Opernsängerin Anna Netrebko in der Rolle der Adriana Lecouvreu bei den Salzburger Festspielen © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Luca Bruno Foto: Barbara Gindl

Agentur und Deutsche Grammophon trennen sich von Anna Netrebko

Stand: 22.03.2022 17:57 Uhr

Die Opernsängerin Anna Netrebko wird nicht mehr von ihrer Agentur Centre Stage Artist, einem Berliner Tochterunternehmen von Universal, vertreten. Auch die Plattenfirma Deutsche Grammophon plant keine weiteren Produktionen.

Die Chefin der Berliner Agentur Centre Stage Artist (CSAM), Judith Neuhoff, bestätigte die Trennung gegenüber Peter Jungblut vom Bayrischen Rundfunk, bat auf Nachfrage jedoch um "Verständnis", dass sie dazu nichts weiter mitteilen könne. Eine Sprecherin der Deutschen Grammophon, bei der bisher die Alben von Netrebko erschienen, teilte dem BR mit, dass keine weiteren Produktionen mehr geplant seien. Die Sopranistin steht seit Beginn des Krieges in der Ukraine in der Kritik, weil sie als Unterstützerin von Wladimir Putin gilt. NDR Kultur hat mit Peter Jungblut gesprochen.

Und plötzlich war der Link zur Website der Sopranistin Anna Netrebko auf der Seite der Management Agentur Central State Artist weg. Im Klassikmagazin Crescendo munkelte man, ob man sich getrennt habe? Peter Jungblut vom Bayerischen Rundfunk hat nachgefragt. Was hat man Ihnen geantwortet?

Peter Jungblut: Die Centre Stage Artist Management - die Agentur, die ihre Auftritte weltweit vermarktet - hat sich getrennt. Von einem Rauswurf will man nicht sprechen. Man will eigentlich überhaupt nicht sprechen. Man solle bitteschön dafür Verständnis haben. Also nennen wir es mal ganz neutral Trennung. Anna Netrebko hat derzeit keine Konzerttermine, kein Management und keinen Plattenvertrag. Es läuft gerade nicht so rund für die Sopranistin.

Plattenvertrag - das heißt also auch die Deutsche Grammophon möchte nicht weiter mit ihr arbeiten?

Jungblut: Die Deutsche Grammophon hat mir gesagt, dass es weiterhin die Platten gibt, die sie bisher dort produziert hat. Diese werden auch verkauft. Aber neue werden nicht mehr produziert.

Nun muss man unterscheiden. Eine Staatsoper oder die Elbphilharmonie in Hamburg können politisch erst einmal entscheiden, keine Konzerte mit Anna Netrebko zu machen. Hier geht es aber auch um finanzielle Gründe. Lohnt es sich möglicherweise auch nicht mehr, sie zu managen?

Jungblut: Die Universal - also der Mutterkonzern - hat am 8. März gesagt: Wir sind solidarisch. Wir halten uns an die Sanktionen. Wir werden humanitär in der Ukraine helfen, uns also auf die Seite der Angegriffenen stellen. Und auf gar keinen Fall mit Russland in irgendeiner Form zusammenarbeiten. Damit sind natürlich auch diejenigen gemeint, die auf der Seite des Kreml stehen oder Putinversteher sind. Insofern ist das zunächst mal eine politische Entscheidung. Politisch deshalb, weil Universal auch darauf schauen muss, wie der Umsatz läuft. Der Westen ist nun mal der größte Umsatzbringer. Da wollen sie natürlich geschäftlich auf Nummer sicher gehen. Russland ist ein Markt, auch für die Universal. Aber dann doch nur unter den ersten 20 Umsatzbringern weltweit. Für die Universal wird das geschäftlich zu verschmerzen sein, diese Sanktion durchzuhalten.

Nun gab es zumindest bis vor kurzem noch Konzerttermine auf der Website von Anna Netrebko. Berlin steht an, Regensburg im September. Ebenfalls im September ist das verschobene Konzert in der Elbphilharmonie. Was wird denn daraus?

Jungblut: Ich habe gerade noch einmal geschaut. Das nächste Konzert von ihr ist am 25. Mai in Paris. Es gibt dann noch einige andere Termine im Juni und Juli. Was damit ist, weiß derzeit niemand zu sagen. Sie stehen noch auf ihrer Homepage. Aber da ist jetzt manches im Fluss. Ohne Management und Plattenfirma steht sie gerade ein bisschen allein da. Ich kann mir denken, dass sie die Agentur Maxim Berin angefragt hat, ob die sie künftig weltweit vertreten. Maxim Berin vertritt sie bereits in Russland und in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion - also in Mittelasien und im Baltikum. Sie hatte ohnehin schon zwei Managements. Und es könnte sein, dass Maxim Berin jetzt einspringt.

Die Verträge sind mit der bisherigen Agentur geschlossen und somit nichtig. Oder wie funktioniert das in diesen Fällen?

Jungblut: Da sind natürlich viele im Boot. Also wenn ich beispielsweise an die Regensburger Schlossfestspiele denke: Dabei handelt es sich eine Gala, die von der Deutschen Entertainment AG gemanagt wird. Da gibt es dann natürlich Sub-Unternehmen. Wie dann jeweils im Einzelfall die vertragliche Situation bei Konzerten ist, maße ich mir nicht an zu wissen. Da werden Verhandlungen stattfinden. Spannend ist: Wann wird Anna Netrebko wieder auftreten? Wann wird das erste Konzert sein? Noch in der ersten Jahreshälfte? Vielleicht in Russland? Was ich mir nicht so recht vorstellen kann, weil sie in Wien lebt. Da muss man jetzt einfach abwarten.

Ihr Instagram-Kanal ist mittlerweile leider geschlossen. So dass ich nicht mehr reinschauen kann. In Russland funktioniert Instagram sowieso nicht mehr. Weiß man, was sie im Moment macht?

In Russland gibt es natürlich viele Klatsch-und-Tratsch-Medien. Dort heißt es, sie schaue sehr viel Fernsehen. Angeblich ist sie ein Fan von der russischen Version von Masked Singer. Und sie fülle mit Kochen ihre Tage. Sie hat auch ein Kochbuch veröffentlicht. Ihre Lieblingsspeise ist ein typisch russisches Gericht: Pasteten mit Kartoffel-und-Kohl-Füllung. Es wird viel gemunkelt. Aber ob das nun alles stimmt, was die russische Regenbogenpresse über Anna Netrebko veröffentlicht.

Das Gespräch führte Mischa Kreiskott.

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Dieses Thema im Programm:

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