Wohnraum für junge Erwachsene nach der Jugendhilfe
Das Kinder- und Jugendhaus St. Josef in Bad Oldesloe bittet private Vermieter um Hilfe: Ihre Schützlinge finden kaum Wohnungen, in denen sie ein selbstbestimmtes Leben führen können.
"Gruppenputz, kommt ihr bitte alle", ruft Uta Jünemann. Sie ist Sozialarbeiterin beim Kinder- und Jugendhaus St. Josef in Bad Oldesloe. Es ist 9 Uhr und die Jungs, die in der Jugend-WG wohnen, sollen jetzt putzen. Sie beschreibt den Sinn dahinter so: "Im Kern geht es darum, dass sie eigenständig leben können und zwar in dem Moment, wo Jugendhilfe irgendwann beendet ist." Erst leben die Schützlinge im Kinder- und Jugendhaus St. Josef und werden dort rund um die Uhr stationär betreut. Fast wie in einer Familie. Wenn sie 16 oder 17 Jahre alt sind, wechseln die Stabilsten in diese Fünfer-WG.
Jugendliche lernen Strukturen
Von den fünf Jungs sind heute nur drei da. Die anderen sind unterwegs. Es sind schließlich Schulferien. Ali, Hafeez und Benjamin nehmen das Putzzeug aus dem Schrank und teilen sich auf. Ali saugt die Treppe und Hafeez den Flur. Uta Jünemann hebt den Teppich hoch, damit er darunter saugen kann. Die Küche macht heute Benjamin, unterstützt von Danielle Birett. Sie ist eine Kollegin von Uta Jünemann, auch Sozialpädagogin und meistens von 9 bis 14 Uhr im Haus. Am Nachmittag ist eine weitere Kollegin da - aber nachts sind die Jugendlichen in dieser Wohnung schon ohne Betreuung. Sie sagt: "Zur Selbständigkeit gehört natürlich auch der Haushalt, dass man Ordnung hält, dass man Sauberkeit erlernt." Struktur sei das Allerwichtigste. "Wer das hier bei St. Josef gelernt hat, dem hilft es draußen im Leben, in der Schule, bei Arbeit, im ganzen Leben."
Spätestens mit 21 Jahren auf eigenen Beinen stehen
Diese WG ist eine ausgelagerte Wohnung, in der die Jugendlichen das Erwachsensein also schon mal üben können. "Wir wollen sie ja nach und nach auswildern," sagt Uta Jünemann und lacht. Denn spätestens mit 21 Jahren werden sie nicht mehr von der Jugendhilfe betreut. Dann müssen sie auf eigenen Beinen stehen. Derzeit ist der Jüngste 17 und der Älteste 19 Jahre alt. Es bleibt also nicht mehr viel Zeit für die "Auswilderung".
Die eigene Wohnung ist das Ziel - doch die gibt es nicht
Das Ziel haben also alle klar vor Augen: Aus der geschützten Situation einer Wohngruppe heraus, sollen alle einen neuen Lebensmittelpunkt finden. Und dazu gehört auch die erste eigene Wohnung. Das Problem: Die jungen Erwachsenen finden keine Wohnung. Denn es gibt so gut wie keine freien Wohnungen in Bad Oldesloe und Umgebung. Der Bad Oldesloer Vermieter Jürgen Wurst sagt: "Ich inseriere gar nicht mehr. Meine Wohnungen gehen meist unter der Hand weg." Und wenn er mal eine Wohnung ins Netz stelle, dann habe er um die 30 Bewerberinnen und Bewerber, unter denen er auswählen könne. Uta Jünemann berichtet, dass vor ein paar Jahren Vermieter ihre Sozialwohnungen noch gerne an Wohngeldbezieherinnen und - bezieher vermietet hätten. Das sei heute nicht mehr so. "Die sichere Miete, gezahlt vom Amt, ist längst keine Vorteil mehr."
Jürgen Wurst, der bereits einige Wohnungen über St. Joseph an junge Menschen vermietet hat, vermutet, dass die Vermieter keine jungen Mieterinnen und Mieter wollen, die Hartz 4 beziehen und Migrationshintergrund haben, aus Angst vor Problemen. "Leider haben unsere jungen Erwachsenen niemanden, der ihnen eine Bürgschaft ausstellen kann", sagt Uta Jünemann. Sie leitet den Bereich "Verselbstständigung" und kennt die familiäre Situation jedes Einzelnen. Die Eltern seien entweder psychisch krank, drogenabhängig oder lebten im Ausland - so wie bei Ali, Hafeez und Benjamin, weil sie als unbegleitete Flüchtlinge vor Jahren nach Deutschland gekommen seien. "Und wenn sie außerdem einen ausländisch klingenden Namen haben, haben sie auf dem freien Markt gar keine Chance."
Notwohnungen als Zwischenlösung
Das Kinder- und Jugendhaus St. Josef mietet seit 2002 zwei Notwohnungen, in die die jungen Menschen übergangsweise ziehen können. Dann macht die Einrichtung mit ihnen einen Untermietvertrag. Mittlerweile musste sie schon fünf weitere Wohnungen mieten. So wird die Jugendeinrichtung unfreiwillig zur Vermieterin, eine Aufgabe, die offiziell nicht ihre ist. Sie bindet die Zeit und Energien der Betreuerinnen, die sie eigentlich in die Unterstützung der Jugendlichen stecken wollen, in Beratung und Gespräche. Dadurch verschiebt sich außerdem das Verhältnis zu dem Schützlingen. "Die jungen Menschen bleiben abhängig", sagt Ute Jünemann.
Die Verselbstständigung wird erschwert
So wie Manizhe Yaghubi. Sie ist 18 Jahre alt und vor einem Jahr direkt aus dem Haupthaus in so eine vom Träger gemietete Notwohnung gezogen. Nach der Putzaktion in der Jungs-WG geht Danielle Birett bei ihr vorbei, um nach dem Rechten zu sehen und um zu fragen, wie ihre Wohnungssuche läuft. Denn natürlich soll sie so schnell wie möglich aus dieser Wohnung raus. Die Sozialpädagogin erklärt, warum: "Wir haben Wartelisten. Es kommen ja immer mehr junge Menschen nach. Die werden alle älter, das darf man nicht vergessen." Manizhe erzählt, wie schwer es ist mit der Wohnungssuche. Bisher hätte sie keinen Erfolg gehabt. Die Wohnungen, erzählt sie, die von der Größe gepasst hätten, waren zu teuer und die Vermieter, bei denen sie angefragt hat, haben sich nicht zurückgemeldet.
Platz mehr für Neuzugänge wird knapp
Uta Jünemann hat Ali zu sich in Büro gerufen. Sie will mit ihm zum ersten Mal über die Zeit nach der Jugendhilfe sprechen. Ali ist jetzt 17 und soll demnächst mit der Wohnungssuche anfangen. Er ist erst seit drei Jahren in Deutschland. Er musste seitdem viel auf einmal lernen: Sprache, Regeln und wie die Behörden hier funktionieren. Von der Aussicht auf den baldigen Auszug ist er geschockt. Er senkt seinen Kopf in die Hände und sagt dann: "Kann ich 17 bleiben?" Er hat Angst, vor dem, was jetzt auf ihn zukommt.
Ute Jünemann und ihre Teamkolleginnen wollen ihm so gut es geht helfen, ihn bis dahin fit machen und ihm helfen, eine Wohnung zu finden. "Wir schmeißen niemanden raus." Aber das heiße eben auch: "Dann kann ich irgendwann keine neuen mehr aufnehmen." Das müsse irgendwann die Konsequenz sein, "wenn ich keine Plätze mehr habe", betont sie noch mal ausdrücklich. Im Moment würden sie zwar immer noch Lösungen finden. "Aber die Lage spitzt sich zu. Wir bitten alle Vermieter dringend um Hilfe."