Enigmas: Code geknackt, Rätsel ungelöst
Sieben Enigmas, die Taucher seit 2020 aus der Ostsee geborgen haben, sollen konserviert werden. Viele Rätsel um die Chiffriermaschinen sind dabei noch nicht gelöst.
"Wie langweilig. Das war mein erster Impuls, als ich davon erfahren habe, dass ich Enigmen konservieren soll. Aber dann habe ich mich mit der Geschichte und der Genialität dieser Maschinen auseinandergesetzt und dachte: Wahnsinn", erzählt die neue Restauratorin am Landesmuseum von Schloss Gottorf, Corinna Mayer, schmunzelnd.
Ihr erster Impuls ist längst der Faszination gewichen. Und der Neugierde, die letzten Geheimnisse rund um die Enigma - zu deutsch "Rätsel" - zu lüften. Um die Maschinen, mit denen die Nazis im Zweiten Weltkrieg unter anderem in ihren U-Booten verschlüsselte Funksprüche und Befehle übermittelten. Maschinen, die das Regime für absolut sicher hielt. Bis es dem britischen Mathematiker Alan Turing 1940 erstmals gelang, eine Enigma-Nachricht zu entschlüsseln - wobei er von der Vorarbeit polnischer Mathematik-Studenten profitierte, die sich bereits im Jahr 1929 mit der Dechiffrierung der Enigmas befasst hatten. Verschiedene Historiker sind sich darüber einig, dass durch die Entschlüsselung des Enigma-Codes der Krieg ein, zwei Jahre früher beendet war und so nicht noch mehr Menschen ums Leben kamen.
Viele Fragen sind noch offen
Jetzt liegen die Überreste der geschichtsträchtigen Maschinen in jeweils zwei Wannen auf Schloss Gottorf, die mit Leitungswasser gefüllt sind. "So wollen wir erst mal alles ausschwemmen, Sediment und eventuelle Schadstoffe. Anfangs war die Brühe rabenschwarz", erzählt Corinna Mayer. Der Fund der sieben Objekte hat viele Fragen aufgeworfen: "Warum sind die sechs Objekte, die zusammen in der Geltinger Bucht gefunden wurden, so unterschiedlich in ihrem Erhaltungszustand? Auf eine Maschine wurde offenbar eingeschlagen, während bei einer anderen sogar der Holzkasten noch erhalten ist. Warum ist das so?“
Noch zwei Monate vor dem Fund der sechs Enigmas fand der Unterwasserarchäologe Florian Huber in der Geltinger Bucht eine einzelne Enigma, verfangen in einem Geisternetz. Warum nur diese Eine an dieser Stelle? Fragen, auf die sich Corinna Mayer im Lauf der Arbeit an der Konservierung Antworten erhofft.
Konservierung wird komplex
Corinna Mayers Aufgabe ist ebenso komplex wie faszinierend: Sie soll die sieben Überreste der Enigmas konservieren, damit sie ausgestellt werden können. Allein: Wie konserviert man ein Objekt, das aus unterschiedlichen Materialien besteht? So sind beispielsweise im Inneren der Enigmas verbaute, filigrane Drähte aus Eisen und empfindlichem Kupfer. Die Tastatur besteht teils aus Glas, bei einigen Maschinen aus Plastik, das Gehäuse wiederum aus Holz. Materialien, die ganz unterschiedlich reagieren.
"Das Ziel ist ja die Konservierung - dafür müssen wir die Objekte trocken kriegen. Für Holz benötigen wir ein Tränkungsmittel - das Mittel greift aber Eisen an. Das ist nur ein Beispiel. Diese Grundproblematik haben wir für den ganzen Prozess", erklärt die Restauratorin. Die Objekte zu konservieren wird auch "learning by doing" sein, sagt sie. Und das vor den Augen der ganzen Welt. Angst, etwas falsch zu machen, hat die Wissenschaftlerin aber nicht. "Respekt, klar, den hatte ich anfangs schon. Immerhin ist das Interesse an den Enigmas und ihrer Geschichte weltweit groß. Aber man muss ja auch mal anfangen. Und das heißt im ersten Schritt, die Objekte trocken zu kriegen."
Konservieren, nicht restaurieren
Das Ziel des Landesmuseums: Die Überreste der Enigmas auszustellen. Aufgearbeitet und hübsch gemacht werden die Objekte aber nicht. "Man darf sich nicht vorstellen, dass das irgendwann wieder funktionsfähige Maschinen werden. Oder dass sie schön anzuschauen sind. Wir wollen diese Objekte so zeigen, wie sie gefunden wurden." Mit korrodiertem, zusammengepapptem Eisen, mit aufgequollenem Plastik. So, wie die Ostsee sie nach fast 80 Jahren auf dem Meeresboden preisgegeben hat. Wie lange der Konservierungsprozess dauern wird, ist momentan völlig unklar, sagt Corinna Mayer.
Die Enigmas stecken noch immer voller Rätsel
Jetzt sollen die Objekte erst mal zu einer CT-Untersuchung nach Lübeck. Vom Blick in ihr Innerstes erhofft sich Corinna Mayer auch, Seriennummern zu finden. "Dann könnten wir die Enigmas vielleicht einem U-Boot zuordnen. Auch Herstellungs- oder Nutzungsspuren können hilfreich sein." So könne man etwa herausfinden, ob es sich bei den Enigmas um den Typ M3 oder M4 handele, der in den U-Booten zum Einsatz kam, oder um andere Maschinen, wie sie etwa die Reichsbahn oder die Geheimdienste einsetzten. Der Code der Enigma ist zwar geknackt. Doch viele Rätsel rund um die Chiffriermaschinen sind noch immer ungelöst.
