Frank Peter Zimmermanns Aufnahmen für EMI: Die 30-CD-Box
Ohne besonderen Anlass hat Warner eine 30-CD-Box mit allen frühen Aufnahmen von Frank Peter Zimmermann veröffentlicht.
Es ist ein besonderes Geschenk für alle Fans der Geige, für die Fans von Frank Peter Zimmermann zumal. Denn Warner hat einen großen Schatz zusammengestellt: Mozart und Beethoven und Brahms, Paganini und Ysaye und Prokofjew, Solo, Kammermusik, Konzertantes enthält die gerade erschienene 30-CD-Box mit den EMI-Aufnahmen (heute Warner) aus den Jahren 1984 bis 2001. Frank Peter Zimmermann, einer der bedeutendsten und profiliertesten Geiger unserer Tage, schreibt im Grußwort von dem "großen Glück", das er "als junges Talent" hatte, viele bedeutende Meisterwerke der Violin-Literatur für die EMI einspielen zu dürfen. Dass er jetzt, mit 57, so viele Dinge ganz anders empfinde und interpretieren würde, möchte er nur am Rande erwähnt wissen. Aber es beschäftigt ihn eben doch.
Frank Peter Zimmermann über seine "Jugendsünden"
"Junge Talente" gibt es viele - Frank Peter Zimmermann ist einzigartig. Er lässt sich nicht mitreißen von Strömungen, er bleibt bei sich, offen im Umgang mit seinen Zweifeln, seiner Selbstkritik: "Nein, ich stapele gewiss nicht immer extrem hoch, aber ich habe nicht umsonst zum Beispiel die Mozart-Konzerte 2015 nochmal neu aufgenommen. Es ist eine ganz andere Zeit gewesen." Und in diese Zeit einzutauchen, entfaltet regelrecht einen Sog. Wie hat sich Frank Peter Zimmermanns Mozart-Spiel über die Jahrzehnte hinweg entwickelt? Anhand zum Beispiel des G-Dur-Violinkonzerts kann man das gut beobachten. 1984, Zimmermann ist 19, noch ganz im Bann der großen Vorbilder David Oistrach und Arthur Grumiaux.
Die 30-CD-Box von Warner - eine Entdeckungsreise
1995 geht Frank Peter Zimmermann viel zurückgenommener an diesen Mozart heran, ist viel weniger auf den großen vibratoreichen Ton aus. So sieht er es auch: "Ich glaube, ich bin über die Jahrzehnte - ein wichtiges Beispiel ist auch das Beethoven-Konzert - eigentlich immer klassischer geworden. Je weniger, desto mehr bringt es an Wirkung, so habe ich immer das Gefühl. Ich bin quasi von einem Romantiker zu einem Klassizisten geworden, um es mal salopp auszudrücken."
Zimmermanns Paganini - auch heute noch ein großes Hörvergnügen
Geige spielt Frank Peter Zimmermann aus tiefster Seele, zu seinen "Jugendsünden", wie er die frühen Aufnahmen selbst nennt, gehören auch die Parade-Stücke vieler Kollegen: "Ganz offen und ehrlich, die Paganini-Capricen, was hat das mit mir zu tun? Auf der anderen Seite war es für mich natürlich ein riesen-technischer Schritt und eine Riesenbestätigung, dass ich das auch kann." Zimmermanns Paganini ist auch heute noch ein Hörvergnügen!
Das fulminante Debüt bei den Berliner Philharmonikern
Aber es geht gerade so weiter im doppelbödig-humorvoll-selbstzweiflerischen Erzählton. Die erste Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern, eine Riesensache für ihn: "Und ich stand da wie das Kaninchen vor der Schlange mit meinen 22 Jahren. Das Prokofjew-Konzert konnte ich rückwärts, aber das Tschaikowsky-Konzert hatte ich längst nicht genug gespielt, um mich da vor so einen Apparat zu stellen. Als dieses erste Tutti kam, wo die mal so richtig ihren Sound rausließen, da dachte ich, ich bin wie so eine kleine Maus, was mache ich eigentlich hier."
So bezaubernd schön spielte Frank Peter Zimmermann Tschaikowsky, dass die Berliner Philharmoniker ihn seither regelmäßig wieder einladen und ihm zuletzt die erste aufwendige Interpreten-Box mit den gemeinsamen Aufnahmen gewidmet haben. Aus allem, was dieser Geiger erzählt, spricht seine Sehnsucht nach Perfektion, nach einem ständigen Sich-weiter-entwickeln-Wollen. Alles was der Mensch und Musiker macht, ist vergänglich, schreibt er im wunderbar reich bebilderten Beiheft. Bis auf die CD-Aufnahmen, auf einmal wird da was ausgegraben: "Und dann plötzlich will man das eigentlich gar nicht, dass das wieder gespielt wird. Es ist so endgültig. Man sitzt und hat eine Momentaufnahme, auch jetzt mit meinen Beethoven- oder Bach-Geschichten wird es immer eine Momentaufnahme bleiben, und ich werde es wahrscheinlich in zehn Jahren nochmal ganz anders machen wollen."
Jede Note auf Leben und Tod spielen
Und die Solo-Sonaten von Eugène Ysaye? Frank Peter Zimmermann, der sich schon über diese 30-CD-Box freut, erzählt uns noch eine Geschichte: "Es war neulich so bezeichnend. Ich fuhr im Auto, ich weiß nicht mehr wohin, und es spielte jemand den letzten Satz einer Ysaye-Sonate. Ich habe dann gedacht, technisch sehr gut, aber ein bisschen langweilig. Und dann kam die Absage, und das war tatsächlich ich mit meiner Aufnahme. Das hat mich sehr getroffen, ich fand es ein bisschen belanglos, ich würde das heute mit viel mehr Risiko spielen."
The Complete Warner Recordings
- Label:
- Warner Classics