Anastasiya Winkel unterstützt Flüchtlinge an Land und auf dem Wasser
Anastasiya Winkel kommt aus der Ukraine, lebt seit sechs Jahren in Deutschland und konnte sich seitdem ihren Platz im deutschen Olympiakader erkämpfen. Der Krieg in ihrer Heimat hat auch ihr Leben verändert.
Anastasiya Winkel lebt seit sechs Jahren mit ihrem Ehemann Malte Winkel in Deutschland, sie sind in Kiel heimisch geworden. Beide vereint die Leidenschaft für den Segelsport. Anastasiya hat vor 15 Jahren damit angefangen und ihre Liebe für die 470er entdeckt. Es sind nicht die schnellsten Boote, dafür liegt der Schwerpunkt auf taktischem Fahren. Das Material spielt eine untergeordnete Rolle, was bei kaum einer anderen Bootsklasse der Fall ist. "Für mich hat es etwas von Schach auf dem Wasser", so die Ukrainerin.
Folgenschwere Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt
Am 21. Februar besuchte Anastasiya zum letzten Mal ihre Heimat, um Freunde in Kiew zu besuchen. Zunächst überlegte sie, ob sie ihren Urlaub um einige Tage verlängern sollte. Da sie keine günstigen Flüge mehr finden konnte, entschied sie sich dazu, diese Idee zu verwerfen. Im Nachhinein stellte sich die Entscheidung als Glücksfall heraus, denn ansonsten wäre sie vor Ort gewesen, als die ersten Bomben ihre Heimat trafen.
In ihrer Freizeit unterstützt sie seitdem ihre Landsleute dabei, in Deutschland Fuß zu fassen. Sie weiß, wie schwer es ist, ihre Heimat zu verlassen und hat es sich zur Aufgabe gemacht zu helfen. Auf diese Weise muss sie nicht nur hilflos zuschauen, sondern kann aktiv einen Beitrag leisten.
Segeln hilft, den Alltag zu vergessen
Das Segeln hilft ihr dabei, den Kopf frei zu bekommen. Sie startet durch die Heirat unter deutscher Flagge, ihr Herz schlägt aber in dieser schwierigen Zeit für die Ukraine. Abends lässt sie sich auf den aktuellen Stand der Dinge bringen. Die ganzen schrecklichen Gräueltaten jeden Tag im Fernsehen zu sehen, empfindet sie als sehr belastend.
In ihrer Bootsklasse gehen insgesamt drei Boote unter ukrainischer Flagge an den Start. Anastasiya erzählt, dass die männlichen Besatzungsmitglieder nur für die Kieler Woche eine Sondergenehmigung vom Sportministerium erhalten haben und ausreisen durften. Bereits am Montag geht es zurück in die Ukraine und damit zurück an die Kriegsfront.
Nicht alle Sportler kehren nach einer Veranstaltung zurück an die Front
Es gab in den vergangenen Wochen aber wohl auch einige Deserteure, die die Chance genutzt haben und auf diesem Weg vor dem Krieg geflohen sind. Sie kehrten nach einer Sportveranstaltung nicht zurück in die Ukraine. Es ist fraglich, ob es unter diesen Umständen in Zukunft noch möglich sein wird, das Land für Sportveranstaltungen zu verlassen.
Anastasiyas Großmutter kann nicht flüchten
Neben den vielen allgemeinen Gedanken an den Krieg in der Heimat trägt Anastasiya ein ganz besonderes Schicksal mit sich herum. Ihre Familie sitzt weiterhin in Luhansk fest. Die Stadt wurde von Separatisten besetzt und ist inzwischen vom Rest der Ukraine abgeschnitten. Ihre Großmutter ist für die Strapazen einer Flucht zu alt, weshalb die Familie versucht auszuharren. 30 Kilometer von ihrem Heimatort entfernt schlagen fast täglich Bomben und Raketen ein. "Ich versuche den Kontakt zu halten und hoffe, dass der Krieg endlich aufhört und dass meine Familie in Sicherheit ist", so eine sichtlich berührte Anastasiya.
Das Ziel klar vor Augen
Auf dem Wasser gelingt es ihr, die Erlebnisse zu verdrängen und sie kann sich auf das Segeln mit ihrem Mann fokussieren. Beide segeln seit Oktober gemeinsam die 470er und haben ambitionierte Ziele. "Wir gehen natürlich an den Start, um zu gewinnen. Im ersten Rennen hatten wir keinen guten Lauf und haben einige Punkte liegen gelassen."
"In den darauffolgenden Wettfahrten konnten wir vorne mitspielen und uns in eine gute Ausgangsposition für den Rest der Kieler Woche bringen. Unser Ziel ist es, bei der Weltmeisterschaft eine Medaille zu holen und in zwei Jahren bei den Olympischen Spielen an den Start zu gehen", so Malte.
Anastasiya hat sich ihren Platz im deutschen Olympiakader erfolgreich erkämpft und kann sich auf diese Weise voll auf den Sport konzentrieren. Da die Mixed-Klasse der 470er bei den Olympischen Spielen 2024 zum ersten Mal an den Start geht, sieht das Ehepaar gute Erfolgschancen an Bord ihres Bootes "Penelope".
In der Zwischenzeit verbringt das Ehepaar jede freie Minute auf dem Wasser und feilt an der Taktik, um beim nächsten Start den benötigten Vorsprung herauszuholen, um dann als erstes Team die Ziellinie zu überqueren.