Ölkatastrophe auf der Elbe: Ölwehren üben den Ernstfall
In Schleswig-Holstein kümmern sich spezielle Ölwehren um die Bekämpfung von Schadstoffen auf dem Wasser. 33 davon gibt es und neun kamen jetzt in Brunsbüttel zu einer großen Übung zusammen.

Als die zwei Boote von Technischem Hilfswerk und Feuerwehr beginnen, die 80 Meter lange gelbe Ölsperre zum havarierten Boot zu ziehen, zeigt sich, was Jörg Brokmann meint: Nach der größten Herausforderung bei dieser Übung gefragt, antwortet der 64-Jährige ganz knapp: "Die Elbe."
An diesem Sonnabend (10.5.) lässt der Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein (LKN) direkt am Fähranleger den Ernstfall proben: Ein Schiff, so das Übungsszenario, prallt kurz vor der Einfahrt zum Nord-Ostsee-Kanal gegen ein anderes und verliert 50 bis 80 Tonnen Schweröl. Es wird zum Fähranleger gezogen, wo das Leck gestopft und das austretende Öl eingekesselt werden muss.
33 Ölwehren landesweit

Dafür sind die Ölsperren da, 300 Meter hat allein die Feuerwehr Brunsbüttel davon, weitere 300 die Feuerwehr Glückstadt. Sie gehören zu den 20 Freiwilligen Feuerwehren, die das Land quasi unter Vertrag hat und ausrücken müssen, wenn an Nord- und Ostsee oder auf den Schifffahrtsstraßen wie der Elbe, dem Nord-Ostsee-Kanal oder der Eider Öl bekämpft werden muss. Fast alle der Ölbekämpfer sind Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler.
Neben den Freiwilligen Feuerwehren halten auch zwei Berufsfeuerwehren, acht Ortsverbände des THW, eine private Firma sowie das LKN selbst Ölwehren vor. 33 sind damit insgesamt übers Land verteilt mit rund 450 speziell ausgebildeten Kräften, die in ihren eigenen Ölwehren, aber auch bei großangelegten Übungen trainieren. 90 Ölbekämpferinnen und -bekämpfer von neun Organisationen an der Westküste sind es an diesem Sonnabend.
Die Elbe birgt besondere Herausforderungen
15, maximal 20 Zentimeter tief reichen die gelben Ölsperren ins Wasser, die die Boote gerade zum - laut Übungsszenario - havarierten Boot bugsieren. Bei auflaufender Ebbe, gegen die die Boote anfahren, ergibt sich daraus auf 80 Metern Länge ein ganz schöner Widerstand. Die Boote haben zu kämpfen, vor allem das kleine mit nur einem Außenborder. Genauso die Taue, mit denen die Ölsperren an den Booten befestigt sind - eins reißt, lange bevor das "havarierte" Boot erreicht ist.
Das ist es, was Jörg Brokmann meint: Die Strömung der Elbe ist zu diesem Zeitpunkt gewaltig, auf die Gezeiten müssen sich die Ölbekämpfer genauso einstellen wie auf den Sog und den Wellenschlag durch die großen Containerschiffe, die an Brunsbüttel vorbei Richtung Hamburg beziehungsweise Nordsee ziehen. "In der Realität würde man den Schiffsverkehr vermutlich eindämmen und bei schwerer Verschmutzung vielleicht auch einstellen", sagt Brokmann. Das geht heute natürlich nicht - ideal zum Üben.
300.000 Liter Rohöl im Nord-Ostsee-Kanal
Es ist das erste Mal, dass die Ölwehr auf Höhe des Fähranlegers in Brunsbüttel trainiert, an einer Stelle, die nicht weit entfernt ist von der Schleuse und wo Schiffskollisionen deshalb durchaus realistisch sind. Die letzten Male fand die Übung im Brunsbütteler Hafen und im Nord-Ostsee-Kanal statt, wo auch der letzte große Einsatz für die Ölwehren an der Westküste war: Im Jahr 2022 liefen aus einer Pipeline 300.000 Liter Rohöl in den Kanal.
Die meisten der etwa 30 Ölwehr-Einsätze in Schleswig-Holstein sind hingegen kleiner - Kraftstoffaustritte beim Betanken von Sportbooten zum Beispiel. "Manchmal finden wir auch nur Öl auf dem Wasser vor, ohne dass die Ursache oder der Verursacher bekannt ist", sagt LKN-Bereichsleiter Asmus Plötz. Einsätze, die vergleichbar mit dem Übungsszenario von diesem Wochenende seien, gebe es vielleicht fünf im Jahr.
Technik zur Ölbekämpfung immer besser

Jörg Brokmann leitet Ölwehr-Einsätze beim LKN seit mehr als 18 Jahren. Die Übung in Brunsbüttel ist seine letzte, der 64-Jährige geht bald in Rente. Die Technik, die zur Ölbekämpfung eingesetzt werde, habe sich in den Jahren immer weiter verbessert. Als Beispiel nennt er etwa die Flugzeuge vom Havariekommando in Cuxhaven, mit denen mittlerweile nicht nur Ölteppiche erkannt, sondern quasi in der Luft analysiert werden können. "Als Einsatzleiter hat man ganz schnell die Auswertungen und kann entsprechend reagieren", sagt er.
An diesem Tag ist auch das "Hägglunds" im Einsatz, ein Amphibien-Kettenfahrzeug, das Menschen und Material problemlos selbst durchs Watt und wenn nötig auch durch Wasser fahren kann. Heute transportiert es eine Vakuumpumpe, die mit einem Skimmer verbunden ist, der ähnlich wie ein Poolskimmer funktioniert: Deckelförmig schwimmt er kurz unter der Wasseroberfläche, sodass eingefangenes Öl hineinschwappen und dann abgesaugt werden kann.
Bei Übungen wird mit Popcorn statt Öl trainiert
Natürlich wird nicht mit richtigem Öl trainiert. Stattdessen wird Popcorn verwendet, das wie Öl auf dem Wasser schwimmt und sich ähnlich ausbreitet. Händeweise wird es vom havarierten Boot über Bord geschmissen, während die Ölwehr noch mit der Sperre kämpft. "Kein Problem", sagt Asmus Plötz, der die Übung genau beobachtet, "das sammeln wir dann dort ein, wo es angeschwemmt wird. Hauptsache, dass alle ruhig bleiben und weitermachen."
Am Ende ist das Tau ersetzt, die Ölsperre zieht sich um das Schiff zu und wird an den großen Dalben des Fähranlegers befestigt, während weiter hinten das Popcorn von der Elbe gesaugt wird. "Ich denke", sagt Jörg Brokmann, "wir konnten heute viel lernen."
