"Kleine Dinge wie diese": Roman von Claire Keegan
In dem neuen Buch der irischen Autorin Claire Keegan, eher eine Erzählung als ein Roman, geht es um ein besonders düsteres Kapitel in der Geschichte der katholischen Kirche in Irland.
1996 wurde die letzte sogenannte Magdalenen-Wäscherei geschlossen. Das waren "Besserungsanstalten" in Klöstern, wo man junge Mädchen gefangen hielt, die ungewollt schwanger geworden waren. Sie mussten von früh am Morgen bis zum Umfallen am Abend schuften. Sie wuschen die dreckige Wäsche der wohlanständigen Bürger, die Kunden des Klosters waren. Ihre Babys wurden ihnen nach der Geburt sofort weggenommen, sie wurden geschlagen und seelisch gequält.
Die Übermacht der katholischen Kirche
Der Kohlenhändler Bill Furlong in Claire Keegans Geschichte begegnet, als er - immerhin im Jahr 1985 - Kohle ins Kloster liefern will, einem Mädchen, das ihn einfach nur darum bittet, es zum Fluss zu bringen, damit sie sich ertränken kann. Von da an kann er bei seinen weiteren Fahrten zum Kloster nicht mehr übersehen, was hier geschieht. Ihm wird klar:
Es bedurfte einer fremden Person, um Dinge an den Tag zu bringen. Leseprobe
Bill Furlong kommt aus armen Verhältnissen und hat es zu kleinem Wohlstand gebracht. Er hat eine schöne, kluge Frau und Kinder zu versorgen. Er kämpft nun mit seinen Ängsten und Sorgen, denn die katholische Kirche ist übermächtig und kann seine Existenz mühelos zerstören.
Er zwang sich, nach dem Autoschlüssel zu greifen, und ließ den Motor an. Als er wieder auf die Straße einbog, schob er seine neuen Sorgen beiseite und dachte zurück an das Mädchen im Kloster. Was ihn quälte, war nicht so sehr, dass sie im Kohlenschuppen eingesperrt worden war, auch nicht die Haltung der Mutter Oberin, schlimmer war, wie das Mädchen in seiner Gegenwart behandelt worden war, dass er es zugelassen und sich nicht nach ihrem Baby erkundigt hatte. Das Einzige, worum sie ihn gebeten hatte, dass er das Geld genommen und sie dort am Tisch zurückgelassen hatte, ohne dass ihr etwas Essbares vorgesetzt worden wäre, dass unter der kleinen Strickjacke die Muttermilch ausgelaufen war und ihre Bluse befleckt hatte und dass er danach wie ein Heuchler zur Messe gegangen war. Leseprobe
Ein würdiges Denkmal für die gequälten Frauen
Der Kohlenhändler Bill Furlong ist Teil einer Gesellschaft, die diese Verbrechen in den Magdalenen-Wäschereien jahrzehntelang ignoriert hat. Aber nach seinen Begegnungen im Kloster kann er das nicht mehr.
Als er mit dem barfüßigen Mädchen und dem Schuhkarton die Straße zu seiner Haustür hinaufstieg, war seine Angst weit größer als jedes andere Gefühl, doch in seinem närrischen Herzen hatte er nicht nur die Hoffnung, nein, den berechtigten Glauben, dass sie es schaffen würden. Leseprobe
Das sei als Perspektive hier verraten, damit Sie das Buch auch wirklich lesen möchten! Es gibt inzwischen historische Untersuchungen, wie viele Mädchen und Babys gestorben sind in diesen Einrichtungen, die von der katholischen Kirche und dem irischen Staat betrieben wurden. Claire Keegan hat den gequälten Frauen und ihren Kindern eine Stimme gegeben. Ganz sanft und unerbittlich. Vieles spiegelt sich in ihren unvergleichlichen Naturbeobachtungen, die oft wie die Krähen oder der schwarze Fluss von dräuendem Unheil künden. Großartig übersetzt von Hans-Christian Oeser.
Kleine Dinge wie diese
- Seitenzahl:
- 112 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser
- Verlag:
- Steidl
- Bestellnummer:
- 978-3-96999-065-0
- Preis:
- 18 €
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Romane
