Stand: 07.05.2020 10:20 Uhr

Nach Kriegsende: Norddeutsche Theater spielen wieder

von Katja Weise

Im September 1944 schlossen die Nationalsozialisten alle Bühnen, viele Theater wurden während des Zweiten Weltkrieges ganz oder teilweise zerstört. Doch schon bald nach der Kapitulation suchten nicht nur die Künstlerinnen und Künstler selbst nach Wegen, wieder zu spielen. Auch die Besatzungsmächte förderten und unterstützten den Neuanfang der Theater. Kunst und Kultur sollte bei der "Rezivilisierung" der Deutschen eine wichtige Rolle spielen.

Hamburger Kammerspiele starten mit "Leuchtfeuer"

Die deutsche Schauspielerin Ida Ehre bereitet sich auf ihre Sprechrolle in Emile Zolas "Therese Raquin" vor, Hamburg 1956. © picture alliance / United Archives/Pilz Foto: Siegfried Pilz
Ida Ehre eröffnete 1945 die Hamburger Kammerspiele.

Im Dezember 1945 eröffnete Ida Ehre, die legendäre Prinzipalin der Hamburger Kammerspiele, das Haus in der Hartungstraße - gespielt wurde "Leuchtfeuer", ein Stück des Amerikaners Robert Audrey über einen Mann, der der Welt den Rücken kehrt und sich auf einen Leuchtturm zurückzieht. Es war ein schwerer Anfang: "Es kamen zuerst wenige Leute herein", erinnerte sich Ida Ehre und fügte hinzu: "Bis es sich herumgesprochen hat: Das ist ein Stück, das man sehen muss! Dann wurden die Häuser natürlich voller, aber es ist bis heute so geblieben, wie es damals war."

Rund 50 Ur- und Erstaufführungen hat Ida Ehre in den ersten zehn Jahren an den Hamburger Kammerspielen herausgebracht, zu den prägendsten gehört "Draußen vor der Tür" von Wolfgang Borchert im November 1947.

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Ausschnitt der Europa-Karte vom 1. Mai 1945 aus dem "Atlas of the World Battle Fronts in Semimonthly Phases" des United States War Department, 1945, der die Gebietslage in zweiwöchigen Abständen dokumentiert. © This image is a work of a U.S. Army soldier or employee, taken or made as part of that person's official duties. As a work of the U.S. federal government, the image is in the public domain. Foto: United States War Department, General Staff 1945

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Wenig Heizmaterial, dafür aber Publikum

Auf zeitgenössische Dramen setzte man nach Kriegsende auch in Kiel. Hier nahm man den Spielbetrieb in dem weniger zerstörten Haus an der Holtenauer Straße schon im Oktober 1945 wieder auf. Der Publikumsandrang war groß, das Geld hingegen so knapp, dass die Stadt dem Theater kein Heizmaterial zur Verfügung stellen konnte, deshalb musste - wie übrigens auch in anderen Städten - "zur Aufrechterhaltung des Theaterbetriebes ab Montag, dem 17. Dezember (1945), der Besuch des Theaters von der Abgabe eines Pfundes Holz oder Torf je Eintrittskarte abhängig gemacht werden." 

Die Schlangen an der Kasse waren trotzdem lang. Zu den großen Erfolgen nach dem Krieg zählte "Des Teufels General". Noch im amerikanischen Exil hatte Carl Zuckmayer das Stück geschrieben. Die deutsche Erstaufführung kam jedoch am Hamburger Schauspielhaus heraus, im November 1947, die bis heute bekannte Verfilmung mit Curd Jürgens entstand erst 1955.

Eröffnungen mit Shakespeare oder "Wiener Blut"

Nicht nur das zeitgenössische Drama, auch Komödien oder sogenannte Bunte Abende prägten das Programm vieler Häuser: Man setzte auf Bildung und Unterhaltung. Das Thalia Theater eröffnete mit Shakespeares "Was ihr wollt", im Mecklenburgischen Staatstheater in Schwerin stand als erste Produktion die Operette "Wiener Blut" auf dem Programm - im Gegensatz zu vielen anderen Häusern war das Gebäude während des Krieges nicht zerstört worden. In Hannover beispielsweise musste sich das Theater jahrzehntelang mit Provisorien begnügen. Hier wurde die erste Spielzeit in der Nachkriegszeit mit Hofmannsthals "Jedermann" eröffnet, am 15. September 1945.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch unterwegs | 08.05.2020 | 11:20 Uhr

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