CD der Woche: Vokalmusik aus dem Flämischen Zeitalter
Seit einem halben Jahrhundert schon begeistern Sängerinnen und Sänger vom Huelgas Ensemble ihre Fans weltweit mit mehrstimmiger Vokalmusik aus Mittelalter, Renaissance und Frühbarock.
Dabei gilt die besondere Liebe des Gründers und Leiters Paul van Nevel den franko-flämischen Komponisten aus dem 14., 15. und 16. Jahrhundert. Sogar ein Buch über den Einfluss der Landschaft, die sich heute vom nördlichen Frankreich über Belgien bis in die Niederlande erstreckt, hat der belgische Musiker 2018 geschrieben: "The Landscape of the Polyphonists". Im März 2021 nahm das Huelgas Ensemble zum Jubiläum dann die CD zum Buch auf.
Flämisches Zeitalter: Mehrstimmige Musik erlebt wahre Blüte
Vor etwa 600 Jahren vertonte Johannes Symonis Hasprois die Worte eines unglücklich liebenden Mannes. Da kannte man in Europa weder den Buchdruck noch Amerika. Die polyphone Musik jedoch hatte sich hier schon formenreich entfaltet.
Besonders in der Gegend in und um Flandern erlebte die mehrstimmige Musik zwischen dem beginnenden 15. und dem 16. Jahrhundert eine wahre Blüte. Als "Flämisches Zeitalter" wird diese Spanne in der Musikgeschichte heute auch bezeichnet. Komponisten wie Josquin Desprez und Johannes Ockeghem gaben entscheidende Impulse für die Komposition mehrstimmiger Musik und prägten bald die europäische Szene.
Zeitlose Musik mit melancholischem Grundton und tiefer Ruhe
Das 1971 gegründete Huelgas Ensemble ist auf diese Musik spezialisiert. Die Mitglieder dieses Vokalensembles singen fast ohne Vibrato und intonieren sehr sauber. Der Klang der Stimmen ist fein ausbalanciert. So können die Melodiebögen auch in den komplexen Stücken, die zum Teil schon mal zwölf Stimmen umfassen, weich fließen. Scheinbar endlos ziehen sie sich hin. So wie der Blick über die Landschaft Flanderns - heute erstreckt sich das Gebiet vom Norden Frankreichs über Belgien bis in die Niederlande.
In seinem Buch "Die Landschaften der Polyphonisten" stellt der Leiter des Huelgas Ensembles Paul Van Nevel einen Zusammenhang zwischen der besonderen Gegend und der Kompositionsweise der franko-flämischen Komponisten her: "Leichte Hügel, soweit das Auge reicht, der immer gegenwärtige Horizont und der unverstellte Blick auf die Jahreszeiten" - Van Nevel vermutet, dass diese Prägung der Kindheit sich in den Werken spiegelt und zeigt im Booklet der CD mit Fotos und Texten zu jedem Komponisten den persönlichen Bezug zur Gegend, in der dieser aufwuchs. Das ist interessant zu lesen, aber auch ohne irgendwelche Informationen steht diese zeitlose Musik für sich - mit ihrem melancholischen Grundton und ihrer tiefen Ruhe, die sie entfaltet, wenn das Huelgas Ensemble singt.
The Landscape of the Polyphonists
- Zusatzinfo:
- Auszüge aus La Traviata, Lucia di Lammermoor und Roméo et Juliette Nadine Sierra, Orchestra Sinfonica Nazionale della RAI, Riccardo Frizza
- Label:
- Deutsche Harmonia Mundi
Schlagwörter zu diesem Artikel
Klassik
