Buddeln gegen Kirschen: Wie Naturschützer die Dünen retten

Stand: 22.11.2022 05:00 Uhr

Wenn Naturfreunde mit der Schaufel zu Werke gehen, denkt man eher ans Pflanzen als ans Ausrotten. Doch in Sankt Peter-Ording haben Freiwillige einem Gehölz den Kampf angesagt.

von Jörn Zahlmann

Die spätblühende Traubenkirsche ist zäh. Um das Wurzelwerk eines solchen Exemplars herum versammeln sich an diesem November-Sonnabend in Sankt Peter-Ording (Kreis Nordfriesland) eine Handvoll Menschen. Es sind Kinder und Erwachsene, Einheimische und Touristen. Alle tragen Arbeitskleidung. Sie beratschlagen, wie die Pflanze am geschicktesten aus dem Erdreich zu entfernen ist. "Das ist viel Fleißarbeit, eine Maschine kann das nicht", sagt Dr. Annkatrin Weber. Sie arbeitet im Wattenmeerbüro der Umweltschutzorganisation World Wide Fund For Nature (WWF) und erklärt, dass schon kleine Triebe der Pflanze ein "kolossales Wurzelwerk" besitzen. Dann ein beherzter Spatenstich, ein ruckartiges Reißen und raus ist die Traubenkirsche. Nur: Wozu die ganze Schufterei?

Sensibler Lebensraum Düne

"Die Düne ist ein sehr seltener Lebensraum", sagt Sabine Gettner von der Schutzstation Wattenmeer in Sankt Peter-Ording. "Er ist offen, dynamisch und vom Wind geprägt, der den Sand hin und her trägt. Sobald die spätblühende Traubenkirsche dort wächst, gibt es keine Dynamik mehr. Die Tiere, die an losen Sand angepasst sind, verschwinden dann." Denn Dünenlebewesen sind auf offene Sandflächen und wenig Schatten angewiesen. Zu diesen Lebewesen zählen beispielsweise die stark gefährdete Kreuzkröte oder seltene Insekten. Für Vogelarten wie die Brandgans bedeutet die Ausbreitung der Pflanze, dass die Tiere weniger Brutplätze finden.

Warum die Traubenkirsche eine invasive Art ist

Die Traubenkirsche gilt als invasive und sehr schnell wachsende Art. Das heißt, dass sie ihre Umgebung übervölkert und ihr damit schadet. "Die spätblühende Traubenkirsche ist eigentlich eine nordamerikanische Art. In Europa wurde sie im Gartenbau eingesetzt. Das Problem ist, dass sie leider nicht im Garten geblieben ist", erklärt Weber. Die Pflanze ist zwischen Strauch und Baum einzuordnen, kann hierzulande bis zu 20 Meter hoch wachsen und bis zu 200 Jahre alt werden. Ihre Früchte sind essbar.

Für mehr Lebensraum an der "Sandküste"

Um dieser Ausbreitung Einhalt zu gebieten, organisiert das Projektteam von "Sandküste Sankt Peter-Ording" Aktionstage zur Bekämpfung der Pflanze. Zur "Großen Dünenpflegeaktion" trafen sich rund 20 Menschen, um drei Stunden lang Wurzelwerk auszugraben. Insgesamt 100 bis 150 Quadratmeter Dünenlebensraum befreiten sie von dem Gehölz und seinen Wurzeln.

Der Natur etwas zurückgeben

Für das Projekt "Sandküste Sankt Peter-Ording" schlossen sich unter anderem der WWF, der Deich- und Hauptsielverband Eiderstedt sowie die Schutzstation Wattenmeer zusammen. Seit dem vergangenen Jahr veranstaltet die Initiative einmal im Monat Aktionstage. Trotz der harten Arbeit kämen die Helfer gerne, sagt Annkatrin Weber. "Die Menschen genießen Sankt Peter-Ording als einzigartigen Erholungsort an der Küste. Sie freuen sich über die Möglichkeit, der Natur etwas zurückgeben zu können."

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Schleswig-Holstein Magazin | 21.11.2022 | 19:30 Uhr

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