Zug auf Bahnstrecke an Naturschutzgebiet © NDR Foto: Nais Marie Baier

Kein Empfang: Funklöcher bei Zugfahrten und vollen Stränden

Stand: 05.08.2022 05:00 Uhr

Das Video stockt, das Gespräch bricht ab - kein Empfang. Auch wenn es in Schleswig-Holstein fast überall eine Netzabdeckung gibt, in Urlaubsorten oder auf Zugfahren hat man trotzdem öfter keine Verbindung.

von Naïs Baier und Hauke Bülow

Etwa 500.000 Menschen aus Schleswig-Holstein pendeln regelmäßig zur Arbeit, teilweise mit dem Zug. Die Fahrzeit auch als Arbeitszeit nutzen, das gelingt nicht immer. "Regionalverkehr ist die Hölle", erzählt Maik Becker. "Richtig störend ist es, wenn man wegen der Arbeit unterwegs ist, aber nicht arbeiten kann, weil kein Netz da ist." Die Studentin Maite Jens pendelt zwischen Neumünster und Elmshorn und ergänzt: "Vor allem ist es nervig, wenn die Bahn stehen bleibt und dann hat man auch noch keinen Handyempfang. Man hat nicht mal die Möglichkeit zu schauen, wie man sonst ans Ziel kommt."

Technische Hürden für gute Netzabdeckung

Funklöcher auf Zugstrecken können mehrere Gründe haben: In Naturschutzgebieten dürfen keine Antennenstationen aufgestellt werden, einige Bahnstrecken führen aber hier hindurch oder entlang. In der Nähe von Bahnhöfen stehen zwar oft Stationen, dürfen aber nicht immer voll aufgedreht werden, denn: Die Frequenzen des Mobilfunks überlagern sich teilweise mit dem Funk der Bahn - und aus Sicherheitsgründen geht der Bahnfunk vor. Ein weiteres technisches Problem sind die Hüllen der Züge. Oder wie Tobias Krzossa, Pressesprecher des Mobilfunkanbieters Vodafone, es formuliert: "Nicht alles, was draußen ist, kommt rein." Gerade bei ICE-Zügen blocken die Fenster, die mit einer wärmeisolierenden Metallschicht bedampft wurden, den Großteil der Signale ab.

Bahn und Mobilfunkanbieter müssen Lücken gemeinsam schließen

Damit Reisende in Zukunft lückenlosen Empfang im Zug haben, müssen Mobilfunkanbieter und Bahnunternehmen zusammenarbeiten. Mögliche Lösungen für die technischen Probleme: neue Züge mit durchlässigeren Scheiben. Oder bessere Signalverstärker, die die Reichweite im Zuginnenraum vergrößern. Zum anderen können für den Bahnfunk neuen Endgeräten angeschafft werden, die andere Frequenzen nutzen. Damit kommen sie dem Mobilfunk nicht mehr in die Quere. Aber bis das Standard ist, dauert es noch. "Es ist so ein bisschen Hase-und-Igel-Prinzip: Sie versuchen immer hinterherzukommen und Infrastrukturaufbau dauert immer lange", erklärt Johannes Lüneberg, Geschäftsführer des Breitband-Kompetenzzentrums Schleswig-Holstein.

Züge jahrzehntelang im Einsatz

"Ein Zug geht nicht nach ein, zwei Jahren zurück und es kommt ein neuer, sondern er hat eine lange Lebensdauer. Und Züge können nicht einfach von heute auf morgen aus dem Verkehr gezogen werden, sondern das muss nach und nach bei Routinewartungen gemacht werden." Mit seinem Team im Breitbandkompetenzzentrum unterstützt Johannes Lüneberg seit 2019 auch den Ausbau des Mobilfunknetzes in Schleswig-Holstein. Bis spätestens 2026 - so lautet die Vereinbarung der Deutschen Bahn mit den Mobilfunkanbietern Telekom und Vodafone - sollen alle Funklöcher auf Zugstrecken gestopft sein. Laut Johannes Lüneberg ist auch der jetzige Stand zufriedenstellend: Nur jeder 80. Kilometer sei nicht mit schnellem Mobilfunk versorgt, im bundesweiten Vergleich schneidet Schleswig-Holstein damit noch gut ab.

Netzüberlastung in vollen Zügen

Doch selbst auf Bahnstrecken, die heute schon abgedeckt sind, können Reisende Empfangsprobleme bekommen. Das kann vom Handyvertrag abhängen, denn je nach Anbieter unterscheidet sich die Signalstärke. Und wenn es zuviel Mitreisende gibt, entstehen auch Probleme. "Es bewegt sich eine dreistellige Anzahl von Personen in einem faradayschen Käfig", so Johannes Lüneberg. "Da kann es natürlich schon sein, dass das Mobilfunknetz der einzelnen User abreißt. Wenn von den hundert Personen vierzig irgendeine App nutzen und zehn telefonieren, dann teilen die sich ja alle die Leistungen der Mobilfunkzelle ihres Netzbetreibers." Diese Erfahrung musste auch schon Philip Lähndorf machen: "Ich habe fast bei jeder Fahrt Probleme: Wenn der Zug voll ist, wird es schwierig etwas zu empfangen. Wenn es kein WLAN in dem Zug gibt, hat man keine Chance."

Kein Netz in Tourismus-Hotspots

Parkplatz mit Blick auf einen Funkmast in Scharbeutz © NDR Foto: Hauke Bülow
Direkt an einem Parkplatz in Scharbeutz steht zwar ein Funkmast. Am Strand reicht das Netz aber trotzdem oftmals nicht aus.

Die temporäre Überlastung einzelner Mobilfunkzellen ist eine technische Herausforderung für die Anbieter, auch in beliebten Urlaubsorten an den Küsten. Die Hitze der vergangenen Tagen hat tausende Tagestouristen, Urlauber und Einheimische an die Strände gelockt. Insbesondere im Zentrum von Scharbeutz waren viele Tagestouristen. Mal eben eine WhatsApp mit einem Bild vom Strand an die Freunde verschicken? Dafür brauchen die Strandbesucherinnen und Strandbesucher an solchen Tagen viel Geduld. "Man hat überhaupt kein Handynetz", weiß Wolfgang Reuß zu berichten. Der Hamburger ist für einen Tagesausflug an die Küste gekommen. "Das ist das Tal der Ahnungslosen hier", lacht er. Wobei ihm nach Lachen nicht zumute ist. "Das ist eine Katastrophe. In der heutigen Zeit habe ich da kein Verständnis für, schließlich bezahle ich ja auch dafür".

Netzanbieter wollen reagieren

Die Mobilfunkanbieter wissen von den Problemen. Vodafone-Sprecher Helge Buchheister erklärte auf unsere Anfrage, durch die höhere Nutzung in der Ferienzeit könnten die Datenraten tatsächlich schwanken. Speziell in den Sommerferien hatte Vodafone schon im vergangenen Jahr beim Datenverkehr einen Zuwachs von 40 Prozent an den Küsten festgestellt. Der Mobilfunkanbieter legt nun beim Netzausbau nach eigenen Angaben einen Schwerpunkt auf die Regionen, in denen Kunden besonders oft Urlaub machen. Bis Mitte 2023 soll z.B. in Scharbeutz LTE ausgebaut werden. Davon würden die Strandbesucher in Scharbeutz und Haffkrug profitieren.

Auch Stefanie Halle von der Deutschen Telekom bestätigt eine hohe Auslastung in den Ferienregionen, deshalb plane auch die Telekom eine weitere Netzverdichtung in Hot-Spot-Bereichen. An den Küsten gebe es allerdings auch Grenzen beim Ausbau, so die Telekom-Sprecherin, unter anderem wegen des berechtigten Natur- und Küstenschutz. In vielen Teilen könne deshalb nicht in unmittelbarer Nähe zum Strand gebaut werden.

Grundsätzlich raten sowohl Vodafone als auch die Telekom, LTE-fähige Handys zu nutzen. Denn ältere Modelle unterstützten nicht alle Frequenzbänder und Technologien wie zum Beispiel die Zusammenschaltung von Frequenzen oder 5G.  

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 05.08.2022 | 19:30 Uhr

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