#Hyggepost aus Dänemark: Badet euch glücklich!
Unsere Kolumistin Simone Mischke lebt in Dänemark und schreibt über ihren Alltag, zu dem auch der tägliche Sprung ins kalte Wasser gehört. In Dänemark läuft in der Freiluftsaison einiges anders, findet sie - und verbindet das mit zwei Eigenschaften.
"Na, geht ihr schon wieder schwimmen morgens?", fragt mein Nachbar. Der Mann namens Ove. Und wie "warm" das Wasser denn um diese Jahreszeit sei, will er wissen. Offen gestanden: Es ist, mit Verlaub, arschkalt. Mit viel Wohlwollen im unteren Bereich zweistellig. Ove schüttelt sich. "Ich bin nicht befreundet mit kaltem Wasser", sagt er.
Kaltes Wasser macht wach - und glücklich
Eigentlich läute ich die Badesaison am 1. Januar ein. Darauf verzichte ich nur, wenn mal wieder der Wind durch die Badebucht fegt. Im Winter nass aus dem Wasser zu kommen und dann im Wind zu stehen, ist wirklich kein Highlight. Zwar ist Eis- und Kaltbaden noch wenig erforscht: Es gibt aber kleinere Studien, die positive Wirkungen auf das Immunsystem, Herz-Kreislauf-System und auch auf die Psyche nahelegen. Fakt ist: Krank bin ich selten. Das Bad am Morgen hat für mich eine besondere Bedeutung. Es macht wach. Es macht glücklich. Es erdet. Es ist ein ruhiger Start, bevor der hektische Arbeitstag beginnt. Und morgens mit einem dampfenden Kaffee in der Hand aufwärmen, noch eine Weile am Strand sitzen, den Möwen zuhören und vielleicht einen Schweinswal sehen: unbezahlbar.
Winterbaden - weil sie es können
An einem kleinen, feinen Strand einen Ort weiter treffe ich, seit ich in Dänemark wohne, auf eine Gruppe Schwimmer, die das ganze Jahr über im Wasser sind. Mit dem Winterbaden haben die allermeisten erst angefangen, als sie schon in Rente waren, hat mir eine der Damen mal erzählt. Sonst müsste man ja vor der Arbeit im Dunklen ins Wasser. Sie treffen sich jeden Tag: Haben sich immer was zu erzählen. Gehen gemeinsam Baden. Wenn einer Geburtstag hat, dekorieren sie den Holztisch am Strand mit kleinen Dannebrogs und singen. Sie genießen den Strand und das Leben. Was für ein Start in den Tag!
Kein Müll am Strand - Selbst ist der Schwimmer
Was mir von Anfang an noch aufgefallen ist: Die kleine Badebucht ist erstaunlich sauber. Selbst in der Hochsaison. Kein Müll am Strand oder zerbrochene Flaschen. Blöde Ausnahmen gibt es natürlich immer mal. Hier wollen offenbar einfach alle eine gute Zeit haben. Teenager, Rentner, Familien, Menschen, die einfach mal für sich und mit der Natur sein wollen. Sicher haben auch die Winterbader, die inzwischen einen Verein gegründet und sich eine Sauna an den Strand gestellt haben, einen erheblichen Anteil daran, wie es hier aussieht. Den Badesteg bauen sie im Frühjahr eigenständig auf und im Herbst wieder ab. Die Kommune lässt sie gewähren: Leert lediglich morgens die Mülltonnen und mäht regelmäßig den Rasen. Steg saubermachen in der Saison, lose Bretter festschrauben, wegwerfen, was irgendein Spinner achtlos liegengelassen hat, das machen die Winterbader alles selbst.
Toll, ein anderer macht's?!
So sauber und ordentlich der Strand ist, ist auch der an den Strand angrenzende Grillplatz. Dort gibt es eine Feuerstelle und Holz, Tische, Bänke und eine überdachte Hütte. Jeder, der möchte, kann den Grillplatz nutzen. Brennholz für die Feuerstelle liegt bereit. Gerade im Sommer ist hier ordentlich was los. Unterschiedlichste Gruppen genießen einfach den Tag und die Möglichkeit, es sich ohne großen Aufwand hyggelig zu machen. Mein Eindruck ist auch, dass man Rücksicht aufeinander nimmt, nicht aus jedem Ghettoblaster in ohrenbetäubender Lautstärke ein anderes Musikgenre dröhnt. Es scheint auch hier ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass jeder seinen Müll mitnimmt und den Platz so hinterlässt, wie er ihn vorgefunden hat. Toll! Das kenne ich von anderen Stränden oder Grillplätzen auf der anderen Seite der Grenze leider anders.
Warum das alles offenbar in Dänemark besser funktioniert als anderswo? Eigeninitiative und Eigenverantwortung sind aus meiner Sicht die Attribute, die das möglich machen. Nicht darauf setzen, dass einem die Mitarbeiter der Stadt schon den Müll hinterherräumen oder die Kommune ja mal auf die Idee kommen könnte, den Winterbadern eine Sauna hinzustellen. Das nehmen sie hier einfach selbst in Hand. Vielleicht sollte ich auch in den Verein der Winterbader eintreten. Diese Initiative verdient jede Unterstützung. Und da das Wasser hier in Dänemark erfahrungsgemäß sehr lange arschkalt ist, hat ein Aufwärmen in der Sauna danach durchaus was für sich.
