Michael Kühn (l-r), Justitiar des NDR, Bettina Freitag, stellvertretende Direktorin des Landesfunkhauses Schleswig-Holstein, Laura Pooth, Vorsitzende des Landesrundfunkrat Schleswig-Holstein und Thomas Ritter, Pressesprecher des DGB Nord, nehmen an der Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses des schleswig-holsteinischen Landtags teil. © dpa bildfunk Foto: Axel Heimken

Experten prüfen Vorwürfe gegen den NDR in Kiel

Stand: 07.09.2022 21:02 Uhr

Wie werden die Vorwürfe gegen Führungskräfte im Landesfunkhaus Kiel aufgearbeitet? Das haben am Mittwoch die stellvertretende Landesfunkhauschefin und die Vorsitzende des Landesrundfunkrates in einer Ausschusssitzung im Landtag in Kiel erläutert. Ein internes NDR Journalisten-Team und ein externes Expertengremium sollen sich um die Aufarbeitung kümmern.

"Die Vorwürfe haben bei uns allen eine tiefe Krise ausgelöst. Wir sind besorgt, weil die Unabhängigkeit unserer Berichterstattung angezweifelt wird", sagte die stellvertretende NDR Landesfunkhauschefin, Bettina Freitag, vor dem Innen- und Rechtsausschuss in Kiel. Nun soll unter anderem ein internes Gremium von NDR Journalistinnen und Journalisten aus Niedersachsen und Hamburg klären, was genau in Kiel vorgefallen ist und was sich ändern muss. Die Federführung liege explizit nicht am NDR Standort Schleswig-Holstein, so Freitag,

Was wird den Kieler Führungskräften vorgeworfen?

Das Online-Medium "Business Insider" und danach der "Stern" hatten über die Vorwürfe berichtet, dass es unter anderem bei der Politik-Berichterstattung im Kieler Landesfunkhaus eine Art "politischen Filter" durch die Vorgesetzten geben könnte. Dabei ging es beispielsweise um ein Interview, das ein NDR Journalist habe führen wollen, was seine Vorgesetzten aber abgelehnt hätten. Führungskräfte und Sender wiesen die Vorwürfe zurück.

Unabhängige Experten werden eingesetzt

Bettina Freitag (l.), stellvertretende Direktorin des Landesfunkhauses Schleswig-Holstein, und Laura Pooth, Vorsitzende des Landesrundfunkrat Schleswig-Holstein, nehmen an der Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses des schleswig-holsteinischen Landtags teil. © dpa bildfunk Foto: Axel Heimken
Bettina Freitag (l.), stellvertretende Direktorin des Landesfunkhauses Schleswig-Holstein, und Laura Pooth, Vorsitzende des Landesrundfunkrat Schleswig-Holstein, erläuterten im Ausschuss des Landtages ihre Strategie.

Auch der unabhängige Landesrundfunkrat befasst sich mit dem Fall. Sie sondiere für die geplante Überprüfung der Vorwürfe derzeit Experten, sagte die Vorsitzende des Gremiums, Laura Pooth, in der Sitzung. Es sei wichtig, eine umfassende Prüfung zu veranlassen. Man werde sich redaktionelle Abläufe anschauen. "Es geht darum zu prüfen, ob unabhängige Berichterstattung behindert oder gar verhindert wurde", sagte Pooth.

SPD-Fraktionsvorsitzender zeigt sich enttäuscht vom NDR

Kritik kam vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Losse-Müller. Er sagte, er sei enttäuscht und habe sich vom Norddeutschen Rundfunk mehr Selbstkritik gewünscht. Er habe den Eindruck, dass der Sender die Verantwortung auf einzelne Redaktionsmitglieder abwälze, anstatt die eigene Kultur und Strukturen zu hinterfragen.

FDP-Politiker Buchholz: "Es geht nur intern"

Bernd Buchholz von der FDP, der die Befragung im Ausschuss angestoßen hatte, sagte nach der Sitzung: "Inhaltlich sind wir noch nicht weiter, die Frage der politischen Einflussnahme oder nicht, ist nicht geklärt, aber der Prozess ist geklärt, in dem aufgearbeitet wird, und das finde ich in Ordnung." Er sei positiv überrascht, dass sich die Intendanz dem jetzt angenommen habe und es nicht beim Landesrundfunkrat belässt. "Es geht nur intern im NDR - und diese Aufarbeitung werden wir abwarten müssen."

Der innenpolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Jan Kürschner, sagte nach der Anhörung im Ausschuss: "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk spielt eine sehr bedeutsame Rolle für die Demokratie. Der NDR muss dieser Rolle gerecht werden. Er ist es seinen Zuschauer*innen jetzt schuldig, seine politische Unabhängigkeit nachzuweisen und konkrete Vorschläge für personelle und strukturelle Konsequenzen zu unterbreiten."

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Schleswig-Holstein Magazin | 07.09.2022 | 19:30 Uhr

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