AfD gilt in MV weiter nicht als "gesichert rechtsextremistisch"
Der Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern zögert, den AfD-Landesverband als "gesichert rechtsextremistisch" einzustufen. Während die Partei mittlerweile in den vier übrigen ostdeutschen Flächenländern als verfassungsfeindlich gilt, hat der Verfassungsschutz im Land über eine neue Bewertung der AfD noch nicht entschieden.
Jetzt auch in Brandenburg: Der Verfassungsschutz in dem Bundesland hat die AfD an diesem Mittwoch als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft. In Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt ist das schon seit einiger Zeit der Fall - nicht aber in Mecklenburg-Vorpommern. Dabei sind Hinweise des MV-Inlandsgeheimdienstes zur AfD zuletzt auch nach Köln gegangen - zum Bundesamt für Verfassungsschutz. Das stuft die Bundespartei seit vergangenem Freitag ebenfalls als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" ein.
AfD taucht im Verfassungsschutzbericht nicht auf
Auch führende Vertreter der AfD in Mecklenburg-Vorpommern haben sich in der Vergangenheit wiederholt völkisch-nationalistisch geäußert, haben Bevölkerungsgruppen stigmatisiert. Gleichzeitig haben sie Hitlers Terrorkrieg verharmlost und räsonierten - wie der Fraktionschef Nikolaus Kramer gemeinsam mit dem österreichischen Rechtsextremen Martin Sellner - über einen Umsturz von rechts. "Gesichert rechtsextremistisch" ist das bisher für den Verfassungsschutz im Land nicht. Die AfD spielt in seinem vergangenen Jahresbericht keine Rolle.
Innenminister Christian Pegel will abwarten
Die AfD gilt inoffiziell zwar auch in Mecklenburg-Vorpommern als rechtsextremer Verdachtsfall. Aber der Verfassungsschutz, der Innenminister Christian Pegel (SPD) als Abteilung direkt unterstellt ist, darf dazu nicht berichten. Das Verfassungsschutzgesetz untersagt Veröffentlichungen und Aussagen darüber. Erst wenn die AfD als "gesichert rechtsextremistisch" hochgestuft wird, kann diese Einschätzung auch bekanntgegeben werden. Die AfD sieht darin schon jetzt eine Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes durch die Regierenden. Die wollten die Opposition mundtot machen, erklärte Fraktionschef Kramer wiederholt. Innenminister Pegel dagegen machte klar, dass die Bewertung des Verfassungsschutzes auf rechtlicher Grundlage erfolge. Der SPD-Politiker setzt auf Einblicke in das neue Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und hält anschließend eine Neubewertung durch seine Verfassungsschutz-Abteilung für möglich.
Linke setzt auf Neubewertung
Pegels Koalitionspartner Die Linke ist ungeduldiger und beklagte: "Mecklenburg-Vorpommern muss sich offensichtlich auch im Fall der AfD treu bleiben und etwas später als andere reagieren", sagt der Landtagsabgeordnete Michael Noetzel. Wie extrem weit rechts der Landesverband der AfD stehe, sei greifbar, dazu müsse man das Gutachten nicht kennen. Er erwarte, so Noetzel, dass auch der Verfassungsschutz des Landes die Öffentlichkeit "nunmehr alsbald darüber informiert, wie er den AfD-Landesverband einschätzt". Noetzel weiß, dass diese Information nur erfolgen kann, wenn die Landes-AfD als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft wird. Ein möglicher Termin ist der 10. Juli, dann wird in Schwerin der neue Jahresbericht präsentiert.
Was passiert mit AfD-Beamten?
Für diesen Fall setzt der Linkenpolitiker darauf, dass besonders herausgehobene Protagonisten der AfD mit Beamtenstatus auf ihre Verfassungstreue überprüft werden. Namentlich nannte er Fraktionschef Kramer, der auch nach mehr als acht Jahren im Landtag weiter "freigestellter" Polizeioberkommissar ist. Insgesamt zählt die AfD im Land nach eigenen Angaben mehr als 1.000 Mitglieder, darunter auch etliche Polizeibeamte. Einige von ihnen, wie der Stadtpräsident in Bergen auf Rügen, Thomas Naulin, sind bereits im Ruhestand.
Innenminister für behutsames Vorgehen
Beamte müssen im Rahmen der "Treuepflicht" nicht nur auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen, sie müssen sich auch aktiv für sie einsetzen. Ob das bei Mitgliedern einer "gesichert rechtsextremistischen Bestrebung" der Fall ist, bezweifelt nicht nur Noetzel. Das Schweriner Innenministerium ist in der Sache vorsichtiger: Gerichte würden Beamten, die Mitglieder einer gesichert extremistischen Partei sind, nicht automatisch das Eintreten für das Grundgesetz absprechen. Auf deutsch: AfD-Mitglieder sind nicht allein wegen ihrer Mitgliedschaft Verfassungsfeinde. Nötig sei immer eine Einzelfallprüfung, die das besondere Verhalten berücksichtige. Pegel erklärte auf Anfrage, die für Juni geplante Innenministerkonferenz in Bremerhaven werde über ein bundesweit einheitliches Vorgehen in der Sache beraten.
Beamtenbund warnt vor Übertreibungen
Offen lässt Pegel, wie er mit AfD-Mitgliedern umgehen will, die nur Beamtenanwärter sind, beispielsweise in der Landespolizei. Die haben noch keinen gesicherten Beamtenstatus. Anfragen dazu ließ das Ministerium offen. Der Landesverband des Deutschen Beamtenbundes stellt sich hinter den Minister und mahnt ein behutsames Vorgehen an. Verbandschef Dietmar Knecht beklagte, nach der Einstufung der Gesamtpartei als "gesichert rechtsextremistisch" würden viele Beschäftigte des öffentlichen Dienstes "pauschal" als möglicherweise rechtsextrem betrachtet.
AfD fürchtet Zurückhaltung bei neuen Mitgliedern
Dietmar Knecht sprach von einer "verzerrten Darstellung", der widersprochen werden müsse. Der Nachweis, dass ein Beamter die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht mehr vertrete, müsse vom Dienstherrn immer im Einzelfall erbracht werden. "Eine Entfernung aus dem Dienst darf ausschließlich durch ein Gericht erfolgen", meinte Knecht und beschrieb damit die geltende Gesetzeslage. Darauf verweist auch AfD-Fraktionschef Kramer. "Die Einzelfallprüfung muss es immer geben und die zieht langwierige Verfahren nach sich." Kramer fürchtet, dass die Einstufung seiner Partei als "gesichert rechtsextremistisch" schon jetzt mögliche Neu-Mitglieder unter Beamten abschrecke. "Die überlegen sich jetzt noch drei Mal, ob sie eintreten."
