SPD stärkste Kraft - Rot-Grün verfehlt Mehrheit
Niedersachsen hat gewählt, das vorläufige amtliche Endergebnis der Landtagswahl steht fest. Die SPD ist stärkste Kraft im Land geworden, braucht aber einen beziehungsweise mehrere Regierungspartner. Im neuen Landtag, der durch Überhang- und Ausgleichsmandate auf 137 Sitze kommt, erreicht Rot-Grün lediglich 67 Sitze - und hat damit zwei zu wenig für eine Regierungsmehrheit.
SPD gewinnt dazu, CDU verliert
Die Sozialdemokraten unter Ministerpräsident Stephan Weil kommen im vorläufigen amtlichen Endergebnis auf 36,9 Prozent. Im Vergleich zur Landtagswahl 2013 hat die SPD mit 4,3 Prozentpunkten deutlich dazugewonnen und ist erstmals seit knapp 20 Jahren wieder die stärkste Partei im Land. Für die CDU haben 33,6 Prozent der Wähler gestimmt (2,4 Prozentpunkte weniger als 2013). Die CDU erzielt damit das schlechteste Ergebnis seit 1959 und ist erstmals seit 1998 nicht mehr stärkste Kraft. Auf Platz drei landet Bündnis 90/Die Grünen. Der bisherige Regierungspartner der SPD hat deutlich an Stimmen verloren: Mit 8,7 Prozent verzeichnen die Grünen ein Minus von 5,0 Prozentpunkten gegenüber 2013. Dahinter folgt die FDP mit 7,5 Prozent der Stimmen (2,4 Prozentpunkte weniger als 2013). Die AfD zieht erstmals in den Landtag ein, sie kommt auf 6,2 Prozent. Die Linke schafft den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde wieder nicht: Mit 4,6 Prozent der Stimmen (plus 1,5 Prozentpunkte gegenüber 2013) verpasst sie erneut den Wiedereinzug in den Landtag.
Hoffen und Bangen bei Rot-Grün
Der Wahlabend war, wie es in Niedersachsen allmählich schon Tradition hat, ein wahrer Krimi: Zwischenzeitlich sah es so aus, als hätte Rot-Grün es überraschend geschafft und eine knappe Mehrheit von einem Sitz erreicht. Doch nach den folgenden Hochrechnungen kam in den Parteien eine gewisse Ernüchterung auf: SPD und Grünen fehlte zuerst ein Sitz zur Mehrheit, dann fehlten zwei. Mit dem vorläufigen amtlichen Endergebnis war dann klar: Es wird nichts mit der von Rot-Grün erhofften Fortsetzung. Damit steht auch fest, dass die Koalitionsgespräche so kompliziert werden wie vor der Wahl befürchtet.
Regierungsbildung: Höchst problematisch
Die Sitzverteilung im neuen Landtag sieht folgendermaßen aus: Die SPD kommt auf 55 Sitze (plus 6), dahinter folgt die CDU mit 50 Sitzen (minus 4). Die Grünen besetzen im neuen Parlament 12 Plätze (minus 8). Die FDP folgt mit 11 Mandaten (minus 3). Neu im Niedersächsischen Landtag ist die AfD mit 9 Sitzen.
Rein rechnerisch gibt es drei Möglichkeiten: eine Große Koalition, ein Jamaika-Bündnis mit CDU, FDP und Grünen sowie eine Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen. Was politisch machbar ist, ist eine andere Frage. Will die SPD als stärkste Kraft die Regierung führen, müsste sie entweder eine Große Koalition eingehen oder aber ein Ampel-Bündnis - was die FDP allerdings bereits ausgeschlossen hat. Bliebe das schwarz-gelb-grüne Jamaika-Bündnis - bei dem die SPD trotz ihres guten Wahlergebnisses in die Opposition ziehen müsste.
Bei der SPD wird erst mal gefeiert
Der amtierende SPD-Ministerpräsident Stephan Weil ließ sich am Sonntagabend aber erst einmal von seinen Anhängern feiern. "Das ist ein ganz großer Abend für die SPD", sagte er. Zur verpassten Fortsetzung von Rot-Grün äußerte sich Weil zunächst nicht - bereits vor der Verkündung des amtlichen Endergebnisses hatte er die Wahlparty seiner Partei verlassen. Die Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im Niedersächsischen Landtag, Johanne Modder, zeigte sich überglücklich über den Erfolg der SPD. "Das haben wir so nicht erwartet", sagte Modder. In Sachen Koalitionsverhandlungen werde die SPD "nun alle einladen - außer der AfD" und dann Sondierungsgespräche führen.
Althusmann: Ball liegt "im Feld der SPD"
Die Christdemokraten feierten ihren Spitzenkandidaten Bernd Althusmann nach Bekanntgabe der ersten Zahlen mit Sprechchören, obwohl es mit dem Wahlsieg nicht geklappt hat. "Ich hätte mir persönlich ein besseres Ergebnis für die christlich-demokratische Union gewünscht", sagte Althusmann. Eine Regierungsbeteiligung schloss er nicht aus: "Wir werden uns einer politischen Verantwortung nicht entziehen." Er habe sich jedoch "mehr Rückenwind" aus Berlin gewünscht. An mangelndem Einsatz seinerseits habe das Wahlergebnis nicht gelegen. Der Ball liege jetzt "im Feld der SPD". Er sei "sehr gelassen und sehr gespannt, was die nächsten Tage bringen", so Althusmann. Der Spitzenkandidat strebt jetzt eine neue Aufgabe an: Er habe mit dem bisherigen Fraktionsvorsitzenden Björn Thümler gesprochen und "ihm gesagt, dass ich als Parteivorsitzender den Fraktionsvorsitz übernehmen werde", erklärte Althusmann.
AfD hatte mit mehr gerechnet
Was alle Parteien im Landtag ausgeschlossen haben, ist eine Zusammenarbeit mit der AfD. Deren Spitzenkandidatin Dana Guth hatte vor der Wahl auch bereits klargestellt, dass ihre Partei sich in der Opposition sehe. Das Ergebnis dürfte dennoch für Enttäuschung gesorgt haben. 12,6 Prozent gab es vor wenigen Wochen bei der Bundestagswahl - in Niedersachsen nun mit 6,2 Prozent weniger als die Hälfte. Der umstrittene Landesvorsitzende Armin-Paul Hampel rief seine Partei zur Geschlossenheit auf. "Wir müssen uns jetzt endlich wieder an Inhalten messen lassen, nicht an Intrigen und Personalfragen", sagte er. Das schlechte Ergebnis sei auch auf die Streitigkeiten innerhalb der Partei zurückzuführen. Hampel hatte sich zuletzt öffentlich eher negativ über Spitzenkandidatin Guth geäußert. Neben diesem Streit sei auch der Austritt der ehemaligen Bundesvorsitzenden Frauke Petry ausschlaggebend gewesen, glaubt er: Die Wähler fühlten sich "enttäuscht und missbraucht".
Wahlbeteiligung höher als 2013
Das erwartete enge Rennen hatte etwas mehr Menschen zur Abgabe ihrer Stimme bewegt als bei der letzten Landtagswahl: Die Wahlbeteiligung lag bei 63,1 Prozent. 2013 hatten 59,4 Prozent der Berechtigten gewählt.
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