Hörspiel
Mittwoch, 09. Juni 2021, 20:00 bis
21:04 Uhr
Öko-Science-Fiction-Hörspiel von Günter Eich
Klimawandel, Überbevölkerung, Atommüll? - Jetzt reichts! Nature strikes back! Im Hörspiel des großen Altmeisters Günter Eich liegt von Anfang an etwas in der Luft. Noch sprießt das, was dieses unbestimmte Gefühl auslöst, harmlos in der Dachrinne. Noch sind die Lüfte mild, die Stimmung ist kaum getrübt und romantisch. Aber dann berichtet der Vater, als er von der Arbeit kommt, von einem abnormen Wildwuchs des Huflattichs und der Sohn meint ein Knistern in der Luft zu spüren. Aber noch geht man ruhig schlafen. Am nächsten Morgen hat der Huflattich bereits die Dächer überwuchert. Wolken von gelbem Huflattichsamen fliegen über die Stadt hinweg. Bald helfen weder Axt noch Säge; die Menschen müssen wieder lernen zusammenzuhalten, denn nur Solidarität, Hilfsbereitschaft und Brüderlichkeit ermöglichen das Überleben im Huflattich-Dschungel.
"Die Stunde des Huflattichs" - darauf hat Heinz Schwitzke, der ehemalige Hörspielleiter beim NDR hingewiesen - weist von allen Hörwerken des bedeutenden Lyrikers und Hörspieldichters die komplizierteste Textgeschichte auf: "Von der 'Stunde des Huflattichs', einem seiner wichtigsten Radiostücke, fanden sich im Nachlass insgesamt neun Fassungen, von denen er nur die beiden letzten von 1958 und 1959, die in der Struktur schon ähnlich waren, zur Sendung hergab."
Erst 1980 wurde die vom Dichter nur handschriftlich überlieferte Urfassung des Huflattich - Textes als Hörspielproduktion des NDR vorgestellt. Diese Fassung sollte - so Schwitzke - insbesondere neue Einsichten über die häufig angestellten Spekulationen ermöglichen, inwieweit "die unheimliche Endzeit, die Eich da vorstellt, von einer naturimmanenten, entropischen und mutativen Entwicklung herrührt, oder ob es sich um die Wirkung menschlicher Manipulationen, etwa Atombomben handele..." Günter Eich selber äußerte sich später in einem Brief über das zentrale Anliegen des Stückes, das zu seinen künstlerisch anspruchsvollsten und reifsten Hörwerken gerechnet werden kann:
"Es handelt sich um die Frage, ob der Mensch abgelöst werden kann oder seine Schöpfungsposition unerschütterlich ist. Eine Antwort wird hier provokatorisch durchexerziert: Der Mensch wird abgelöst und hat auch nach der Ablösung des Huflattichs keine Chance mehr; die Schöpfung kann sowohl auf Geist wie auf Biologie verzichten, so dass auch noch die Vorstellungskraft des Menschen ungültig wird." Günter Eich
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