"New York und der Rest der Welt": Texte von Fran Lebowitz
Die US-Autorin Fran Lebowitz hat sich als Gesellschaftskritikerin und Kennerin der Stadt New York einen Namen gemacht. Nun sind ihre Texte zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt worden.
Schonungslos ist ein treffendes Wort, um Fran Lebowitz' literarischen Blick auf die Welt zu umschreiben. Schonungslos blickt sie auch auf New York und den Rest der Welt. In der US-amerikanischen Metropole lebt Fran Lebowitz seit Ende der 1960er-Jahre. Diese Stadt verkörpert für die Autorin beispielhaft alle möglichen Lebensformen, gesellschaftlichen Missstände, Kulturströmungen, Meinungen, Schieflagen und kleinen Alltagszustände. Ihnen spürt sie immer wieder mit unerwartetem Witz und hintergründigem Humor nach.
12 Uhr 35 - das Telefon klingelt. Ich bin nicht erfreut. Nicht meine Art, aufzuwachen. Es ruft ein Agent aus Los Angeles an. Er ist hörbar braungebrannt. Er interessiert sich für meine Arbeit und meint, wir sollten reden und zwar auf meine Kosten. Ich entgegne, dass ich mir den Trip nach Los Angeles nur als Postkarte leisten könnte. Leseprobe
Fran Lebowitz als Lebensberaterin
Fran Lebowitz` Gedanken sind schnell und präzise. Ihre Texte entwickelt sie aus der Ich-Erzählerinnen-Perspektive. Sie geht davon aus, dass ihre Betrachtungen und Schlussfolgerungen auch anderen hilfreich sein können. So transformiert sie die eigene, zur Kunstform gewordene Ich-Umkreisung in flott daherkommende kurze Texte, die meist in Lebensberatungen aller Art münden. So gibt sie beispielsweise in ihren Texten Ratschläge, wie man eine Karriere als Vermieter machen kann, erfindet eine nach ihr benannte Diät und führt in die Welt des Schreibens als lebenslange Strafe ein.
Die meisten werden es sich nicht vorstellen können, aber der Beruf als Schreiber hat auch gewisse Nachteile, was schon bei dem wenig erfreulichen Umstand beginnt, dass man immer wieder genötigt ist, sich tatsächlich hinzusetzen und zu schreiben. Mit der hier folgenden Aufstellung verbinde ich die Hoffnung, dass sich das dringend benötigte Mitgefühl einstellt. Die ersten Punkte sind für Eltern, die spätere Erklärung ist für Masochisten - oder umgekehrt.
Woran Sie merken, dass Ihr Kind ein Autor ist:
Das Baby kommt mindestens drei Wochen zu spät, weil es kein Ende finden konnte. Teddybären lehnt der Kleine als Plagiat ab. Mit sieben denkt er über eine Namensänderung nach. Er will nicht ins Ferienlager, weil ihm klar ist, dass dort Kinder sein könnten, die noch nie von ihm gehört haben.
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Lebowitz' Texte wirken wie ein Feuerwerk
Die erstmals ins Deutsche übersetzten Texte erschienen gesammelt unter dem Titel "The Fran Lebowitz Reader" und entstanden vorwiegend zwischen 1974 und 1994. Sie wirken wie ein Feuerwerk: So schnell ihre Sätze auftauchen, so verschwinden sie auch wieder; wie ein guter Witz, der seinen Zweck erfüllt hat, nachdem die Pointe erzählt ist. Fran Lebowitz beherrscht diese literarische Kunstform, die leicht ausführbar scheint, jedoch Könnerschaft verlangt. In bester Fran-Lebowitz-Ratgeber-Manier warnt die Autorin vor leichtfertiger Nachahmung:
Nur ganz wenige Menschen verfügen über eine echte künstlerische Begabung. Deshalb ist es ungehörig und auch unproduktiv, die Lage noch dadurch zu verschlimmern, dass man es trotzdem versucht. Wenn Sie das brennende, nicht zu unterdrückende Bedürfnis zu schreiben oder zu malen überkommt, essen Sie einfach etwas Süßes, und die Aufwallung gibt sich. Ihre Lebensgeschichte macht noch kein gutes Buch. Versuchen Sie es gar nicht erst. Leseprobe
Vom Irrsinn des Literaturbetriebs
Zu den schönsten Texten zählt der letzte im Band, der von Geschäftsverhandlungen bei noch ungeschriebenen Büchern erzählt und den Irrsinn des Literaturbetriebs in wenigen Zeilen veranschaulicht. In solchen Momenten stellt Fran Lebowitz ihre eigene Erfahrung als Veranschaulichungsobjekt zur Verfügung, zeigt sich verletzlich und lässt eine banale Situation zur zeitlosen Erfahrung werden. Und zeitlos soll die Kunst sein, wie Fran Lebowitz schon im Vorwort formuliert:
Wenn das, was gegenwärtig als Kunst gilt, Kunst ist und wenn das, was gegenwärtig Geschichte genannt wird, Geschichte ist, dann möchte ich den heutigen Leser - diese einsame Gestalt - dringend bitten, diese Texte so zu nehmen, wie sie ursprünglich gedacht waren: als Kunstgeschichte. Kunstgeschichte ein wenig anders allerdings: modern, relevant, aktuell, Kunstgeschichte auf dem neuesten Stand. Kunstgeschichte im Entstehen. Leseprobe
New York und der Rest der Welt
- Seitenzahl:
- 352 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Übersetzt von Sabine Hedinger und Willi Winkler
- Verlag:
- Rowohlt
- Bestellnummer:
- 978-3-7371-0143-1
- Preis:
- 22,00 Euro €
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Romane
