Nach Stresstest: AKW Emsland wird wie geplant abgeschaltet
Das AKW Emsland wird wie geplant Ende des Jahres vom Netz genommen. Das erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Montag. Die Reaktionen aus Niedersachsen fallen unterschiedlich aus.
Die beiden anderen der drei noch verbliebenen Kernkraftwerke in Deutschland sind hingegen bis April 2023 als Notreserve eingeplant. "Die beiden AKW Isar 2 und Neckarwestheim sollen bis Mitte April 2023 noch zur Verfügung stehen, um, falls nötig, über den Winter einen zusätzlichen Beitrag im Stromnetz in Süddeutschland leisten zu können", sagte Habeck in Berlin. Er verwies darauf, dass das AKW Emsland zwar einen gewissen Beitrag zur Netzstabilität leisten könne, dass aber dieser Beitrag "gemessen an den beiden süddeutschen Kraftwerken zu gering" sei.
Unionsparteien und FDP forderten Weiterbetrieb
Der zweite Netzstresstest komme zu dem Ergebnis, "dass stundenweise krisenhafte Situationen im Stromsystem im kommenden Winter zwar sehr unwahrscheinlich sind, aktuell aber nicht vollständig ausgeschlossen werden können", hieß es weiter. Weil Russland weniger Gas liefert und die Energiepreise stark angestiegen sind, wurde hierzulande seit Monaten über einen längeren Betrieb der drei verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland debattiert. Eigentlich war vorgesehen, dass alle drei verbliebenen Meiler Isar 2 in Niederbayern, Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg zum Jahresende vom Netz gehen. Zuvor hatte auf Bundesebene nicht nur die Union, sondern auch die an der Regierung beteiligte FDP für einen Fortbetrieb der Atomkraftwerke geworben.
Ministerpräsident Weil zeigt sich zuversichtlich
Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) begrüßt die Entscheidung: "Der Stresstest zeigt, dass für Niedersachsen kein Weiterbetrieb erforderlich ist, für Bayern und Baden-Württemberg aber schon. Das ist für mich ein weiterer Beweis dafür, dass wir in Niedersachsen insbesondere bei den Erneuerbaren Energien besser aufgestellt sind als der Süden der Republik." Er sei zuversichtlich, dass bei gemeinsamen Einsparanstrengungen in den nächsten Monaten genug Strom zur Verfügung stehen werde, um auch noch Energie an andere abgeben zu können.
CDU in Niedersachsen spricht von einem "politischen Kuhhandel"
Kritik kommt in Niedersachsen hingegen von FDP und CDU. Die Leistung aller drei AKWs werde gebraucht, um die Strompreise zu senken, sagte der FDP-Landes- und Fraktionschef Stefan Birkner. Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) teilte mit: "Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Stresstest Ergebnis eines politischen Kuhhandels auf Kosten der Energiesicherheit Deutschlands ist." Der deutschen Bevölkerung drohe nicht nur eine Gasnotlage, sondern auch ein Stromengpass. Althusmann spielt damit auch auf die bevorstehende Wahlen in Niedersachsen an. Dass ausgerechnet in dem Land, in dem am 9. Oktober ein neuer Landtag gewählt wird, das AKW nicht in Einsatzreserve gehe, sei ein Umstand über den man sich nur wundern könne, heißt es aus Parteikreisen.
Lang: "Das hat mit den Landtagswahlen überhaupt nichts zu tun"
Die Grünen-Spitze ist dem Vorwurf entgegengetreten, das niedersächsische Atomkraftwerk Emsland sei aus Wahlkampfzwecken nicht in den Plan für die Strom-Notreserve aufgenommen worden. "Das hat mit den Landtagswahlen überhaupt nichts zu tun", sagte die Co-Parteivorsitzende Ricarda Lang am Dienstag im ARD-"Mittagsmagazin". Die Entscheidung basiere auf dem Kriterium der Versorgungssicherheit.
Merz wendet sich gegen Grüne in Niedersachsen
Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz kritisierte die geplante Stilllegung des AKW Emsland und spricht von Einflussnahme der niedersächsischen Grünen: "Die Grünen in der Ampel in Berlin sind ganz offensichtlich von den Grünen in Niedersachsen unter Druck gesetzt worden, das Kernkraftwerk Emsland gegen alle Vernunft abzuschalten", sagte Merz in einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Weiter sagte er: "Der Scholz-Regierung scheinen grüne Befindlichkeiten wichtiger zu sein als das Risiko eines Stromausfalls. Für solch ein Roulette-Spiel mit unserer Energieversorgung habe ich absolut kein Verständnis."
Grüne: Entscheidung nur konsequent
Julia Willie Hamburg, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag und Spitzenkandidatin für die Wahl am 9. Oktober, ist derweil überzeugt: "Das ist reines Wahlkampfmanöver der CDU. Der Stresstest hat klar gezeigt, dass das AKW in Lingen nicht gebraucht wird." Das AKW verstopfe regelmäßig das Netz und der gute Ausbau der erneuerbaren Energien, entfalte oft keine Wirkung. Niedersachsen habe kein Problem mit der Netzstabilität, Anfragen im Landtag hätten darüber hinaus gezeigt, dass das Kraftwerk zu störanfällig sei, sagte Hamburg. Außerdem zeige der Stresstest eindeutig, dass die Versorgungslage in Deutschland nicht gefährdet sei, argumentiert sie. Die Energiemengen seien ausreichend. "Das ist eine wichtige Erkenntnis, denn sicher ist bei Atomkraftwerken nur das Risiko."