Der Angeklagte und sein Anwalt Michael Gubitz unterhalten sich vor dem Beginn des Prozesstages in einer Außenstelle des Lübecker Landgerichts. © dpa Foto: Christian Charisius

Prozess um Geheimnisverrat bei Polizei auf der Zielgeraden

Stand: 08.08.2022 17:00 Uhr

Am Lübecker Landgericht ist der Prozess gegen den ehemaligen Polizeigewerkschafter Thomas Nommensen fortgesetzt worden. Mehrere Zeugen wurden angehört, darunter der Ex-Chefredakteur der Kieler Nachrichten (KN). Die Kieler Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, in 16 Fällen Dienstgeheimnisse an einen Reporter der Zeitung weitergegeben zu haben.

von Hauke Bülow

Der "Fall Nommensen" war im Sommer 2019 ins Rollen gekommen. Damals waren interne Informationen zu einem Einsatz während der Geiselnahme in der Lübecker JVA an die Öffentlichkeit gelangt. Die Interna stammten offensichtlich aus dem Einsatzprotokollierungssystem, erklärte der für die internen Ermittlungen bei der Polizei zuständige Beamte im Zeugenstand. Aber auch weitere Informationen zu Einsätzen und Polizeiinterna seien in dieser Zeit häufiger in der Zeitung aufgetaucht. Der Angeklagte sei der einzige fragliche Beamte gewesen, der zu allen Informationen Zugang hatte, so der Ermittler.

Auch der ehemalige Chef des Polizeireporters wurde vernommen. Der Ex-Chefredakteur der KN machte deutlich, dass das sogenannte Zwei-Quellen-Prinzip ein journalistischer Standard sei, an den sich auch die Journalisten der Zeitung hielten. Allerdings werde das Prinzip nicht kontrolliert. Nicht jedem Journalisten werde auf die Finger geschaut, so der 62-Jährige. Auch bei den investigativen Recherchen seines Reporters habe die Zeitung grundsätzlich versucht, eine offizielle Bestätigung der Polizei zu bekommen. Wenn das nicht gelungen sei, die Redaktion die Informationen allerdings als authentisch eingestuft habe, seien die Artikel auch veröffentlicht worden. Zu den konkreten Vorwürfen gegen den Angeklagten äußerte sich der ehemalige Chefredakteur nicht. Der Quellenschutz sei sehr wichtig: "Wir haben den Informanten nicht preisgegeben".

Polizistin spricht von psychischen Belastungen

Bereits am Vormittag war eine leitende Polizistin als Zeugin befragt worden. Sie gab an, dass die Weitergabe der Informationen zu psychischen Belastungen bei ihr geführt habe. Sie habe den Eindruck gehabt, durch die Veröffentlichungen habe ihre Ernennung zur Leiterin der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung (PDAFP) verhindert werden sollen. Weiter berichtete sie über zwei Fälle, in denen intern gegen Polizeianwärter ermittelt worden war. Dabei sei auffällig gewesen, dass die Berichte des Reporters fast wortwörtlich mit den dienstlichen Verfügungen übereingestimmt hätten.

Vorwürfe eingeräumt

Bereits Ende Juni hatte der Angeklagte ein Geständnis abgelegt. Er erklärte, zu weit gegangen zu sein. Nommensen wollte nach eigenen Angaben Missstände in der Polizeiführung öffentlich machen. Die Führung der Landespolizei habe ihn verzweifeln lassen. "Dennoch war es aus heutiger Sicht falsch, vertrauliche Informationen an ihn weiterzugeben", sagte er. Er bereue das aufrichtig.

Angeklagter und Reporter waren Freunde

Nommensen und der Journalist hatten sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft vor fünf Jahren kennengelernt und Freundschaft geschlossen. Der Polizist soll dann als Mitglied des Hauptpersonalrats der Landespolizei und Verantwortlicher einer Polizeigewerkschaft als "externer Rechercheur" für den Zeitungsjournalisten fungiert haben. Der 54-Jährige ist aktuell vom Polizeidienst suspendiert. Sollte er vom Gericht zu mehr als einem Jahr Haftstrafe verurteilt werden, droht er auch seinen Beamtenstatus und seine Pensionsansprüche zu verlieren. In der kommenden Woche wird die Verhandlung fortgesetzt. Weitere Zeugen sollen nicht mehr vernommen werden.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 08.08.2022 | 17:00 Uhr

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