Verfassungsschutz-Präsident: "Querdenker" nutzen Energiekrise
Falsche Informationen sind ein großes und gefährliches Problem - davor warnt Niedersachsens Verfassungsschutz-Präsident Bernhard Witthaut.
Vor allem sogenannte Querdenker sowie Rechtsextremisten nutzten die Energiekrise für ihre Zwecke aus, so Witthaut. Sie verbreiteten Verschwörungsmythen: In Europa drohe ein Blackout, dem der Zusammenbruch der staatlichen Ordnung folgen werde. "Diesen Leuten geht es darum, die Gesellschaft und das politische System insgesamt zu destabilisieren", sagt Witthaut. "Es soll gezielt Hass und Angst geschürt werden, um diese Emotionen für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren."
Umgang mit Desinformation zentrale Herausforderung
Desinformation sei ein wichtiger Bestandteil der hybriden Kriegsführung Russlands. "Diese Vorgehensweise verfängt leider bei erschreckend vielen Menschen." Verschwörungsmythen und gezielte Falschinformationen würden online verbreitet. Das kann nach Witthauts Einschätzung zu gefährlicher Radikalisierung führen: "Nach meiner Auffassung ist in diesen Zeiten der Umgang mit Desinformation eine der zentralen Herausforderungen für unsere Sicherheitsbehörden."
Wut gegen "das System"
Es gebe Menschen in Deutschland - eine gesellschaftliche Minderheit -, die für einen demokratischen Diskurs kaum mehr zu erreichen seien. Der Verfassungsschutz-Präsident verweist etwa auf Teile der Proteste gegen die Corona-Schutzmaßnahmen. "Die Unzufriedenheit mit der Demokratie und mit demokratischen Entscheidungen hat sich in einem Teil der deutschen Bevölkerung fest etabliert und sie birgt die reale Gefahr, dass sich die Wut gegen 'das System' auch leicht bei anderen Themen aktivieren lässt."
Vernetzt: Extremisten erreichen Mitte der Gesellschaft
Besonders besorgt zeigt sich Witthaut wegen der Tendenz, dass sich Extremismus entgrenze und sich Verläufe extremistischer Radikalisierung zunehmend in die digitale Welt verlagerten. "Die Zeiten, in denen sich Extremistinnen und Extremisten in klar abgrenzbaren Gruppierungen organisierten, sind längst vorbei." Extremisten suchten verstärkt und gezielt den Kontakt zur Mitte der Gesellschaft. Das sieht man ihm zufolge insbesondere im Bereich des Rechtsextremismus, "wie uns in den vergangenen Monaten das Zusammenwirken von Rechtsextremisten und Reichsbürgern mit sogenannten Querdenkerinnen und Querdenkern und Corona-Leugnerinnen und Corona-Leugnern gezeigt hat". Mithilfe des Internets könnten Extremisten auch Menschen außerhalb ihrer Szene erreichen - und in privaten Chaträumen könnten sie schlimmstenfalls Attentate planen. Die Sicherheitsbehörden müssten die digitale Welt auch künftig im Blick behalten und die weitere Entwicklung genau beobachten.
Witthaut geht in den Ruhestand
Seit seinem Amtsantritt habe sich die Welt unter anderem durch die Corona-Pandemie und den Angriffskrieg gegen die Ukraine deutlich verändert, sagte Witthaut. Er ist seit 2019 Präsident des niedersächsischen Verfassungsschutzes. Ende des Monats geht der 67-Jährige in den Ruhestand. Wer sein Nachfolger wird, ist noch nicht bekannt.