und Kontakte zu knüpfen. Die jährlich von den Mitgliedern des VDJ zu entrichtende Solidaritätsspende und die Weiterbildung von Journalisten aus befreundeten Ländern der Dritten Welt (ab 1963 am Internationalen Institut für Journalistik "Werner Lamberz" in Berlin, der "Schule der Solidarität"), hatten die Unterstützung des sozialistischen Journalismus in der ganzen Welt zum Ziel. So war der ideologieorientierte Journalismus der DDR nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb des Staates ein Handwerkszeug zur Verbreitung der marxistisch-leninistischen Ideologie.

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Zensur und Selbstzensur

"Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht, den Grundsätzen dieser Verfassung gemäß seine Meinung frei und öffentlich zu äußern. Dieses Recht wird durch kein Dienst- oder Arbeitsverhältnis beschränkt. Niemand darf benachteiligt werden, wenn er von diesem Recht Gebrauch macht." (Verfassung der DDR, Artikel 27.)

So hieß es in Artikel 27 der Verfassung der DDR. Somit scheint die Pressefreiheit gewährleistet. Die Einschränkung "den Grundsätzen dieser Verfassung gemäß" bedeutete aber auch für die journalistische Arbeit eine indirekte Knebelung, denn zu den Grundsätzen der Verfassung gehörten unter anderem die Anerkennung der führenden Rolle der SED und auch die Befolgung der Gesetze des Staates, zu denen auch der im Strafgesetzbuch der DDR verankerte Paragraph 106 zur "Staatsfeindlichen Hetze" zählte.

Die Schere in den Köpfen

War dies auch der gesetzliche Hintergrund der Meinungspolitik in der DDR - in der Praxis erwies sich ein Drohen mit dem Buchstaben des Gesetzes in der Regel als überflüssig. Wer Journalist werden sollte, bestimmte die Partei. Auch die Arbeit in den Redaktionen ließ im Alltag keinen Raum für individuelles Hinterfragen der Arbeit. Eine amtliche Zensurbehörde brauchte die DDR nicht, die "Schere in den Köpfen" arbeitete sauber und ohne Unterlass. Anstößige Formulierungen oder zu kritische Berichte fielen ihr fast unbemerkt zum Opfer.

Wenn auch offiziell keine Zensur stattfand, die Anweisungen der Medien-Ämter beim Vorsitzenden des Ministerrats und die Direktiven der Parteien waren mehr als nur Vorschläge. Eine Abweichung war somit nur unter bewusster Missachtung möglich. Da empfahl es sich, selber die Schere dort anzusetzen, wo eine Konfrontation mit der Staatsmacht absehbar schien.

Die Postzeitungsliste

Die Postzeitungsliste der Deutschen Post der DDR, die das Monopol über den Vertrieb von Presseerzeugnissen besaß und laut "Wörterbuch der sozialistischen Journalistik" gleiche Vertriebsmöglichkeiten schaffen und die Pressefreiheit gewährleisten sollte, wurde als Drohmittel genutzt: unliebsame Zeitungen konnten schlicht von der Postzeitungsliste gestrichen werden und waren somit indirekt verboten.

Zuletzt geschah dies mit der deutschsprachigen sowjetischen Monatszeitschrift "Sputnik", die mit ihrer lockeren Aufmachung schon immer ein begehrter Lesestoff gewesen war. Wegen der Berichterstattung über die sich in der Sowjetunion vollziehenden Veränderungen sowie die Aufarbeitung stalinistischer Verbrechen, erfolgte im November 1988 die Streichung des "Sputnik" von der Liste.

Quelle: www.mdr.de/damals

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | 07.10.2009 | 20:30 Uhr

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