Windenergie steckt in einer Flaute
Bund und Länder wollen in den kommenden Monaten ein Maßnahmenpaket erarbeiten, um den schleppenden Ausbau der Windkraft an Land wieder zu beschleunigen. Ziel sei es, einen "nationalen Konsens" zu erreichen wie beim Atom- und Kohleausstieg, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nach einem Spitzentreffen am Donnerstag in Berlin. Bei folgenden Gesprächen soll es etwa darum gehen, wie mehr Flächen für Windkraftanlagen ausgewiesen und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden können.
Ein Kommentar von Verena Gonsch, NDR Info
Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass gerade Peter Altmaier der Windenergie zu neuem Schwung verhelfen soll. Ist er doch just der Verantwortliche, der vor fünf Jahren die Solarindustrie in die Knie zwang. Als Umweltminister deckelte er den Sonnenenergie-Ausbau und kürzte die Förderungen. Das Resultat: Die Branche brach weiter zusammen, jeder zweite Arbeitsplatz ging verloren.
Die Probleme bei der Windenergie sind anders gelagert, aber genauso wichtig für die Frage, ob Deutschland seine Klimaziele erreicht. Gerade die Windkraft im Norden war bisher eine Erfolgsgeschichte und die droht seit einem Jahr zu scheitern. Ganze 35 neue Windräder gingen deutschlandweit von Januar bis Juli 2019 ans Netz. In Bayern und Hessen war es kein einziges. Auch die Gewerkschaften schlagen Alarm: Innerhalb eines Jahres sind 26.000 Arbeitsplätze verloren gegangen, das sind mehr, als derzeit noch im viel umkämpften Braunkohletagebau beschäftigt sind. Dabei arbeitet die Windenergie endlich nach Jahrzehnten der Förderung konkurrenzfähig. Wind lohnt sich, für Erzeuger und für Nutzer.
Gründe für die Krise in der Branche gibt es eine ganze Menge: Auslöser der derzeitigen Misere war ein überaus kompliziertes Ausschreibungsverfahren, das seit anderthalb Jahren greift und das eigentlich örtliche Bürgerparks fördern sollte. Außerdem zogen sich alle Genehmigungen unglaublich lange hin. Momentan dauert es in Deutschland ganze drei Jahre, bis eine Anlage genehmigt wird. Hinzu kommt eine wahre Klageflut gegen geplante Windparks.
Schon die Gefährdung einiger Fledermäuse oder Mäusebussarde kann dazu führen, dass der Bau gestoppt wird. Das ist noch längst nicht alles: Einige Länder haben großzügige Abstandsvorschriften zwischen Wohngebäuden und Windrädern erlassen, die die möglichen Flächen für Windparks weiter reduzieren. Und dann kommt noch die Flugsicherheit, die den ungestörten Flugverkehr im Auge hat. Keine leichte Aufgabe, die Peter Altmaier da heute auf dem Gipfel hatte. Kein Wunder auch, dass außer wohlfeilen Absichtserklärungen noch nichts dabei herausgekommen ist.
Es ist leider wie so oft in der Klimadebatte, ob es nun um Stromtrassen oder Windparks geht. Es herrscht das St. Florians-Prinzip. Das britische Sprichwort "Not in my backyard" trifft es beim Thema Windräder noch besser. Die meisten sind für erneuerbare Energien, weil sie so schön umweltschonend sind. Aber dass man dafür neue Anlagen bauen muss, die die Landschaft verändern, ist für ebenso viele nicht hinnehmbar.
Wirtschafts- und Umweltverbände haben im Vorfeld des Gipfels ein Zehn-Punkte-Programm vorgestellt. Es besteht aus einem pragmatischen Mix von Anreizsystemen für die Kommunen und dem Entschlacken überflüssiger Verwaltungsvorschriften. Das scheint der richtige Weg, um die Windenergie aus ihrer aktuellen Krise herauszuholen.
Vielleicht hilft auch, wenn wir uns klar machen, dass wir in letzter Konsequenz den Strom aus polnischen Kohlkraftwerken oder französischen Atomkraftwerken zukaufen müssen. Dann nämlich, wenn uns der Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht wie geplant gelingt.
