Stand: 21.01.2013 11:10 Uhr

Erst seit kurz vor Mitternacht wird gefeiert

von Heiko Block, NDR.de

"Ab jetzt machen wir nur noch eines: feiern, feiern, feiern": Als Spitzenkandidat Stephan Weil gegen 23.30 Uhr die Bühne der SPD-Wahlparty entert, ist es mit seiner Zurückhaltung vorbei. Vor seinen lautstark feiernden Anhängern setzt der Fan von Hannover 96 zur "La Ola" an. "Es ist ein guter Sonntag für Niedersachsen. Ich freue mich auf fünf Jahre mit Rot-Grün", sagt der 54-Jährige unter ohrenbetäubendem Jubel. Auf der Zielgeraden hat er es doch noch geschafft. Er hat seinem CDU-Konkurrenten David McAllister den Posten des Ministerpräsidenten weggeschnappt.

Es ist der emotionale Höhepunkt eines nervenzerfetzenden und denkwürdigen Wahlabends in Hannover - mit einem wahren Wechselbad der Gefühle. SPD und Grüne hatten bereits wie die knappen Verlierer des Abends ausgesehen, doch am Ende können sie durchatmen und feiern. "Es ist unglaublich. Ich weiß gar nicht: Ist das jetzt Wirklichkeit oder träume ich das nur?", sagt der stellvertretende Landesvorsitzende Olaf Lies. "Das ist ein unglaubliches Gefühl", meint der 45-Jährige.

Immer wieder wechseln an diesem Abend in den Hochrechnungen die Mehrheitsverhältnisse im Landtag. Als Schwarz-Gelb am späten Abend knapp vorn liegt, kommt McAllister zur CDU-Wahlparty und wird von Dirk Toepffer, Chef des CDU-Kreisverbandes Hannover-Stadt, als "neuer und alter Ministerpräsident" vorgestellt. Und der 42-Jährige verkündet vor seinen Anhängern: "Die CDU in Niedersachsen ist die Superpartei. Wir sind klar stärkste Kraft. Ich bin mir sehr sicher, dass wir am Ende die Nase in diesem spannenden Rennen vorne haben werden." Dochdie CDU ist etwas voreilig, wie sich kurz vor Mitternacht herausstellt.

Das vorläufige amtliche Endergebnis wird gegen 23.40 Uhr verkündet. Die CDU ist mit 36,0 Prozent die stärkste Kraft geworden, die FDP hat es zwar mit 9,9 Prozent locker in den Landtag geschafft - trotzdem kann das schwarz-gelbe Lager nicht erneut die Regierung stellen. Rot-Grün hat im neuen Landtag einen Sitz mehr. Die SPD kommt auf 32,6 Prozent, die Grünen erreichen 13,7 Prozent. Sowohl Die Linke als auch die Piraten schaffen es nicht über die Fünf-Prozent-Hürde.

CDU gibt Leihstimmen an die FDP

Nach der Ergebnis-Verkündung verlässt McAllister im Eilschritt die Wahlparty. Tief sitzt die Enttäuschung beim Wahl-Verlierer. Die CDU büßt gegenüber 2008 sechs Prozentpunkte ein, es war die erste Wahl, der sich McAllister, der das Amt von Christian Wulff übernommen hatte, stellen musste. Dennoch lobt der CDU-Spitzenkandidat seine Parteifreunde. Man sei geschlossen und entschlossen wie nie in den Wahlkampf gegangen. Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) geht davon aus, dass die FDP Leihstimmen von CDU-Wählern bekommen hat: "Viele wollten ganz sichergehen, dass David McAllister weiter Ministerpräsident bleibt." Man könne sich ausmalen, wie sich die fünf Prozent aus den letzten Umfragen verschoben hätten. Innenminister Uwe Schünemann (CDU) weist ebenfalls auf die Zweitstimmenkampagne der FDP hin: "Auch potenzielle CDU-Wähler haben sich wohl überlegt, die FDP zu unterstützen."

FDP: Zwischen Jubel und Frust

Als am Sonntag um 18 Uhr die Prognose veröffentlicht wird, ist der Jubel bei der FDP-Wahlparty in Hannover besonders groß. Es herrscht fast Karnevalsstimmung, die Anhänger machen Freudensprünge. Die Partei lag in den letzten Umfragen schließlich immer unter oder nur knapp über der Fünf-Prozent-Hürde, etwa 10 Prozent sind daher für die Liberalen ein überragend gutes Ergebnis. "Niedersachsen ist Rösler-Land" heißt es denn auch, und es gibt Danksagungen an CDU-Anhänger, die vermutlich Stimmen an die FDP abtraten. Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) betont in einer ersten Reaktion, dass man gemeinsam mit der CDU angetreten sei. "Das klare Signal des heutigen Abends ist: Die erfolgreiche Regierungskoalition soll fortgesetzt werden", so Bode. Christian Dürr, Fraktionsvorsitzender der FDP sagt: "Wir freuen uns über das Ergebnis. Ich bin ganz zuversichtlich." Doch am Ende herrscht dann doch Frust bei den Liberalen - trotz des Sensationserfolgs bleibt nur die Opposition.

Grünen verdoppeln ihr Ergebnis

Die Grünen wissen lange Zeit nicht, ob sie sich über das Rekordergebnis freuen dürfen. Ähnlich wie bei der SPD knallen dann aber auch bei den Grünen nach langer Ungewissheit die Sektkorken. Sie können zusammen mit den Sozialdemokraten regieren. Die Spitzenkandidaten Anja Piel und Stefan Wenzel hoffen auf ein positives Signal für die Bundestagswahl im Herbst. "Wenn die Kanzlerin auf Bundesebene ähnlich schwere Verluste einfahren würde wie hier, wenn die Grünen in Berlin auf ähnlicher Linie zulegen können, dann wird es für die Kanzlerin in Berlin sehr eng", so Wenzel. Die FDP sei eine "eine aufgeblasene Partei", "die wie ein Luftballon dahinfährt".

Enttäuschung bei Linken und Piraten

Lange Gesichter gibt es sowohl bei den Linken als auch bei den Piraten. Schafften die Linken 2008 noch 7,1 Prozent, schicken sie keine Vertreter mehr in den neuen Landtag, sie kommen auf 3,1 Prozent und halbieren ihr Ergebnis. "Die Zuspitzung auf die Frage 'Gewinnt Rot-Grün oder Schwarz-Gelb?' hat dazu geführt, dass Sympathisanten der Linke gesagt haben, dass eine Stimme für die Linke eine verschenkte ist", erklärt Spitzenkandidatin Ursula Weisser-Rölle. Große Enttäuschung auch bei den Piraten, die zuletzt bei den Wahlen in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Berlin in die Parlamente eingezogen sind. 2,1 Prozent sind für die Politneulinge daher ein sehr bitteres Ergebnis. Der Spitzenkandidat der Piratenpartei in Niedersachsen, Meinhart Ramaswamy, sagte frustriert: "Das ist so viel weniger als das, was ich erwartet habe."

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 21.01.2013 | 08:00 Uhr

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