Kickbox-Weltmeister Pascal Schroth: Harter Kämpfer und Familienmensch

Stand: 05.05.2025 10:49 Uhr

Kickbox-Champion Pascal Schroth aus Bremerhaven ließ die Tristesse seiner Jugend hinter sich und fand sein Glück in Thailand. Ein Genickbruch, den er denkbar knapp überlebte, änderte seine Sichtweise auf das Leben. Nach dem zehnten Titel hört "The German" nun auf.

von Andreas Bellinger

Pascal Schroth hat sich durchgeboxt - im wahrsten Sinne des Wortes. Gefangen in einem Leben, "das man nicht führen sollte", wie seine Mutter heute meint, kratzte er vor gut zehn Jahren den letzten Rest Erspartes zusammen, ließ seine triste Vergangenheit in Bremerhaven hinter sich und beschloss, in Thailand "ein Großer" in der Welt des Kickboxens zu werden.

"Ohne Rücksicht auf Verluste", wie der 31-Jährige dem NDR erzählt. Es war wohl der Mut der Verzweiflung, der ihn die Brücken hinter sich abreißen und selbst einen lebensgefährlichen Genickbruch überstehen ließ.

Mit Ehrgeiz und starkem Willen

"Ich habe Ehrgeiz gehabt, Hartnäckigkeit, Durchsetzungsvermögen und einen starken Willen." Dass er Profi im Kickboxen werden wollte, hatten seine Freunde und Trainingspartner damals in der "Fight-Fabrik", in der er jeden Tag boxte und wohl auch vor der Realität flüchtete, lachend und mit abfälligen Sprüchen quittiert. Wer interessierte sich schon für die Nischensportart Kickboxen?

In seiner neuen Heimat Bangkok aber ist der Thaiboxen genannte, harte und mitunter brutal anmutende Kampf mit Fäusten, Ellenbogen, Schienbeinen und Knien Volkssport Nummer eins.

Kampfsportakademie auf der Insel Ko Pha-ngan

Das "One-Way-Ticket" in eine neue Welt hat Schroth Glück gebracht. Voller Stolz blickt er auf das, was er geschafft hat: als zehnfacher Thaibox-Weltmeister und erster Deutscher, der den renommierten Kings Cup in Bangkok gewonnen hat, als liebevoller Vater und Ehemann und als Inhaber einer Kampfsportakademie. Er hat sie auf der Insel Ko Pha-ngan aufgebaut, zwischen Palmen, Schilf und hellblauem Meer, mehr als ein Fußballfeld groß mit Boxring, Yogastudio, Kältebecken und Gästebungalows.

Schroth: "Für was Größeres geschaffen"

Die Akademie liegt nur ein paar Autominuten entfernt von seinem gemütlichen Zuhause, das er nach der Corona-Pandemie für die Familie eingerichtet hat. Stück für Stück habe er sein Leben auf eine neue Stufe gehoben, sagt Schroth: "Ich war ein Kämpfer - alles andere habe ich erst sehr viel später in meinem Leben gelernt." Von Anfang an hingegen war sein Ego groß genug, um keine Zweifel an seinen ehrgeizigen Plänen aufkommen zu lassen: "Ich habe gefühlt, für was Größeres geschaffen zu sein. Dass ich zu viel Potenzial habe, um einfach ein Nullachtfünfzehn-Leben zu leben."

"The German": Ein letztes Mal im Ring

Langeweile ist jedenfalls nie aufgekommen bei Pascal Schroth und er hofft, dass das auch nach dem Ende seiner Profikarriere so bleibt. Ein letztes Mal kämpfte "The German" am 5. April 2025 in der Münchner Rudi-Sedlmayer-Sporthalle. Mit der weißen Maske, die er einst auf einem Markt in Thailand gekauft hat, und um die Schultern gewickelter Deutschland-Fahne stieg er, umjubelt von den rund 5.000 Zuschauern, in den Ring.

Der Kickboxer Pascal Schroth steht nach dem Kampf um die WKU-Weltmeisterschaft im Ring. © picture alliance/dpa | Felix Hörhager
Kickbox-Weltmeister Pascal Schroth nach seinem letzten Kampf in München.

Der Koffer für die Rückreise zur Familie stand schon gepackt in der Kabine, der verbale Schlagabtausch mit dem Österreicher Karl Proderutti war erledigt und die Marschroute vom Trainer vorgegeben: Noch ein letztes Mal sollte er den Beißer geben, der durchs Feuer geht - und nicht den lieben Papa.

Nach Genickbruch zwischen Leben und Tod

Das Sak-Yant-Tattoo auf seinem Nacken leuchtete im Scheinwerferlicht wie ein spirituelles Zeichen. Schroth hat es stechen lassen nach dem Drama im Oktober 2018, das fast seine junge Laufbahn und beinahe auch sein Leben beendet hätte. Die schreckliche Szene, die sich in einem Ring nordwestlich von Shanghai vor laufenden Kameras ereignete, ist kaum zu ertragen. Und zeigt, wie brutaler Ehrgeiz und übersteigerter Siegeswille über Grenzen des Erlaubten führen können.

Mit einer verbotenen Technik - zynisch aufspießen genannt - rammt ihn sein chinesischer Gegner kopfüber auf den Ringboden. Als es deutlich hörbar knackt, scheint das Leben aus Pascal Schroths Körper zu schwinden. Das Genick ist gebrochen, der fünfte Halswirbel doppelt kaputt - Schroth schwebt zwischen Leben und Tod. "Ich kann nicht glauben, dass es ein Unfall war", sagt er Wochen später, Hals und Oberkörper in ein Korsett gezwängt.

Ehefrau Aldis: "Plötzlich aber war er verletzlich"

"Es war furchtbar", sagt seine Frau, die mitansehen musste, "wie der Mann, den ich liebe, so schrecklich verletzt wird". Aldis Athitaya Gisladottir wuchs in Island und Thailand auf, der Heimat ihrer Eltern. In einem Café in Phuket hatten sie sich kennengelernt. Seine Stärke, sein Optimismus gefielen ihr. Es funkte sofort: "Dieser Typ hat ein Ziel", dachte sie - und überdies konnte er sie zum Lachen bringen.

"Plötzlich aber war er verletzlich, fast gebrochen", erzählte sie im Gespräch mit dem "Spiegel". Auf der anderen Seite sei es wiederum auch inspirierend gewesen, wie entschlossen er um seine Gesundheit gekämpft habe. Das Genick heilte, der Schatten auf seiner Seele verzog sich aber nur langsam. "Was soll nur aus mir werden?" Schroth ging in ein buddhistisches Kloster, meditierte, rasierte sich die Haare, trug ein orangefarbenes Mönchsgewand. Und fand die Antwort: "Ohne das Kämpfen bin ich nicht ich selbst."

Schroths Lehre: Verschiebe nichts auf später

Das Tattoo über dem damals gebrochenen Halswirbel steht für Heilung und Schutz. Früher habe er vieles auf später verschoben. Die schockierende Verletzung änderte seine Sichtweise. "Du weißt nie, was kommt. Der Genickbruch hat mich gelehrt: Wenn du etwas im Leben machen möchtest, mach' es jetzt." Dass er seine Karriere beendet hat, die Familie nun an erster Stelle steht, ist wohl auch ein Zeichen dafür.

Schroth will Vorbild sein für seine beiden Kinder, Lila (6) und Luca (3), die in wenigen Wochen noch ein Geschwisterchen bekommen. Seine Familie soll es besser haben als er. Alkohol und Gewalt hatten seine Kindheit bestimmt in Bremerhaven-Lehe, einem der ärmsten Stadtteile Deutschlands. "Als Kind sind mir viele Dinge widerfahren, was nicht hätte sein sollen", erzählt er und die paradiesische Kulisse auf Ko Pha-ngan mag so gar nicht zu dieser Geschichte passen. "Erinnerungen, die man nicht behalten will."

K.o.-König kämpft wie besessen

Es ist eine andere Welt, in der ihm seine Familie Kraft gibt. "Ich hätte niemals erwartet, dass ich eines Tages so viel Liebe empfinden kann", sagt er. "Als sei mir ein neues Herz gewachsen." Auch mit seiner Mutter Tanja, die regelmäßig nach Thailand kommt, ist alles gut. Das größte Glück aber - sein Heimathafen sozusagen - ist Aldis. "Als ich in der Klinik lag, mit dem Gestell und allem Drum und Dran, hat mich meine Frau gefragt: 'Du willst dein altes Leben zurück? Wer soll es dir geben? Du musst es dir selbst zurückholen!' Danach war ich wie besessen davon, stärker zurückzukommen als jemals zuvor."

Ein Jahr später kehrte er zurück in den Ring. Und die Ergebnisse überzeugten alle Skeptiker, die ihn für verrückt erklärt hatten oder aus Angst vor einer neuerlichen Verletzung nicht kämpfen lassen wollten. "Vielleicht konnte ich den einen oder anderen mit meiner Geschichte inspirieren - dass man seine Träume nicht aufgeben muss", meint Schroth sichtlich zufrieden.

Schroth: "Rausgehen und holen, was mir zusteht"

Sein Ruf als K.o.-König hielt auch in seinem 80. und letzten Profikampf, den er mit seinem zehnten WM-Titel - diesmal im Weltergewicht bis 67 Kilo - krönte. Seiner Frau hatte er es schließlich versprochen. "Ich werde rausgehen und mir holen, was mir zusteht", hatte er getönt. Und erzählt, dass er seine Gegner schon vor dem Kampf in seinem Kopf besiege. Er wisse genau, wo er ihn erwischen, wann er den entscheidenden Treffer setzen muss. "Wichtig ist, dass man an sich glaubt. Warum sonst sollten andere an dich glauben?"

Dieses Thema im Programm:

Sportclub Story | 04.05.2025 | 23:35 Uhr

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