göttingen händel competition 2022: Eine Jurorin erzählt
Seit 2017 legt die göttingen händel competition den Fokus auf die Förderung junger Talente und verbindet dabei Wettbewerbsinhalte eng mit dem Festspielmotto. Der Wettbewerb ein wichtiger Bestandteil der Göttinger Händel-Festspiele.
Der erste Preis ist mit 5.000 Euro dotiert sowie einem Auftritt beim Preisträgerkonzert am 18. Mai 2022. Die Jury steht vor einer schwierigen Aufgabe. Christiane Irrgang ist NDR Kultur Musikredakteurin. Sie berichtet über ihre Erfahrungen als "Neue" in der Jury bei der diesjährigen göttingen händel competition.
Ein Jurymitglied macht sich Gedanken
"Kann ich das überhaupt? Mein erster Gedanke: Was für eine Verantwortung. Mit meiner Entscheidung kann ich Karrieren befördern oder verhindern! Blödsinn, so wichtig bist du nun auch wieder nicht! Und wenn ich nun mit meinem Urteil völlig daneben liege? Wie peinlich gegenüber all den viel erfahreneren JurorInnen! Ebenfalls Blödsinn. Schließlich gibt es keine objektiven Jury-Urteile."
Außerdem bleibt genug Zeit, sich sorgfältig vorzubereiten, denn die Ensembles haben digitale Bewerbungsmappen mit Lebensläufen, Motivationsschreiben, verschiedenen Konzertprogrammen und Hörbeispielen eingereicht. Die Aufgabe in der Vorrunde: aus 16 Bewerbern acht auswählen, die nach Göttingen eingeladen werden sollen.
Zur Jury 2022 gehören Jochen Schäfsmeier, der Geschäftsführender Intendant der Händel-Festspiele; Barbara Scheuch-Vötterle, Geschäftsführerin des Bärenreiter Verlags, der jedes Jahr einen Sonderpreis auslobt; Christian Rieger, Professor für Cembalo an der Essener Folkwang-Universität; Frerk Schenker, Chefredakteur des Göttinger Tageblatts; Isabelle Battioni, Generaldirektorin des Centre culturel de rencontre d’Ambronay in Frankreich, das ein Alte Musik-Festival organisiert und mit dem Programm EEEmerging NachwuchskünstlerInnen unterstützt.
Außerdem zwei Konzertplanerinnen der Kölner Philharmonie im Wechsel, Theresa De Luca und Frauke Bernds; und schließlich ich als Vertreterin von NDR Kultur. Fachleute mit ganz unterschiedlichen Perspektiven und Herangehensweisen also, aber gerade das ist ja auch wichtig für die TeilnehmerInnen des Wettbewerbs.
Gut spielen allein reicht nicht
Per Videokonferenz wird im Februar abgestimmt und erstaunlich schnell Einigkeit erzielt: Die Ensembles müssen nicht nur musikalisch top sein, sondern auch Bühnenpräsenz und originelle Programme mitbringen. Eine Sonderaufgabe besteht darin, ein Raumkonzept für ein Konzert in der neoklassizistischen Kirche von Landolfshausen zu entwickeln.
Wer sich also lediglich in klassischer Konzertaufstellung vor dem Altar positioniert, hat schon mal schlechte Chancen. Außerdem soll das Programm zum diesjährigen Festivalmotto „Neue Horizonte“ passen. Da bietet Georg Friedrich Händel mit seiner Biografie bereits etliche Anknüpfungspunkte, und wir sind gespannt, was die jungen MusikerInnen sich noch alles einfallen lassen.
Abwechslungsreiche Programme
In ersten Wettbewerbsdurchgang in der Alten Mensa der Uni Göttingen haben die Ensembles eine Viertelstunde Zeit, sich musikalisch zu präsentieren; anschließend müssen sie noch eine kurze Interviewrunde absolvieren. Sympathisch sind sie alle: lauter junge Menschen, die viele Jahre harter Arbeit in ihre Ausbildung investiert haben, für die Alte Musik brennen und mehr oder weniger überzeugend über ihre Recherchen und ihre Konzepte sprechen können.
Die Einen setzen eher auf konventionelle Darbietungen, Andere bemühen sich etwa mit Social Videos und szenischen Elementen um neue Hörergruppen. Aber wer ist nun am besten? Oder vielleicht besonders vielsprechend? Denn so ein Wettbewerb ist immer auch eine Investition in die Zukunft.
Keine leichte Entscheidung
Wir hören und sehen viel Gutes und sehr Gutes. Die ganz große Begeisterung will sich trotzdem noch nicht einstellen. Zwei Jahre Pandemie haben auch die Karrieren der Nachwuchsensembles ausgebremst, ihnen die Möglichkeit genommen, sich vor Publikum zu erproben. Und so stellt sich im Laufe des Tages heraus, wer vielleicht noch ein bisschen Zeit braucht, sich weiterzuentwickeln, und wen wir gern in die Schlussrunde einladen möchten. Dort steht den Finalisten je eine halbe Stunde Auftrittszeit zur Verfügung – und damit auch die Möglichkeit, weitere Stärken auszuspielen.
International besetzte Ensembles im Finale
Drei Ensembles haben abends bei der Bekanntgabe der Juryentscheidung Grund zum Jubeln: das moldawisch-spanische Duo Auxesis, das nur mit Geige und Cello doch eine erstaunliche Klangfülle erzeugt, das Duo sull’onde, die israelische Sopranistin und ihr taiwanesischer Cembalopartner erwecken barocke Heldinnen zu neuem Leben und Apollo’s Cabinet aus Großbritannien, das sogar ein kleines Musiktheaterstück auf die Bühne bringt.
Wer am Ende das Rennen machen wird? Noch ist alles offen. Und schließlich gibt es ja auch noch einen Publikumspreis, der ebenfalls am Ende des zweiten Durchgangs festgesetzt wird.
NDR Kultur zeichnet das Preisträgerkonzert am Mittwoch, 18. Mai, um 19.30 Uhr auf und sendet es am Montag, 20. Juni 2022.
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