Frauen in der Klassik-Szene: Gespräch mit Theresa von Halle
Frauen übernehmen in vielen Bereichen der Klassik-Szene häufiger als früher leitende Funktionen, doch Teilzeit-Leitungspositionen fehlen. Ein Gespräch mit der Regisseurin Theresa von Halle.
Eigentlich sollte Theresa von Halle jetzt proben - ihre Inszenierung von Benjamin Brittens Oper "Der kleine Schornsteinfeger" hat am Theater Lüneburg Ende April Premiere. Eine Corona-Infektion zwingt sie und ihre ganze Familie gerade in die Quarantäne. Wir treffen uns via Zoom. Theresa von Halle wirkt energiegeladen. Ihr Sohn ist eineinhalb Jahre alt und wie sie sagt "ein Reisebaby": "Der war schon in vielen Städten mal ein, zwei oder drei Monate unterwegs."
Verantwortung auch mal abgeben
In den vergangenen Monaten hat die 37-Jährige an drei verschiedenen Theatern inszeniert, unter anderem in Berlin und Tübingen. "Bisher ist mir da große Offenheit begegnet. Es liegt auch an einem selber. Die Reisekosten muss man allerdings selbst übernehmen - die werden für Familie und Kind nicht übernommen. In Tübingen hatte der Darsteller ein Baby im selben Alter. Das heißt, wir haben unsere Probenzeiten so eingerichtet, wie es gut für uns war", erzählt Theresa von Halle. "In der Neuköllner Oper hatten wir sechs Babys. Dort hatten wir quasi eine kleine Kita im Nebenraum. Es ist wichtig, dass man während der Proben entfernt ist und dass ganz klar ist: Ich betrete jetzt diesen Raum und ich bin jetzt nicht verantwortlich für das Kind." Dann kümmert sich Theresa von Halles Partner um das Kind.
Forderung nach Quotenregelung an Opern- und Theaterhäusern
So sehr sie als freiberufliche Musiktheater-Regisseurin viele positive Erfahrungen gemacht hat, zufrieden ist sie noch nicht damit, wie es an Opernhäusern und Theatern in puncto Gleichberechtigung läuft. Die Frauen seien unterrepräsentiert, sagt sie: "Ich bin auf jeden Fall für eine Quotenregelung. Und vor allem bin ich dafür, dass man neue Möglichkeiten denkt; dass es Möglichkeiten gibt, Leitungsfunktionen zu teilen - nicht nur Intendanzen, sondern auch Leitungen von Sparten und Leitungen von Abteilungen, damit das für Frauen, die Kinder haben, möglich ist." Von Halle spricht aus eigener Erfahrung: "Ich war selber gerade in diesem Prozess, eine Leitungsfunktion zu übernehmen. Ich war in der engen Auswahl, doch ich habe gemerkt, dass es mit meinem kleinen Kind gerade nicht geht. Ich kann keinen Workload von 50 Stunden flexibel halten. Dann sehe ich mein Kind nicht - das will ich nicht, das ist absurd. Da wäre eine Teilung eine stärkende Situation gewesen."
Verein "Women in Arts and Media" verbindet Frauen
Theresa von Halle ist sich sicher, dass es an Theatern bald einen dynamischen Prozess in diese Richtung geben wird. Als Mentee im Mentoring-Programm des Deutschen Kulturrats für Frauen in Leitungsfunktionen erlebt die Lüneburger Künstlerin, was sich gerade auch in anderen Kulturbereichen tut: "Daraus hat sich ein Verein gegründet: "Women in Arts and Media". Viele hundert Frauen in Leitungsfunktionen kommen dort zusammen", erzählt von Halle. "Das ist ein toller Pool, wo man jederzeit Hilfe, Inspiration und Austausch bekommt. Ich habe da schon von vielen Frauen gehört, die in geteilten Stellen arbeiten und das mit in Gang bringen. Das sollte es an jedem Haus wie selbstverständlich geben."
