Rückenschmerzen: Viele Untersuchungen unnötig
Rückenschmerzen sind eine Volkskrankheit: Etwa jeder dritte Deutsche leidet daran. Rückenschmerzen sind der häufigste Grund für Krankschreibungen in Deutschland. In den meisten Fällen sind einseitige Belastung oder fehlende Bewegung die Ursachen. Die Beschwerden gehen in der Regel von selbst zurück oder können durch Bewegung und Physiotherapie gut behandelt werden. Nur in 15 Prozent der Fälle sind Rückenschmerzen auf ernsthafte Erkrankungen wie Bandscheibenvorfälle, Wirbelgleiten oder Verschleißerscheinungen zurückzuführen.
Röntgen, CT und MRT werden oft viel zu früh durchgeführt
Die Diagnostik und Behandlung von Rückenschmerzen stellen Ärzte vor eine schwierige Aufgabe. Auf der einen Seite dürfen sie bedrohliche Ursachen der Beschwerden nicht übersehen, auf der anderen Seite sollen sie nutzlose oder gar schädliche Untersuchungen unterlassen. Studien haben gezeigt, dass Röntgenaufnahmen sowie Computertomografien (CT) oder Magnetresonanztomographien (MRT) viel zu oft und viel zu früh gemacht werden. In den ersten sechs Wochen nach Auftreten der Beschwerden ist eine bildgebende Diagnostik meist überflüssig und unnötig belastend für den Patienten. Und oft schadet sie sogar, wenn aus den Bildern falsche Schlüsse gezogen werden. Denn in etwa 30 Prozent aller Fälle zeigen sich in der bildgebenden Diagnostik Veränderungen wie zum Beispiel Bandscheibenvorfälle, die keinerlei Beschwerden verursachen. Dennoch glauben viele Ärzte und Patienten dann eher den Bildern als dem tatsächlichen Befund. So kommt es viel zu häufig zu unnötigen therapeutischen Maßnahmen bis hin zu überflüssigen Operationen. Es geht sogar so weit, dass die Betroffenen nach dem Betrachten der Bilder plötzlich Schmerzen empfinden, die sie vorher gar nicht hatten.
Immer neue Diagnostikverfahren
Gleichzeitig drängen immer neue Diagnostikverfahren und Therapieansätze auf den Markt, die Patienten und Ärzten mehr Sicherheit verschaffen sollen. In immer feineren Darstellungen werden zunehmend vermeintliche Schäden entdecken, die dem Betroffenen allerdings gar keine Beschwerden bereiten und die deshalb auch nicht behandelt werden müssen. In vielen Fällen müssen die Patienten die Kosten für diese Untersuchungen selbst tragen, weil den gesetzlichen Krankenkassen Nachweise über ihre Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit fehlen.
Neuartige Methode: Dreidimensionale Wirbelsäulenvermessung
Eine neuartige Methode zur Erkennung von Wirbelsäulenveränderungen ist zum Beispiel die 3D-Wirbelsäulenvermessung. Das dreidimensionale Mess-System beruht auf einer Computeranalyse von Lichtprojektionen, mit deren Hilfe Wirbelsäulenveränderungen bereits in einem frühen Stadium sichtbar gemacht werden können. Abweichungen vom Lot sowie Verformungen der Wirbelsäule und Drehungen der einzelnen Wirbelkörper zueinander können so dargestellt werden. Das System bietet zudem die Möglichkeit, Korrekturmaßnahmen durch eine Wirbelsäulenbegradigung oder einen Beinlängenausgleich zu simulieren. Die Untersuchung wird vor allem damit beworben, dass sie eine strahlungsfreie Alternative zum Röntgen darstellt.
Leitlinien sollen Überdiagnostik vermeiden
Um eine Überdiagnostik und -therapie zu vermeiden, haben die entsprechenden Fachgesellschaften Leitlinien entwickelt, die Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie von Rückenschmerzen enthalten. Sie sollen sowohl Ärzten als auch Patienten als Wegweiser dienen. Darin heißt es, dass zunächst keine weiteren diagnostischen Maßnahmen notwendig seien, wenn durch die sorgfältige Anamnese und klinische Untersuchung keine Hinweise auf akut behandlungsbedürftige Beschwerden vorliegen. Da die Befunde technischer Untersuchungen alleine die Therapieentscheidung und den Behandlungserfolg nicht verbessern, ist es sinnvoll, weitere diagnostische Maßnahmen nur gezielt einzusetzen.
Warnzeichen beachten
Warnzeichen, die auf ernste Ursachen des Rückenschmerzes hindeuten und weitere Untersuchungen rechtfertigen, sind insbesondere neurologische Symptome wie in die Beine ausstrahlende Schmerzen mit Taubheitsgefühl, Kribbelparästhesien und Muskelschwäche sowie eine Blasen- und Mastdarmschwäche. Sie weisen darauf hin, dass eine Wirbelsäulenerkrankung das Rückenmark schädigt. Bildgebende Verfahren wie Röntgen oder MRT können dann Aufschluss über den Grund der Beschwerden geben. Weitere Warnzeichen, die bildgebende Verfahren rechtfertigen, sind Rückenschmerzen, die von Fieber und Schüttelfrost oder Gewichtsverlust und Appetitlosigkeit begleitet werden. Eine weitere Abklärung wird generell nach Unfällen oder Verletzungen sowie bei Krebspatienten empfohlen oder bei Patienten, die Medikamente zur Unterdrückung der Immunabwehr einnehmen.
Bewegung statt Schonung
Die Behandlung von Rückenschmerzen hat sich in den vergangenen Jahren sehr stark gewandelt: Während Ärzte früher auf Ruhe und Schonung setzten, steht heutzutage Bewegung im Vordergrund. Der multimodale Therapieansatz kombiniert aktivierende Krankengymnastik, Entspannungsverfahren und kräftigendes Muskeltraining. Verspannte Muskulatur wird gelockert, geschwächte Muskulatur gekräftigt. Die Therapie soll verhindern, dass die Schmerzen chronisch werden. Schonung hingegen führt zu einem Kraftverlust, der Fehlhaltungen nach sich zieht und dadurch zu noch größeren Schmerzen führt. Bei akuten Beschwerden können vorübergehend Schmerzmittel eingesetzt werden.
Funktionelles Rückentraining hat sich bewährt
Als eine der effektivsten Maßnahmen zur Vorbeugung und Behandlung von Rückenschmerzen gilt das funktionelle Rückentraining. Statt einzelne Muskeln isoliert zu trainieren, werden ganze Muskelgruppen und komplexe Bewegungsabläufe mithilfe des eigenen Körpergewichtes trainiert, vor allem die tiefliegenden, die Wirbelsäule stabilisierenden Muskelgruppen. Ziel ist die Wiederherstellung eines ausgewogenen Gleichgewichts zwischen Beweglichkeit und Stabilität.
