Multiple Sklerose erkennen und behandeln
Man nennt sie auch die "Krankheit mit den 1.000 Gesichtern": Multiple Sklerose (MS) kann von Patient zu Patient so unterschiedlich verlaufen, dass sich allgemeingültige Aussagen nur bedingt treffen lassen. In Deutschland sind mindestens 130.000 Menschen von dieser chronisch-entzündlichen Erkrankung des Nervensystems betroffen, Frauen etwa dreimal so häufig wie Männer. Die meisten Betroffenen erhalten die Diagnose MS im frühen Erwachsenenalter.
Multiple Sklerose: Die Darmflora stärken
Henrike T. hat MS. Sie fühlt sich oft geradezu erschöpft. Die Docs wollen ihr Immunsystem stärken - unter anderem über die "Darm-Hirn-Achse" mit Ballaststoffen und Propionsalz.
Die Ursache ist noch ungeklärt
Bei der Multiplen Sklerose greifen fehlgeleitete Immunzellen die Nerven an - das führt zu Entzündungen und Schmerzen. Die Ursachen für die Fehlsteuerung konnten bislang nicht eindeutig geklärt werden. Neuere Studien weisen darauf hin, dass eine Überstimulation der Zellen durch zu viel Zucker eine Rolle spielt. Weitere Forschungsergebnisse deuten an, dass es eine Verbindung zwischen der Zusammensetzung der Darmflora und Erkrankungen des Gehirns gibt - "Darm-Hirn-Achse" genannt. Forscher gehen davon aus, dass zentraler Auslöser eine zunächst harmlos erscheinende Virusinfektion im Kindes- oder Jugendalter ist, die die Aktivität des Immunsystems stört.
Allerdings - so der aktuelle Stand - müssen immer mehrere Faktoren zusammentreffen: Dazu zählen eine genetische Veranlagung sowie bestimmte Umwelteinflüsse. Manche Forschungen verweisen auch auf Vitamin-D-Mangel und kindliches Übergewicht als Risikofaktoren, zudem scheint Rauchen die Krankheitsentstehung zu begünstigen.
MS ist nicht ansteckend, und es ist keine Erbkrankheit im klassischen Sinn, auch wenn sie familiär gehäuft auftreten kann.
Was passiert bei Multipler Sklerose?
Unterschiedliche Störungen als erstes Symptom
Prägnante Anzeichen einer Multiplen Sklerose sind neurologische Störungen, und zwar stunden- bis tagelange Ausfallerscheinungen in unterschiedlichen Körperregionen. Einzeln oder in Kombination können folgende Symptome auftreten:
- Sehstörungen (Doppelbilder)
- Beinschmerzen
- Lähmungen
- Blasen- und Darmstörungen
- Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen
- Sprechstörungen
- Kribbeln und andere Sensibilitätsstörungen
- chronische Erschöpfung (Fatigue)
- sexuelle Störungen
Anfangs verschwinden die Störungen wieder, oder es bleiben nur geringe Beschwerden zurück. Mit der Zeit kommen dann neue hinzu, die teils dauerhaft sind. Typisch für den Verlauf von MS: Der Schweregrad der Symptome nimmt mit dem Krankheitsverlauf zu, einige Störungen treten jedoch nur vorübergehend auf. Man spricht dabei von Schüben.
Die Diagnose ist nicht leicht
MS ist aufgrund der unterschiedlichen Erscheinungsbilder auch für erfahrene Hausärzte häufig schwer zu diagnostizieren.
Zunächst steht eine sorgfältige Erhebung der Krankheitsgeschichte an, die Anamnese. Klassischerweise folgt dann eine neurologische Untersuchung von Bewegungsapparat, Koordination, Gleichgewicht und Sinnesorganen. Weiter werden im Wege der Kernspintomografie (MRT) Bilder des Gehirns und Rückenmarks erstellt. Eine sogenannte Lumbalpunktion (die Entnahme von Nervenwasser mit einer Hohlnadel aus dem Rückenmark in Höhe der Lendenwirbelsäule) gibt Aufschluss über Entzündungszellen und bestimmte verdächtige Eiweißkörper. Ein Bluttest kann zwar MS nicht nachweisen, ist aber dennoch wichtig, um andere Krankheiten mit ähnlichen Symptomen auszuschließen.
Das klinische Erscheinungsbild mit dem bisherigen Krankheitsverlauf, das neurologische Untersuchungsergebnis und die Befunde aus den Zusatzuntersuchungen sind dann in einer Gesamtschau zu betrachten. Gemäß den sogenannten McDonald-Kriterien kann die Diagnose MS unter Umständen bereits nach dem ersten Schub als gesichert gelten.
Verschiedene Therapieansätze verlangsamen den Verlauf
MS ist bislang nicht heilbar, aber behandelbar. Es geht darum, den Verlauf der Erkrankung zu verlangsamen und die Lebensqualität weitestmöglich zu erhalten.
Immunsystem stärken mit der Ernährung
Mit der Ernährung können MS-Betroffene versuchen, ihre Immunabwehr zu beeinflussen und das Entzündungsgeschehen zu minimieren. Die Ernährung sollte deshalb vor allem aus Gemüse, hochwertigen Ölen, Nüssen und Samen bestehen. Positiv wirken sich insbesondere die entzündungshemmenden Omega-3-Fettsäuren aus. Kohlenhydrate (etwa Brot, Nudeln, Zuckerhaltiges) sind dagegen zu meiden.
"Ketogene Ernährung" ist ein Ansatz: Statt Glukose (Blutzucker) sollen dabei sogenannte Ketonkörper den Energiebedarf von Organen und Gehirn decken. Ketonkörper entstehen bei Kohlenhydratmangel - die Leber baut dann Fettsäuren zu Energielieferanten um. Täglich sollten fettreiche Eiweißlieferanten wie Fisch, Geflügel, Eier, fettreiche Milch- und Milchprodukte verzehrt werden.
Ein weiterer Ansatz ist, für mehr gute Darmbakterien zu sorgen: und zwar mit Pro- und Präbiotika. Denn aus ballaststoffreichen Lebensmitteln stellen Darmbakterien wertvolle kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat und Propionat her. Sie werden zur Reparatur der Nervenzellen gebraucht.
Neueren Studien zufolge kann auch Propionsalz als Nahrungsergänzungsmittel das Immunsystem stärken.
Medikamente zur Entzündungshemmung
Bei akuten Schüben erhalten Patienten hochdosierte Entzündungshemmer, meist Steroidhormone (Kortikosteroide). Immunstimulierende Interferone sowie Immunsuppressiva - also Medikamente, die die Immunabwehr dämpfen -, werden zur sogenannten Basis- und Eskalationsbehandlung verschieben. Sie sollen das Fortschreiten dieser chronischen Krankheit aufhalten.
Begleitende Behandlungsansätze
Hinzu kommen physio- und ergotherapeutische Maßnahmen, logopädische Hilfe und - ganz wichtig - psychotherapeutische Unterstützung. Akupunktur, homöopathische oder anthroposophische Heilmethoden (wie etwa künstlerische Therapie, Wickel und Auflagen) können die Therapie ergänzen. Sie sollten unbedingt mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden.
