Die Korvette Erfurt fährt aus einem Hafen. © picture alliance Foto: Danny Gohlke

Sondervermögen Bundeswehr: Aufträge für Unternehmen aus SH?

Stand: 07.03.2022 10:57 Uhr

In den kommenden Monaten und Jahren soll mit Hilfe eines Sondervermögens in Höhe von 100 Milliarden Euro die Bundeswehr ausgerüstet werden. Auch Unternehmen aus Schleswig-Holstein könnten Aufträge erhalten.

von Christian Wolf

Teilweise leere Munitionsdepots, unzureichende Bekleidung für Soldatinnen und Soldaten sowie Panzer und Flugzeuge, die nicht einsatzbereit sind, weil Ersatzteile fehlen - nur einige Auszüge, die die Realität der Bundeswehr widerspiegeln. Doch damit scheint jetzt Schluss zu sein. Das angekündigte Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro und die Erhöhung des Wehretats um jährlich laut Bundeskanzler Olaf Scholz "mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes" sollen das ändern.

Neue Aufträge für Unternehmen in Schleswig-Holstein?

Noch in diesem Monat will die Bundesregierung nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums die Summe in das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren einbringen. Der Generalinspekteur der Bundeswehr habe von der Bundesministerin den Auftrag erhalten, eine Liste dringend benötigter Fähigkeiten zu erstellen, die mit Projekten hinterlegt seien, so eine Sprecherin des Bundesverteidigungsministeriums. Viele Experten aus der Rüstungsbranche sind sich sicher, dass auch in Schleswig-Holstein Teile des neuen Sondervermögens ankommen werden.

U-Boote, Fregatten und Korvetten

Die Weichen dafür stehen schon seit langem. Denn bei den großen Rüstungsaufträgen der Vergangenheit hat sich die Bundesregierung die Option offen gehalten, die Anzahl der bestellten Einheiten zu erhöhen. Ganz gleich, ob das Projekt U-Boot 212CD oder Fregatte F126 - Ingo Gädechens, Obmann der CDU im Verteidigungsausschuss, geht davon aus, dass Aufträge nach Schleswig-Holstein kommen. Vor allem die Werften in Kiel würden profitieren: "Wenn wir dort zwei U-Boote mehr bauen können, wäre die Arbeitsauslastung am Standort von thyssenkrupp Marine Systems über Jahre gesichert." Auch German Naval Yards hätte mehr zu tun, sollte die Option für zwei weitere Schiffe der F126-Klasse gezogen werden.

Korvette K-130

Schon seit längerem wird zudem über die Korvette K-130 diskutiert. Die ersten fünf Schiffe, die zwischen 2004 und 2006 gebaut wurden, müssen überholt werden. Daher gibt es Stimmen im Verteidigungsausschuss, die lieber gleich neue Korvetten bauen wollen. Seit drei Jahren baut ein Zusammenschluss aus der Bremer Lürssen Werft, German Naval Yards und thyssenkrupp Marine Systems bereits fünf zusätzliche Einheiten.

"Kapazitäten und Know-How sind vorhanden, um auch diesen Auftrag abzuarbeiten", erklärt der maritime Koordinator des Landes, Andreas Burmester. Auch die anderen Werften im Land, wie Nobiskrug und FSG, könnten aus seiner Sicht Aufträge bekommen. Aber auch Rheinmetall Landsysteme aus Kiel kann sich Hoffnung auf mehr Aufträge machen. Dass mehr Schützenpanzer vom Typ Puma bestellt werden sollen, ist schon seit längerem im Gespräch. Auch Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) sieht gute Chancen für die militärischen Fahrzeugbauer im Land: "Mit Rheinmetall und FFG in Flensburg haben wir Kompetenzen, die genutzt werden sollten, um die Bundeswehr in einen Top-Zustand zu bringen."

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Neue Vergabeverfahren möglich

Zuständig für die Beschaffung neuer Rüstungsgüter ist das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Koblenz. Die Behörde ist eher für langjährige und komplexe Ausschreibung bekannt. "Das ist das Nadelöhr, durch das wir einen Elefanten treiben müssen", erklärt Ingo Gädechens. Der Verteidigungspolitische Sprecher der SPD Bundestagsfraktion, Wolfgang Hellmich, sieht eine Möglichkeit, wie das Verfahren beschleunigt werden könnte: "Es gibt für die Beschaffung militärischer Güter im europäischen Ausschreibungsrecht Sonderregelungen, die man dann nutzen kann."

Doch kann die Industrie so kurzfristig überhaupt liefern? "Natürlich hat sich die Industrie der Nachfrage der vergangenen Jahre angepasst. Aber die Bereitschaft der Industrie, der Bundeswehr schnellstmöglich zu helfen, ist ohne Frage da", so Hans Peter Atzpodien, Geschäftsführer Bundesverbandes der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.

Union will mitziehen - aber!

Noch muss das Sondervermögen allerdings einige Hürden nehmen. Das Geld soll aus dem Nachtragshaushalt für das laufende Jahr kommen. Es werden also Schulden dafür aufgenommen. Was angesichts einer Schuldenbremse nicht jedem Politiker gefallen dürfte. Für die Gesetzesänderung ist eine Zweidrittelmehrheit des Parlaments nötig.

Die Union will mitziehen, allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. "Wir sind bereit darüber zu reden, weil wir selbstverständlich der Meinung sind, dass die Bundeswehr diese Summe dringendst braucht. Trotzdem, über die haushaltsrechtliche Absicherung und Verwendung wollen wir dann definitiv mitentscheiden", erklärt Johann Wadephul (CDU), Fraktions-Vize im Bundestag.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | 07.03.2022 | 08:00 Uhr

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