NDR Radiophilharmonie spielt Konzerte in Oita und Tokio
Auf der Japan-Tour hat die NDR Radiophilharmonie mit Chefdirigent Andrew Manze ihre ersten beiden Konzerte in Oita und Tokio gespielt - mit zwei Musikern aus Tokio, die Lücken im Orchester füllen.
Beim Schlussapplaus in Oita hält eine Dame im ersten Rang ein großes Banner hoch. "BRAVO!" steht da, in Großbuchstaben, damit es auch von der Bühne aus gut lesbar ist für die NDR Radiophilharmonie.
Doch "Bravo" rufen soll das Publikum hier derzeit wegen der Pandemie nicht. Maske tragen und möglichst wenig reden - überall weisen Schilder auf die Regeln hin. Die Künstlerinnen und Künstler sollen auch nicht signieren, weil sich dort zu lange Schlangen bilden könnten. Während der Musik herrscht eine enorme Stille im Publikum.
Dirigent Andrew Manze: Enthusiasmus beim Publikum
Aber die Stille zeugt auch von der großen Konzentration des Publikums, glaubt Chefdirigent Andrew Manze. "Ich habe eine Wärme von diesem Publikum gespürt, einen echten Enthusiasmus", so Manze. "Dieses Publikum kannte ganz offensichtlich Beethoven, jede Note. Die Klassik-Liebhaber in Japan kennen das Kernrepertoire wirklich sehr gut."
Inzwischen ist der Dirigent schon wieder auf der Weiterreise nach Tokio, wo er am Abend erneut den Auftakt gibt. Zehn Konzerte in zwölf Tagen - das schüttelt auch Manze nicht einfach so aus dem Ärmel.
NDR Radiophilharmonie spielt zehn Konzerte in Japan
"Jedes Publikum ist anders", so Manze. "Und es hat nur das eine Konzert. Wir spielen zehn. Ich muss also einen Weg finden, dass es heute nicht einfach eine Wiederholung von gestern ist. Ich muss diese Frische in mir finden. Aber wir haben eine große Hilfe in Beethoven selbst." Schon in den ersten Takten risse er einen mit, so Manze. "Wir starten nicht bei Null, sondern mit unglaublichem Material."
Nicht nur das Publikum wechselt, sondern auch die Säle - ebenfalls eine große Herausforderung. In Tokio spielt das Orchester im Metropolitan Theater. Kaum dort angekommen, beginnt die Anspielprobe, ein Abtasten der Akustik.
Neue Kollegen vom Rundfunk-Sinfonieorchester Tokio
"Wir haben manchmal nur wenige Minuten", erzählt der Chefdirigent. "Ich höre vor der Probe aus dem Saal zu, wie die Musiker sich auf der Bühne einspielen. Klingt das sehr gemischt oder sehr klar? Ist es hallig oder trocken? Und ich schaue mir die Architektur an: Wie hoch ist das Dach, wie weit sind die Wände auseinander? Man bekommt über die Jahre ein Gefühl dafür."
Neu einstellen muss sich in Tokio gerade auch die Geigerin Kristina Altunjan: Sie kennt ihren Sitznachbarn noch nicht. Da zwei Kollegen aus Hannover kurzfristig die Reise absagen mussten, sind zwei Musiker vom NHK Symphony Orchestra bei diesem Konzert dabei, dem Rundfunk-Sinfonieorchester in Tokio. Masahiro Morita ist dort der Stimmführer der zweiten Geigen und sitzt heute neben Altunjan.
Von der Anspielprobe direkt ins Konzert
"Ich spiele heute nur mit einer Anspielprobe direkt das Konzert, das ist für mich sehr stressig", gibt Morita zu. "Aber ich freue mich sehr, mit der NDR Radiophilharmonie spielen zu können. Es ist ein sehr nettes Orchester, hier ist eine gute Stimmung."
Altunjan ist sehr dankbar, dass Morita einspringt. Sie erzählt: "Die Interpretation von Andrew ist sehr speziell, typisch für ihn. Ich habe Masahiro Morita sozusagen eine Gebrauchsanweisung gegeben, damit das harmonisch läuft. Ich glaube, dass er alles sofort aufgenommen hat, und ich freue mich aufs Konzert."
Tosender Beifall im Tokyo Metropolitan Theatre
Es bleibt noch Zeit für einen schnellen Snack und fürs Umziehen, und schon geht das Konzert los. Das Publikum im gut gefüllten Tokyo Metropolitan Theatre hört auch hier still und konzentriert zu. Am Ende bricht tosender Beifall los. Viele Besucher klatschen begeistert mit hoch über den Kopf erhobenen Händen. Der Applaus hält sogar noch an, als das Orchester schon von der Bühne gegangen ist - so lange, bis sich Manze nochmals zeigt und verbeugt.
Zugehört hat auch der Klassik-Kenner und Musikproduzent Ryusuke Kozawa, Vizepräsident von Sony Music Japan. "Ich habe diesen Beethoven sehr genossen, der Dirigent ist ein Meister der Streicher", so Kozawa. "Es gab ungehörte Nuancen und reiche Details, die man normalerweise im Sinfoniekonzert nicht hört."
Musikkritiker Yudai Majima: "Es war wunderbar"
Auch der renommierte japanische Musikkritiker Yudai Majima war im Saal. Seine Einschätzung über das Tokio-Konzert der NDR Radiophilharmonie: "Es war ein sehr emotionales Konzert heute. Man konnte den historisch informierten Stil erkennen, aber gleichzeitig auch die deutsche Spielweise. So war Beethovens Klang sehr überzeugend." Die ersten und zweiten Geigen hätten sich gegenübergesessen,, das habe einen "Stereo-Effekt" ergeben. "Sie haben das Vibrato sehr moderat eingesetzt. Es war wirklich emotional, die Streicher haben mich gerade in den langsamen Sätzen sehr beeindruckt. Es war wunderbar."